Guerra sucia

Guerra sucia
Plakat mit Fotos von unter der argentinischen Militärdiktatur verschwundenen Menschen, 2005.

Ein schmutziger Krieg (engl. dirty war, span. guerra sucia) ist ein Konflikt, bei dem staatliche Sicherheitskräfte gegen innenpolitische Gegner bzw. separatistische, terroristische oder sonstige Widerstandsbewegungen vorgehen und dabei systematisch illegale oder menschenrechtsverletzende Methoden anwenden. Dazu zählen unter anderem willkürliche Verhaftungen, Inhaftierungen ohne rechtliche Grundlage und das Verschwindenlassen von Menschen[1], die Anwendung von Folter sowie extralegale Hinrichtungen.[1] Auch die Duldung oder Unterstützung von paramilitärischen Verbänden und Todesschwadronen[2][3], die außerhalb der Gesetze operieren, und die Unterstützung oder Instrumentalisierung terroristischer Gruppen[4] zählen zu den Methoden.

Dabei wird regelmäßig die Grenze zur willkürlichen Unterdrückung und Terrorisierung großer Teile der Zivilbevölkerung überschritten. Amnesty international äußerte sich dazu wie folgt:[5]

„In den „Kriegen“ gegen politische Gegner jedweder Art sind Menschenrechte, wie das Recht, nicht gefoltert zu werden, das Recht, nicht willkürlich verhaftet zu werden, und das Recht auf Leben verletzt worden. Opfer dieser Verstöße wurden vielfach auch Bevölkerungskreise, die keinerlei illegale Aktivitäten ausgeübt haben. Einige Beispiele hierfür sind die „schmutzigen Kriege“ in lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien und Chile in den siebziger Jahren […].“

Besonders die systematische Praxis des Verschwindenlassens und der Folter stellen dabei gemäß internationalem Recht Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar.[1] Die Führung schmutziger Kriege ist vor allem ein Merkmal von Militärdiktaturen und autoritär geführter Staaten. Es gibt jedoch auch eingehend dokumentierte Beispiele, in denen westliche Demokratien Konflikte auf diese Art führten.[4][6][7] Insbesondere stammt eine der grundlegenden militärtheoretischen Abhandlungen über diese Art der Konfliktführung von dem französischen Offizier Roger Trinquier (La guerre moderne), die auf seinen Erfahrungen im Indochinakrieg und dem Algerienkrieg basierte.

Der Begriff wird im deutschen Sprachraum vor allem in journalistischen Veröffentlichungen[2][3][8] und von Menschenrechtsorganisationen[1][9] verwendet. Er findet aber auch in der Geschichtswissenschaft Anwendung, vor allem im angelsächsischen Raum.[4][6] Im weiteren Sinn werden als schmutzige Kriege auch „konventionelle“ kriegerische Auseinandersetzungen bezeichnet, bei denen zumindest eine der Parteien mit großer Härte oder Brutalität gegen die Zivilbevölkerung vorgeht. Dies ist häufig in so genannten asymmetrischen Konflikten der Fall, etwa in Guerilla-Kriegen.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

Prozess gegen die Militärjunta, die für den schmutzigen Krieg in Argentinien verantwortlich war (1985)

Insbesondere die folgenden Konflikte werden als schmutzige Kriege bezeichnet:

  • Die Vorgehensweise Frankreichs gegen die Widerstandsbewegung FLN während des Algerienkriegs.[6] Die maßgeblich von dem Offizier Roger Trinquier entwickelte Französische Doktrin umfasste unter anderem die systematische Folterung von Verdächtigen zur Informationsgewinnung.[10] Die südamerikanischen Militärregime der 1970er und 1980er Jahre griffen später auf die entsprechende Erfahrung französischer Offiziere zurück, unter anderem bei der Organisation der Operation Condor.[11]
  • Die argentinische Militärdiktatur (1976 bis 1983) führte während des so genannten Prozesses der Nationalen Reorganisation einen schmutzigen Krieg gegen jede Art von politischen Gegnern, dem je nach Schätzung etwa 9.000 bis 30.000 Menschen zum Opfer fielen. In diesem Fall wurde der Begriff von den Militärs selbst verwendet.[1]
  • Die Bekämpfung der baskischen Separatistenorganisation ETA durch die spanische Regierung mittels der terroristischen Gruppen Grupos Antiterroristas de Liberación (GAL) von 1983 bis 1987.[4] Die GAL war für 28 Morde an vermeintlichen ETA-Mitgliedern verantwortlich, wobei ein Teil der Opfer nachweislich keine Kontakte zur ETA gehabt hatte. Hohe spanische Beamte und der ehemalige Innenminister wurden später zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.[12]
  • Gemäß offizieller Untersuchungen, etwa dem Stevens-Report von 2003[13], gab es im Nordirlandkonflikt immer wieder eine direkte Zusammenarbeit zwischen britischen Sicherheitsorganen und loyalistischen paramilitärischen bzw. terroristischen Einheiten. Mit dem britischen Militär kooperierende Agenten verübten dabei im Rahmen von Geheimoperationen auch illegale Tötungen von vermeintlichen IRA-Sympathisanten, etwa dem prominenten Rechtsanwalt Patrick Finucane, der 1989 vor den Augen seiner Familie erschossen wurde.[13][7] Der Konflikt wird daher regelmäßig als schmutziger Krieg bezeichnet.[7][14][15]
  • Der Konflikt zwischen der algerischen Regierung und dem Militär mit islamistischen terroristischen Gruppen ab 1992, dem mehr als 150.000 Menschen zum Opfer fielen.[2][3][9]

