Grundschulempfehlung

Grundschulempfehlung

Die Lehrerempfehlung ist die Empfehlung des Lehrers für den weiteren Schulweg des Kindes. In einigen Bundesländern, darunter Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen ist für den Besuch des Gymnasiums oder der Realschule die Lehrerempfehlung verpflichtend. In anderen, beispielsweise Hamburg und Hessen, gilt sie nur als Hilfestellung der Eltern bei der Schulwahl.

Inhaltsverzeichnis

Die Situation am Beispiel Baden-Württemberg

Am Ende der Grundschulzeit wird seitens der Schule die Grundschulempfehlung ausgesprochen.

Für den Übertritt in die Realschule sollte das Kind in den Fächern Deutsch und Mathematik im vierten Schuljahr einen Schnitt von mindestens 3,0, für das Gymnasium von mindestens 2,5 haben. In die Bewertung einbezogen werden sollen auch das Lern- und Arbeitsverhalten des Schülers.

Entspricht die Grundschulempfehlung nicht dem Elternwunsch, kommt es zu einem Beratungsverfahren, das auf Grundlage normierter Tests über Begabungspotentiale und Durchhaltevermögen in eine Gemeinsame Bildungsempfehlung mündet[1].

Als dritte Stufe des Verfahrens ist auch eine landeseinheitliche Aufnahmeprüfung möglich. An dieser nahmen z.B. 2004 ungefähr 2.500 Schüler teil. Davon bestanden 20 % die Aufnahmeprüfung. Aufs Gymnasium schaffte es sogar nur jeder zwanzigste[2].

Die Situation am Beispiel Nordrhein-Westfalen

Die Empfehlung wird im Schulgesetz (SchulG) in § 11 Abs. 4 geregelt. Seit dem 1. August 2006 ist die Empfehlung bindend und wird zusammen mit dem Halbjahreszeugnis der Klasse 4 erteilt. Obwohl im § 11 Abs. 4 Satz 3 SchulG die Eltern über den weiteren Bildungsweg ihres Kindes und damit über die Wahl der Schulform entscheiden, wird hier die Entscheidung der Schule vor den Elternwillen gesetzt, weil die Wahl der Schulform nach einer pädagogischen Prognose durch den Klassenlehrer/in erfolgt. Diese Regelung ist juristisch bedenklich, da das Grundgesetz Artikel 6 Abs. 2 den Eltern das uneingeschränkte Recht auf die Erziehung der Kinder gibt.

Sind die Eltern mit der Schulempfehlung nicht einverstanden, so kann das Kind an einem dreitägigen Prognoseunterricht teilnehmen, der die gewünschte Schulform ausschließen kann. Der Prognoseunterricht wird zusammen von einem Lehrer der Grundschule und der gewünschten weiterführenden Schule erteilt.

Da die Empfehlung durch einen Verwaltungsakt erfolgt, ist diese durch einen Widerspruch innerhalb von vier Wochen anfechtbar. Wird dem Widerspruch nicht stattgegeben, so kann innerhalb von vier Wochen Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden.

Folgen die Eltern der Lehrerempfehlung?

Bundesweit lässt sich feststellen, dass die Eltern der Lehrerempfehlung folgen. Dies trifft auch auf die Bundesländer zu, in denen sie nicht bindend ist. Die Quote der Eltern, die der Lehrerempfehlung folgen, ist in den südlichen Bundesländern etwas höher als in den nördlichen.

Elternentscheidung für verschiedene Schulformen, in den Bundesländern, in denen die Lehrerempfehlung nicht bindend ist:

Elternentscheidung für Hauptschule für Realschule für Gymnasium für integrierte Gesamtschule
Lehrerempfehlung für Hauptschule 74,7 % 16,1 % 1,4 % 7,9 %
Lehrerempfehlung für Realschule 10,1 % 66,0 % 14,5 % 9,3 %
Lehrerempfehlung für das Gymnasium 0,2 % 7,1 % 90,7 % 2,0 %

[3]

Kritik an der Lehrerempfehlung

Die Verbindlichkeit der Lehrerempfehlung in manchen Bundesländern ist umstritten, da sie Schüler und Eltern zu sehr unter Druck setze.[4] Darüber hinaus wurde die Lehrerempfehlung auch unter Bezug auf die IGLU-Studie 2001 kritisiert. Die Lehrerempfehlung stimme nur teilweise mit den bei IGLU gemessenen Kompetenzen (Kompetenzen im Bereich Rechtschreibung) überein.

