- Guanaquito
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Das zu den höckerlosen Kamelen zählende Guanako lebt ausschließlich in den Anden Südamerikas bis zu einer Höhe von 4000 m (zu 95 % in Argentinien). Es werden fast nur die Felle der Jungtiere gehandelt, im Heimatland und gelegentlich noch im internationalen Rauchwarenhandel unter dem Namen Guanaquitos. Neben dem Fell wird auch das Fleisch genutzt, sowie von Tieren, die sich Lama- oder Alpakaherden zugesellen, die Wolle.[1]
Von den beiden anderen Lamaarten Alpaka und Vikunja schreibt Emil Brass 1911, dass das Vicunjafell zu sehr hochwertigen Decken verarbeitet wird, aber nur verhältnismäßig selten in den Rauchwarenhandel kommt. Vom Alpaka werde nur die Wolle verwertet.[2]
Das Guanako steht im Anhang II des Washingtoner Artenschutz-Übereinkommens, das Fell darf nur mit der Exportgenehmigung des Ursprungslands gehandelt werden.
Inhaltsverzeichnis
Fell
Das Fell des ausgewachsenen Guanakos hat eine Länge von 1,80 bis zu 2,25 m, hinzu kommt der Schwanz von 15 bis 25 cm. Die für die Pelzverarbeitung verwendeten Jungtierfelle sind etwa 1 m lang.
Die Haarfarbe ist hellrötlichbraun, scharf abgegrenzt davon ist die weiße Bauchseite und die Innenseite der Oberschenkel. Das Oberhaar ist kaum ausgebildet. Das flaumig gewellte Haar der Jungtierfelle ist feinseidig weich und wird mit zunehmenden Alter stumpfer und wolliger; auch ist das Leder älterer Tiere wesentlich schwerer. Bei Regen saugt es sich schnell voll, was übrigens für alle Kamelarten gilt.[1]
Der Haltbarkeitskoeffizient wird mit 50-60 % angegeben.[Anmerkung 1][3]
Max Bachrach unterscheidet nach der Provenienz:
- Rio Gallegos. Südliches Santa Cruz bis in die Gegend Punta-Arenas der Meerenge von Magellan. Besten. Mittelrötlichbraun, etwas dunkler als in der Gegend näher zu Punta Arenas.
- Punta Arenas.
- Santa Cruz (sogenannte Feuerlandfelle) und der südwestliche Teil der Chubut liefern den zweitbesten Typ, die Qualität ist etwas schwächer; jedoch die Farbe erheblich kräftiger.
- Chubut. Die erheblich kräftigere Farbe trifft vor allem auf die Felle von Chubut zu, sie sind sehr rot, fast kupferfarben.
- Rio Negro. Ebenfalls rötlich; aber erheblich dünner in der Qualität und sehr grob.
- Pampas. Ähnlich wie Rio Negros, aber sehr blass, sie wirken mehr rosa als rot.[4][5]
Die Felle kommen immer bereits zugerichtet (gegerbt) in den Welthandel.
Verarbeitung und Verwendung
Die ungewöhnliche Fellform und Farbverteilung (hellrötlichgelb und weiß) stellen an den Kürschner besondere Herausforderungen. Die meisten Felle kommen bereits zu Decken gearbeitet aus Argentinien zu uns in den Handel, der Rumpf mit den Beinteilen zu dem für Guanakoplaids typischen Muster ineinander gefügt.
