- Großes Latinum
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Das Latinum (von examen Latinum, „lateinische Prüfung“) ist ein Nachweis über lateinische Sprachkenntnisse.
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Deutschland
Seit 1979 ist in einigen deutschen Bundesländern das Latinum ("KMK-Latinum", eine Vereinbarung der deutschen Kultusministerkonferenz) an Stelle des früher üblichen „Großen“ oder „Kleinen“ Latinums getreten (vgl. Lateinunterricht). Dabei gibt es in vielen Bundesländern die Möglichkeit, neben dem Latinum weiterhin das Kleine oder Große Latinum zu erwerben; das Latinum selbst wird dabei aus Unterscheidungsgründen im Schülerjargon als „normales“, „mittleres“, oder, falls es neben dem Großen Latinum geführt wird, als „einfaches Latinum“ bezeichnet.
Die KMK-Vereinbarung wurde 2005 novelliert.[1] Vier Jahre, in den meisten Bundesländern sogar fünf Jahre Teilnahme am aufsteigenden Lateinunterricht oder die Teilnahme an einer schriftlichen und mündlichen Prüfung bilden die Voraussetzung für das Latinum auf dem Abiturzeugnis. Es bestätigt die erfolgreiche Teilnahme mit der Abschlussnote „ausreichend“ (5 Punkte) oder besser. Wer das Latinum nicht während der Schulzeit erworben hat, aber beispielsweise als Studienvoraussetzung für bestimmte Fächer benötigt, kann es nach einer Ergänzungsprüfung zum Abitur erhalten. An vielen Orten gibt es Intensivkurse, die während der Semesterferien auf diese Prüfung vorbereiten. Auch die meisten Universitäten bieten Lateinkurse an (mittlerweile sind auch diese meist kostenpflichtig).
Studienvoraussetzung Latinum
In zahlreichen geisteswissenschaftlichen Studienfächern sind an deutschen Universitäten das Latinum oder Lateinkenntnisse im Umfang des Latinums vorgeschrieben. Dies betrifft nicht nur Theologie und Archäologie, sondern auch viele Fremdsprachen, Philosophie und Geschichte. Die letzteren beiden können mittlerweile an einigen Universitäten zumindest bis zum Bachelor-Abschluss auch ohne den Nachweis des Latinums studiert werden. Das Latinum ist heute nicht mehr erforderlich für ein Studium der Human- und Veterinärmedizin oder der Rechtswissenschaften. Neuerdings gibt es allerdings Stimmen, die eine dringende Wiedereinführung angesichts des zunehmend falschen Umgangs mit Terminologie und Orthographie fordern (z.B. die Universitäten Köln und Halle). Die medizinische Fakultät der Universität Halle bietet Studienbewerbern derzeit sogar die Möglichkeit ihren Schnitt durch den nachträglichen Erwerb des Latinums und sogar des Graecums zu verbessern. So kann die Zeit eines Wartesemesters sinnvoll überbrückt werden.
Wer das Latinum nicht an der Schule erworben hat, kann es in der sogenannten "staatlichen Ergänzungsprüfung zum Abitur" nachträglich erwerben. Die geforderten Prüfungsleistungen sind im Vergleich zum Schulniveau in der Kürze der Zeit anspruchsvoller und arbeitsaufwendiger. Universitäten und private Sprachinstitute bieten dazu ein- bis zweisemestrige Vorbereitungskurse oder mehrwöchige Intensivkurse in den Semesterferien an.
Gegner des Latinums führen an, dass Lateinkenntnisse beispielsweise für Studenten der Anglistik lediglich eine Formalqualifikation ohne echten Nutzen darstellten („totes Wissen“) und weisen darauf hin, dass zahlreiche Studierende das Latinum erst am Ende ihres Studiums erwürben, wenn sie das Latinum als Zulassungsvoraussetzung zur Prüfung zwingend benötigten. Alle anderen zur Zulassung vorgeschriebenen Leistungsnachweise könne diese Gruppe offensichtlich problemlos ohne Lateinkenntnisse erwerben.
Dies geht möglicherweise auf ein Versorgungsproblem der Universitäten mit Lateinkursen und entsprechenden Lateindozenten zurück - insbesondere angesichts steigender Fehlfinanzierung und Reformresistenz universitärer Strukturen. Dagegen scheint die Intensivkursbranche anzuwachsen. Erfahrungsberichte deuten auf signifikant höhere Erfolgsquoten als an den häufig überfüllten und schlecht betreuten Universitätskursen hin. Auch an den Universitäten werden Lateinkurse immer häufiger kostenpflichtig, und es gibt sogar Vorschläge, die gesamte Latinumssparte der Universitäten an Intensivkursanbieter auszugliedern. Die steigende Nachfrage nach zwar kostenpflichtiger, aber auch entsprechend betreuter außeruniversitärer Ausbildung räumt ihr eine Vorreiterrolle auch auf dem Arbeitsmarkt für selbstständige Dozenten ein.
