Alfred Waldersee

Alfred Waldersee
Alfred Graf von Waldersee auf einer 1901 verschickten Postkarte

Alfred Heinrich Karl Ludwig Graf von Waldersee (* 8. April 1832 in Potsdam; † 5. März 1904 in Hannover) war ein deutscher Offizier und preußischer Generalfeldmarschall. Er befehligte überwiegend Militäreinheiten in Hannover, war von 1888 bis 1891 Chef des Großen Generalstabs und war um 1900 Oberbefehlshaber eines multinationalen Truppenkontingents, das zur Niederschlagung des chinesischen Boxeraufstands nach Peking entsandt worden war.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Alfred von Waldersee entstammte einer alten anhaltischen Soldatenfamilie. Erst seit 1897 befindet sich der Familiensitz auf dem Gut Schloss Waterneverstorff im Ortsteil Waterneverstorf der Gemeinde Behrensdorf. Er war das fünfte von sechs Kindern aus der Ehe des in Dessau geborenen preußischen Kavalleriegenerals Franz Heinrich von Waldersee (1791–1873) und Bertha von Hünerbein (1799–1859).

Leben

Waldersee-Denkmal am Rande der Eilenriede in Hannover

1850 wurde Waldersee nach der obligatorischen Erziehung in verschiedenen Kadettenanstalten zum Leutnant ernannt. 1852 besuchte er die Vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule und 1858 wurde er Adjutant der Artillerieinspektion. Während des Deutschen Kriegs war Waldersee 1866 erst Adjutant im königlich preußischen Großen Hauptquartier und dann im Stab des Generalgouverneurs von Hannover. Dann wurde er zum Generalstabsoffizier berufen. 1870 ging er als Militärattaché an die preußische Botschaft in Paris. In quasi-nachrichtendienstlicher Tätigkeit sammelte er hier wertvolle Informationen über die französische Armee, die dem preußischen Generalstab sehr bei der Planung des Feldzuges geholfen haben.

1870/71 im Deutsch-Französischen Krieg war Waldersee Flügeladjutant des preußischen Königs, dann Generalstabschef der Armee des Großherzogs Friedrich Franz II.. 1871 war er wieder, diesmal als diplomatischer Geschäftsträger des Deutschen Reichs, in Paris. 1873 wurde Waldersee Chef des X. Armee-Korps in Hannover, 1882 Generalquartiermeister und damit Stellvertreter Helmuth Graf von Moltkes im Großen Generalstab. Moltke hatte ihn persönlich ausgesucht und baute ihn in der Folge zu seinem Nachfolger auf; in den letzten Jahren ließ er ihm relativ freie Hand, da er in hohen Alter nicht mehr die administrative Führung seines Amtes ausüben wollte und in Waldersee einen geeigneten Offizier sah, der ihn ersetzen konnte.

1874 heiratete er Marie Esther Lee, verwitwete Fürstin von Noer, einer bedeutenden Protagonistin der deutschen Erweckungsbewegung und eine starke Förderin sozialer Einrichtungen.

Die 1885/86 entwickelten Strategien für einen Präventivkrieg gegen Russland und Frankreich für den Fall eines Bündnisses zwischen beiden Staaten (wie sie später Schlieffen weiterentwickelte) gerieten zunehmend in den Widerspruch zur Außenpolitik des Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck. 1887 forderte Waldersee dann erneut, einen Präventivkrieg gegen Russland zu überdenken, verbunden mit Annäherungen an das konservative Lager um Adolf Stoecker (er und seine Frau engagierten sich sehr in der Berliner Stadtmission) und Prinz Wilhelm, den späteren Kaiser. 1888, nach dem Amtsantritt Wilhelms II., wurde Waldersee Nachfolger Moltkes (auf dessen ausdrücklichen Wunsch) als Chef des Generalstabs. In dieser Position stärkte er das Militär gegenüber der Politik (Kriegsministerium und Reichsleitung) und wirkte am Sturz Bismarcks 1890 aktiv mit. Waldersee wurde aber nicht, wie von ihm selbst erhofft, Bismarcks Nachfolger.

1891 musste Waldersee nach unerwarteten Differenzen mit Kaiser Wilhelm II. seinen Posten im Generalstab räumen, da er beim Kaisermanöver es gewagt hatte, den Kaiser strategisch zu besiegen und damit zu zeigen, dass der Kaiser in Wirklichkeit wenig Ahnung von militärischer Strategie besaß. Dafür wurde Waldersee Kommandierender General des IX. Armee-Korps in Altona, eines damals wichtigen Postens, da er damit auch in der Nähe von Bismarcks Ruhesitz Friedrichsruh residierte. Als Waldersees Nachfolger wurde Alfred Graf von Schlieffen Chef des Generalstabes.

1897 wurde Waldersee noch einmal politisch auffällig mit der (erfolglosen) Forderung repressiver Maßnahmen gegen die Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, von der er meinte, dass sie die größte Gefahr für das deutsche Kaiserreich darstellen würde und forderte, jedoch wieder erfolglos, eine Allianz von Kirche, Bürgertum und Militär, um Deutschland zu retten. 1898 wurde er Generalinspekteur der III. Armee-Inspektion in Hannover, 1900 zum Generalfeldmarschall ernannt.