Literatur

  • Roger Trinquier: La guerre moderne. Paris 1961 (engl. Ausgabe: Modern warfare. A French view of counter-insurgency, London 1964, siehe Weblinks). 
  • Martin Dillon: The Dirty War: Covert Strategies and Tactics Used in Political Conflicts. Routledge, 1999, ISBN 041592281X. 
  • Stephen Grey: Das Schattenreich der CIA: Amerikas schmutziger Krieg gegen den Terror. Goldmann, Spiegel Buchverlag, 2008, ISBN 3442129818. 
  • Iain Guest: Behind the Disappearances: Argentina's Dirty War Against Human Rights and the United Nations. University of Pennsylvania Press, 2000, ISBN 0812213130. 
  • Anna Politkovskaya: A Dirty War: A Russian Reporter in Chechnya. Harvill, 2001, ISBN 1860468977. 
  • Habib Souaidia: Schmutziger Krieg in Algerien. Chronos, Zürich 2001, ISBN 3034005377. 

Weblinks

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c d e Angela Dencker: 25 Jahre Militärputsch und Völkermord in Argentinien. Die Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen aus der Sicht von amnesty international. In: menschenrechte.org. 21. März 2001. Abgerufen am 17. Dezember 2008.
  2. a b c Der schmutzige Krieg. In: 3sat.online. 16. Mai 2001. Abgerufen am 16. Dezember 2008.
  3. a b c Algeriens schmutziger Krieg. Geheimdienstler packen aus. In: Le Monde Diplomatique. 17. März 2004. Abgerufen am 16. Dezember 2008.
  4. a b c d Paddy Woodworth: Dirty War, Clean Hands. ETA, the GAL and Spanish Democracy. Yale University Press, 2003, ISBN 0300097506. 
  5. amnesty international: Rechte in Gefahr. In: Jahrbuch Menschenrechte 2003. Abgerufen am 17. Dezember 2008
  6. a b c Martin S. Alexander, John F. V. Keiger: France and the Algerian War, 1954-1962. Taylor & Francis, 2002, ISBN 0714682640, S. 179. 
  7. a b c Charles M. Sennott: Reconciling a dark past. British government accused in lawyer's slaying. In: The Boston Globe. 7. Juli 2003. Abgerufen am 9. Januar 2009.
  8. Bruno Werner: Schmutziger Krieg. In: Die Zeit. 15. Mai 1992. Abgerufen am 19. Dezember 2008.
  9. a b Salima Mellah: Der schmutzige Krieg in Algerien. Algeria-Watch. Abgerufen am 19. Dezember 2008.
  10. Christiane Kohser-Spohn (Hrsg.), Frank Renken (Hrsg.): Trauma Algerienkrieg: Zur Geschichte und Aufarbeitung eines tabuisierten Konflikts. Campus, 2006, ISBN 3593377713. 
  11. Marie-Monique Robin: Todesschwadronen - Wie Frankreich Folter und Terror exportierte. In: Arte Programmarchiv. 8. September 2004. Abgerufen am 13. Januar 2009.
  12. Spain's state-sponsored death squads (Englisch). BBC (29. Juli 1998). Abgerufen am 2. Oktober 2008.
  13. a b Sir John Stevens, Commissioner of the Metropolitan Police Service: Stevens Enquiry 3. Overview & Recommendations. In: cryptome.org. 17. April 2003. Abgerufen am 13. Januar 2009.
  14. Martin Dillon: The Dirty War: Covert Strategies and Tactics Used in Political Conflicts. Routledge, 1999, ISBN 041592281X. 
  15. Britain's dirty war; Northern Ireland.(Security forces and murder in Northern Ireland). In: The Economist. 26. April 2003. Abgerufen am 9. Januar 2009.


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