Befürworter des Latinums führen zudem an, dass Lateinkenntnisse beispielsweise für Studenten der Anglistik oder Romanistik eine Zusatzqualifikation mit ganz konkretem Nutzen seien ("lebendiges Wissen"). Dies lasse sich beispielsweise daran belegen, dass mit Lateinkenntnissen verstehbar werde, woher zahlreiche orthographische Phänomene wie "to immigrate“ mit „mm“, aber "to emigrate“ mit nur einem „m“ kommen oder woher das französische „passé simple“ stammt, obwohl es das „passé composé“ gibt. Ferner zeige sich bei vielen, die des Lateinischen mächtig seien, eine sicherere Beherrschung der Grammatik und vor allem des Konjunktivs der indirekten Rede, was man bei "Nicht-Lateinern" nur zu häufig vermisse. Hinzu komme, dass es nicht dem Geist der universitären Ausbildung entspreche, ausschließlich solche Dinge zu erlernen, die man später auch unbedingt konkret in der Praxis anwenden müsse. Gäbe man diesen Tendenzen nach, so hätte dies einen kontinuierlichen Niveauverlust zur Folge.
Im Gegensatz zu Deutschland ist das Latinum in vielen anderen Ländern unbekannt. Einerseits wird in Deutschland oft auf diesen Umstand hingewiesen, wenn die Abschaffung des Latinums gefordert wird, andererseits wird derzeit in einigen Ländern über die (Wieder-)Einführung einer entsprechenden Prüfung diskutiert. Und im Ausland gelten gerade Lateinkenntnisse vielfach als ein Vorteil deutscher Studenten gegenüber - beispielsweise - britischen.
Beispiel für den Erwerb von Latein-Abschlüssen
Am Beispiel Rheinland-Pfalz („von“ und „bis einschließlich“ bezeichnen dabei jeweils die Jahrgangsstufen):
Von Bis einschließlich Gesonderte Prüfung
nötigAbschluss Fünf oder sechs Zehn Latinum Sieben Elf Acht oder neun Dreizehn Elf Dreizehn Ja Fünf, sechs oder sieben Dreizehn Großes Latinum Neun Dreizehn Ja Schweiz
In der Schweiz kann man im Gymnasium das Grosse oder Kleine Latinum erwerben. Das Grosse Latinum erhält, wer eine Matur mit dem Schwerpunktfach Latein mit einer genügenden Note abschliesst. Daher mindestens vom 9. bis zum 12. Jahr den Lateinunterricht besuchte und eine schriftliche und mündliche Matur gemacht hat. Kurse für das Kleine Latinum starten Mitte 9. Klasse und dauern bis Ende 12. Jahr und beanspruchen 3 Wochenlektionen. Sie richten sich sowohl an Schüler aus der Sekundarschule als auch an Schüler, die in den ersten beiden Jahren schon Latein hatten. Diese müsse den Unterricht meist erst nach einem Jahr besuchen, die Prüfungen aber auch schreiben. Den Nachweis erhält, wessen Schnitt der letzten beiden Noten und einer schriftlichen und mündlich Maturprüfung genügend ist.
Das Kleine Latinum ist Voraussetzung für das Studium von europäischen Sprachen, Geschichte, Theologie und einigen weiteren geisteswissenschaftlichen Studiengängen. Für Medizin und viele weitere Studiengänge wurde das Lateinobligatorium vor einigen Jahren abgeschafft. Es ist nicht nötig, bereits beim Antritt eines Studiums im Besitz des Kleinen Latinums zu sein. Dieses kann an der Universität in einem Semester Intensivkurs oder parallel zum Bachelorstudium erworben werden. Die Universitäten geben Listen heraus, für welche Studiengänge das Latinum benötigt wird.
Österreich
Anders als in Deutschland ist das Latinum für die Diplomstudien Humanmedizin, Zahnmedizin, Veterinärmedizin und Rechtswissenschaften sowie für Bachelorstudien wie zum Beispiel Geschichte, Kunstgeschichte zwingend erforderlich.
In der Regel muss das Latinum nicht bei Antritt des Studiums vorgewiesen werden, sondern kann binnen einer gewissen Frist (Vor Beendigung des 1. Studienabschnitts bzw. bei Bachelorstudien vor Studienabschluss) nachgereicht werden.
Kein Latinum braucht, wer mind. 4 Jahre an einem Gymnasium erfolgreich den Lateinunterricht abgeschlossen hat. Eine Ausnahme oder Stundung vom Nachweis der Lateinkenntnisse ist in der Regel nicht möglich.
Belege
Siehe auch
Weblinks
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