Waldersee in China

1900/01 erhielt er den Oberbefehl über die europäischen Interventionstruppen zur Niederschlagung des Boxeraufstandes im Kaiserreich China. Im deutschen Volksmund wurde er auch – teils spöttisch, teils bewundernd – „Weltmarschall“ genannt. Da bei seinem Eintreffen im September 1900 Peking bereits erobert war, übernahm Waldersee dort die Rolle des Besatzungsoffiziers, der einerseits Plünderungen stoppte und andererseits zwischen den acht Besatzungsmächten vermittelte. Obwohl ihn alle Besatzungsmächte achteten, unterstellten sich die amerikanischen und französischen Truppen nie seinem Befehl. Gegen „Widerstandsnester“ der „Boxer“ unternahm er teils blutige Strafexpeditionen und setzte somit die von Kaiser Wilhelm II. in seiner "Hunnenrede" geforderten Vergeltungsmaßnahmen in die Tat um.

Nach seiner Rückkehr aus China 1901 wurde er wieder Generalinspekteur der III. Armeeinspektion in Hannover und verstarb 1904. Die letzten Lebensjahre verbrachte er hier in einer Villa in der Hohenzollernstraße am Rande der Eilenriede, die heute das Altenheim Walderseestift beherbergt. 1915 wurde gegenüber dem letzten Wohnsitz das Waldersee-Denkmal (siehe Foto) eine überdimensionale Steinplastik aufgestellt, die der Bildhauer Bernhard Hoetger schuf. Die Verlängerung der Hohenzollernstraße wurde nach ihm in Walderseestraße umbenannt. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Familienfriedhof der Familie Waldersee in Stöfs bei Lütjenburg in Holstein.

Historische Bewertung

Generalfeldmarschall von Waldersee war der erste bekannte und erfolgreiche „politische“ Offizier. Sein Amtsvorgänger Moltke war zwar auch ein Offizier mit politischen Ambitionen, der aber an der übermächtigen Position Bismarcks und auch Roons nicht „vorbeikommen“ konnte.

Waldersees Idee des Präventivkrieges gegen Russland vor Wiedererstarkung der französischen Militärmacht wurde auch von Moltke gefördert. Dieser Plan ist der Grundstein des Schlieffenplans, der die deutsche Strategie im Ersten Weltkrieg kennzeichnete. Für seine "militärischen Erfolge" in China wurde von Waldersee international mit hohen Orden ausgezeichnet. Außerdem erhielt er als erster protestantischer Christ den Pius-Orden durch den Papst verliehen.

Waldersee wurde mehrfach als Kandidat für den Posten des Reichskanzlers gehandelt. Man rätselte damals, ob er den Posten wirklich gerne gehabt hätte. Aber alleine durch die Mutmaßungen, dass er Reichskanzler werden würde, wurden die favorisierten Kandidaten vorher aus dem Kreuzfeuer von Presse und Parteien genommen. Er selbst legte in seinen Erinnerungen keinerlei Wert auf das Amt des Reichskanzlers. Diese kann man als glaubhaft ansehen, da er seine Erinnerungen in Tagebuchform schrieb und sie erst Jahre nach seinem Tod von seinem Neffen herausgegeben worden sind und nicht im Original für die Öffentlichkeit bestimmt waren.

Kurz vor seinem Tode fertigte er privat einen Aufmarschplan für die japanische Armee in Korea für den aufziehenden russisch-japanischen Krieg. Nach seinem Tode und der Beendigung des Krieges in Asien bestätigte Generalstabschef Alfred von Schlieffen gegenüber dem Neffen des Generalfeldmarschalls, dass die japanische Offensive identisch mit dem Plan Waldersees gewesen sei.

In der Diskussion um große deutsche Generäle wird Waldersee gegenüber seinem Vorgänger Moltke und seinem Nachfolger Schlieffen vielfach übersehen, dabei hatte er die gleiche militärische Begabung. Sein politisches Engagement war erfolgreicher als bei anderen Generälen des Kaiserreichs bis zum Ersten Weltkrieg, als Hindenburg und Ludendorff aktiv in die Politik des Kaiserreiches eingriffen.

Waldersee war in seiner Grundhaltung ein konservativer Vertreter der preußisch-wilhelminischen Epoche. Er hatte eine ausgesprochen kaisertreue Einstellung und sah in der Sozialdemokratie eine Gefahr für den Erhalt des Kaiserreichs.

Bereits in der Zeit um 1871 sah er die auf Deutschland zukommende Gefahr, dass sich Russland und Frankreich verbündeten. Bei den drei Kaisern konnte er trotz seines Mentors Moltke den Schritt eines Präventivschlages nicht erreichen.

Literatur

  • Denkwürdigkeiten des General-Feldmarschalls Alfred Grafen von Waldersee. hrsg. von Heinrich Otto Meisner. 3 Bände. Stuttgart. 1922f.
  • Konrad Canis: Bismarck und Waldersee. Die außenpolitischen Krisenerscheinungen und das Verhalten des Generalstabes 1882 bis 1890. Berlin 1980.
  • Jürgen Hahn-Butry (Hrsg.): Preußisch-deutsche Feldmarschälle und Großadmirale. Safari, Berlin 1937.

Weblinks


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