1911 heißt es bei Brass:
Die Felle der ausgewachsenen Tiere werden hauptsächlich lokal verbraucht. So bestanden z. B. die großen geräumigen Zelte, die „Tolodos“ der Pampas-Indianer, der Pechnechen und Moluchen (= Mapuchen??) aus Guanakofellen, ebenso ihre Lagerstätten. Aus den Fellen der jungen Tiere fertigen die Indianerfrauen sehr hübsche Decken, die weich gegerbt, sehr geschmackvoll zusammengesetzt und auf der Lederseite hübsch mit geometrischen Mustern bemalt waren.[2]
Der Quillango
Die Einheimischen hüllten sich in weite Guanakodecken, die Quillangos; sie waren Bestandteil der Nationalkleidung. Der südamerikanische Rinderhirt oder Gaucho verwendete sie als Satteldecke, in kalten Nächten wickelte er sich darin ein.[7]
Christine Papp trug über den Guanakoquillango bei den Tehuelchen in ihrer Dissertation zusammen:[8]
Ibar Sierra nannte den Quillango, dessen Herstellung er beschrieb, Sokga. 15 bis 20 Guanako-Jungtierfelle nähten die Indianerinnen sorgfältig so zusammen, dass die Fellzeichnung harmonierte und das fertige Stück angenehm anzusehen war. Das frisch abgezogene Fell wurde sofort mit vielen Holzpflöcken in die gewünschte Form gespannt. Nun wurde das Fell geknetet, gefaltet und gerieben, bis es weich und geschmeidig war. Mit einem Pfriem machte eine von Sierra beobachtete junge Witwe kleine Löcher in die Felle, deren Ränder sie bemalt hatte, durch die sie dünne, aus Guanakosehnen gefertigte, Fäden zog. Beine, Hals- und Kopfstücken wurden genau so sorgfältig bearbeitet wie die größeren Fellstücke. Die trockenen Häute machten die alten Frauen mit scharfen aber abgerundeten Stein- oder Glasschabern geschmeidig. Nach dem Trocknen und Bleichen wurden sie mit Straußen- oder Stutenleber, manchmal auch mit Stutenfett, eingerieben und durch Aneinandereiben weich gemacht. Etwa 13 Felle wurden anschließend so zugeschnitten, dass sie in einem großen Viereck, Kopf zu Schwanz, genau ineinander passten. Ein fertiger Quillango war durchschnittlich etwa 1,60 x 1,80 Meter, bis zu 1,80 x 2 Meter groß (Martinic 1995, S. 253).
Die trotz des kunstvollen Ineinanderfügens abfallenden Fellteile wurden ebenfalls verwendet. Das Maulwurfsbraun der Vorderköpfe, das leuchtende Weiß der Flanken und der Bäuche, das Gelbbraun der Beine wurden zusammen mit kleinen Skunksfellen, wilden Katzen und anderen heimischen Fellen zu beeindruckenden, geschmackvollen Mustern verarbeitet (Hatcher1869/1903, S. 270).
Immer wird die Bemalung auf der Lederseite besonders hervorgehoben, reich mit Figuren geschmückt (Falkner 1774); Karos in verschiedenen Farben, z. B. fleischfarben und blau (Pineda 1789/1971), mit bunten Figuren ornamiert (Pineda 1789); einzigartig das immer in vollkommener Regelmäßigkeit ausgeführte Dekor, aus geraden, in verschiedene Richtungen gewendeten Linien bestehend. Figuren und Linien, Quadrate und Dreiecke in symmetrischer Anordnung ergaben ein mosaikartiges Aussehen in wunderbarer spiegelgleicher Anordnung, hauptsächlich in braun (wahrscheinlich gebrannte Ockererde), schwarz und weiß (Fitz-Roy 1839), aber auch rot, blau, grün, gelb, weiß, manchmal himmelblau, rosa und grau (Martinic 1995). Es wird berichtet, wie eine Frau, ohne sich vorher eine Skizze aufzuzeichnen, die Muster mit dünnen Stiften direkt auf der Fleischseite des Fells aufmalte. Mit den mit Speichel angefeuchteten Stiften trug sie die verschieden Erdfarben auf das Leder auf. Wenn sie elf oder dreizehn Felle fertig gestellt hatte, wurden sie mit solcher Geschicklichkeit zusammengefügt, dass man beim fertigen Stück nicht die kleinste Falte entdecken konnte.(Hatcher 1896/1903:269f.) Dabei hatte jedes Muster seinen bestimmten Platz, jedoch unterschieden sich die Muster bei den verschiedenen Ethnien. - Gelegentlich waren auch die auf der Haarseite durch Abrieb entstandenen Kahlflächen bemalt.
Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden Guanakodecken und Mäntel der wichtigste Handelsartikel der Tihuelche, der Export erlebte um 1870 einen Höhepunkt und brach dann zusammen. Heute findet man nur noch wenige Felle in Museen und bei privaten Sammlern. (Prieto 1997: S. 185)Weiter berichtet Brass, dass, nachdem die Indianer in Argentinien so zusammengeschmolzen sind, nur noch einige dieser Decken auf den Markt kamen. Dagegen wurden die jungen Guanaquitos stark exportiert, damals noch roh, um dann hauptsächlich in Berlin und Leipzig zugerichtet zu werden.
Hermann Deutsch schreibt 1930 in seinem Kapitel über Guanako (Huanako) und die in Deutschland wenig verbreiteten Kenntnisse der Verarbeitung:
Meines Wissens ist bisher in keinem Fachbuch die Verarbeitung des Guanakos beschrieben, wohl hauptsächlich aus dem Grunde, da sie für den Kürschner fast gar nicht in Frage kommt und er die wenigen Felldecken, die verkauft werden, von den Leipziger Firmen, die sich mit der Anfertigung der Guanakodecken befassen, fertig beziehen kann.[9]
Offenbar waren die Kenntnisse jedoch nur in Vergessenheit geraten, 1899 schreibt ein schottischer Kürschner, dass die Felle inzwischen in Deutschland besser verarbeitet (manufactured) werden als von den Indios.[10]
Brass berichtet für die Jahre vor 1911 von einem jährlichen Anfall von wohl etwa 30.000 bis 40.000 Fellen.