Kompetenzstufe 1 (sehr schlechte Rechtschreibung) Kompetenzstufe 2 Kompetenzstufe 3 Kompetenzstufe 4 (sehr gute Rechtschreibung)
Lehrerempfehlung für Hauptschule 75,4 % 56,8 % 25,6 % 5,8 %
Lehrerempfehlung für Realschule 22,1 % 36,0 % 41,8 % 18,2 %
Lehrerempfehlung für das Gymnasium 2,5 % 7,1 % 32,7 % 76,0 %

[5]

Es wird kritisiert, dass besonders Kinder von Arbeitern benachteiligt seien, weil sie seltener die Lehrerempfehlung für das Gymnasium oder die Realschule bekämen.

Die IGLU-Studie 2007 beanstandet, dass die Benachteiligung von Arbeiterkindern sich noch vergrößert habe:

Gymnasialempfehlungen:


Mindestpunktzahl für den Übergang zum Gymnasium nach Ansicht (Werte von 2001 in Klammern)

der Lehrer der Kinder der Eltern der Kinder
Kinder aus der oberen Dienstklasse 537 (551) 498 (530)
Kinder aus der unteren Dienstklasse 569 (565) 498 (558)
Kinder von Eltern aus dem Bereich Routinedienstleistungen 582 (590) 578 (588)
Kinder von Selbständigen 580 (591) 556 (575)
Kinder von Facharbeitern und leitenden Angestellten 592 (603) 583 (594)
Kinder von un- und angelernten Arbeitern und Landarbeitern 614 (601) 606 (595)
http://www.iglu.ifs-dortmund.de/assets/files/iglu/IGLU2006_Pressekonferenz.doc
Download am 28. Dezember 2007


Das Ergebnis der IGLU-Studie 2007 bezüglich der Gymnasialempfehlung verweist auf soziale Ungerechtigkeiten:

  • Lehrer empfehlen Kinder von Eltern aus der oberen Dienstklasse bereits mit 537 Punkten zum Gymnasium, Kinder un- und angelernter Arbeiter müssen hierfür aber 614 Punkte erreichen.
  • Eltern aus der Oberschicht sehen ihre Kinder bereits gymnasialtauglich, wenn sie nur 498 Punkte erreichen; Arbeiter sehen ihre Kinder erst ab 606 Punkten als gymnasialtauglich.
  • Akademiker setzen sich gegenüber Lehrern besser durch als Arbeiter, wenn sie ihre Kinder aufs Gymnasium schicken wollen.

Reaktion auf die Kritik

Josef Kraus, der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, hat die Kritik zurückgewiesen. Die Lehrerempfehlung diene dazu, dass jedes Kind individuell auf der für das Kind am besten geeigneten Schulform gefördert werde. Insbesondere sei auf den Hauptschulen die Förderung „handwerklich begabter“ Schüler in besonderem Maße gewährleistet.

Das Landesinstitut für Erziehung und Unterricht Stuttgart bezeichnet die Lehrerempfehlung als in den meisten Fällen zutreffend. Nach einer Untersuchung des Institutes trafen die Prognosen der Grundschullehrer zwischen 1985 und 1996 in 92 bis 93 Prozent der Fälle zu.[2]

Siehe auch

Referenzen

  1. Drucksache 13 / 4003 Landtag von Baden-Württemberg
  2. a b Lehrerempfehlung: Erfahrungen in Baden-Württemberg, www.wdr.de, 13. Dezember 2005
  3. Bos et al.: Erste Ergebnisse aus IGLU : Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann, 2007. S. 132.
  4. Immer mehr Schüler scheitern an den Gymnasien - Welt Online, 18.08.2008
  5. Bos et al.: Erste Ergebnisse aus IGLU : Schülerleistungen am Ende der vierten Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich. Münster: Waxmann, 2007. S. 248.

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