In den Handel gelangte Felle[11] 1979 1980 1981 1982 1983 Lama guanicoe 2844 2863 16.895 30.631 5001 Vicugna vicugna 75 0 0 0 0
Neben der Verarbeitung zu Decken, Innenfuttern und Besätzen werden in Zeiten, in denen die Mode Langhaarpelze begünstigt, Guanakofelle auch zu Konfektion, in der Regel zu sportlichen Jacken, verarbeitet.Anmerkung
- ↑ Die angegebenen vergleichenden Werte (Koeffizienten) sind das Ergebnis vergleichender Prüfung durch Kürschner und Rauchwarenhändler in Bezug auf den Grad der offenbaren Abnutzung. Die Zahlen sind nicht eindeutig, zu den subjektiven Beobachtungen der Haltbarkeit in der Praxis kommen in jedem Einzelfall Beeinflussungen durch Gerbung und Veredlung sowie zahlreiche weitere Faktoren hinzu. Eine genauere Angabe könnte nur auf wissenschaftlicher Grundlage ermittelt werden.
Die Einteilung erfolgte in Stufen von jeweils 10 Prozent. Die nach praktischer Erfahrung haltbarsten Fellarten wurden auf 100 Prozent gesetzt.
Literatur, Einzelnachweise
- Richard Franke/Johanna Kroll: Jury Fränkel’s Rauchwaren-Handbuch 1988/89, Rifra-Verlag, Murrhardt
- [1]Private Homepage der Victory Yacht Cruises, Victory Adventure Expeditions Ltd: Mit Fotos der Selk'nam-Indianer, u. a. einem Guanakozelt. Zuletzt abgerufen am 3. Oktober 2008.
- ↑ a b Prof. Dr. sc. nat. Dr. med vet. h. c. Heinrich Dathe, Berlin; Dr. rer. pol. Paul Schöps, Leipzig unter Mitarbeit von 11 Fachwissenschaftlern: Pelztieratlas, VEB Gustav Fischer Verlag Jena, 1986, S. 267-277
- ↑ a b Emil Brass: Aus dem Reiche der Pelze, 1925, Verlag der „Neuen Pelzwaren-Zeitung und Kürschner-Zeitung“, Berlin, S. 699-701
- ↑ Dr. Paul Schöps; Dr. H. Brauckhoff, Stuttgart; K. Häse, Leipzig, Richard König, Frankfurt/Main; W. Straube-Daiber, Stuttgart: Die Haltbarkeitskoeffizienten der Pelzfelle in Das Pelzgewerbe, Jahrgang XV, Neue Folge, 1964, Nr. 2, Hermelin Verlag Dr. Paul Schöps, Berlin, Frankfurt/Main, Leipzig, Wien, S. 56-58
- ↑ Max Bachrach: Fur. A Practical Treatise. Prentice-Hall Inc., 2. Auflage, Februar 1936, New York. S. 514-516 (englisch)
- ↑ Friedrich Lorenz: Rauchwarenkunde, 1958. Selbstverlag, Berlin. S. 121
- ↑ P. Pellifex: No 1. Die Annalen der Kürschnerei. Die Pelzmosaik. Verlag: M. Melzer, Frankenstein, Schlesien. Ohne Datum (ca. 1905). S. 25
- ↑ Alexander Tuma: Pelzlexikon XVIII. Band der Pelz- und Rauhwarenkunde, Fachliteratur - Kaninfell, Verlag Alexander Tuma, Wien 1949. S. 80
- ↑ Christine Papp: Die Tehuelche. Ein Ethnohistorischer Beitrag zu einer jahrhundertelangen Nicht-Begegnung. Dissertation. Universitãt Wien, 2002.
- ↑ Hermann Deutsch: Die Moderne Kürschnerei. Handbuch für den Kürschner, Färber, Bleicher, Zuschneider und Konfektionär. A. Hartleben`s Verlag, Wien und Leipzig, 1930. S.66
- ↑ R. Russ Winkler: Furs and Furriery, Macniven & Wallace, Edinburgh, Juni 1899, S. 26-27 (engl.)
- ↑ CITES Instruktion für den tierärztlichen Dienst, Information 820.116.90 (1), 22. März 1988
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