- Gälische Mythologie
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Der Begriff keltische Mythologie ist eine von der Sprachwissenschaft (Philologie) geprägte, heute zunehmend umstrittene Sammelbezeichnung für die Gesamtheit der Mythen, Sagen und Legenden der Kelten von der Zeit vor ihrer Christianisierung bis ins christliche Mittelalter hinein.
Inhaltsverzeichnis
Ursprünge und Überlieferung
Die antiken Berichte über die Mythologie der Kelten sind äußerst bruchstückhaft und häufig politisch verfälscht worden. Daher sind die Überlieferungen der sogenannten „Inselkelten“ aus dem Früh- und Hochmittelalter die wichtigsten Quellen der sogenannten „keltischen“ Mythologie. Die auf linguistische Theorien des 18. und 19. Jahrhunderts zurückgehende Bezeichnung der vor-angelsächsischen Bevölkerung der britischen Inseln, Irlands und der Bretagne als „Insel- oder sekundäre Kelten“ ist inzwischen stark umstritten. Eine Einwanderung keltischer Bevölkerungsteile vom Kontinent auf die Britischen Inseln lässt sich aus antiken Quellen und archäologisch nicht nachweisen. Auch die in der Sprachwissenschaft (Keltologie) diskutierten indirekten bzw. rein sprachlichen Einflüsse, die die Britischen Inseln in spätantiker und frühchristlicher Zeit erreicht haben sollen, werden inzwischen bezweifelt. Es ist daher fraglich, ob die Überlieferung der sogenannten „Inselkelten“ tatsächlich auf die Kultur der antiken (Festland-)Kelten zurück gehen, oder das Ergebnis eigener Traditionen und anderer Einflüsse darstellt. Ein weiteres Problem der inselkeltischen Überlieferungen besteht darin, dass sie über lange Zeit in Form von Sagen, Gedichte und Gesänge von Barden nur mündlich weitergegeben wurde. Im Laufe dieser mündlichen Überlieferung veränderten sich die Inhalte der zu Grunde liegenden Mythen und nahmen Einflüsse spätantiker (römischer) und frühmittelalterlicher (vor allem wikingerzeitlicher und christlich-angelsächsischer) Quellen auf. Erst zu Beginn des Hochmittelalters wurden die bis dahin mündlich überlieferten Sagen, Gedichte und Gesänge von christlichen Mönchen und christlich-höfischen Dichtern aufgeschrieben und dabei mit biblischen Überlieferungen oder früher ritterlicher Tradition verschmolzen. Dabei wurden die überlieferten Texte teilweise stark christlich umgedeutet und veränderten sich nochmals. Ob die den auf den britischen Inseln, in Irland und der Bretagne überlieferten, und von der Sprachwissenschaft als „keltische Mythen“ bezeichneten Sagen, Gedichte und Gesänge überhaupt auf die antike Mythologie der Kelten zurückgehen, ist daher mehr als zweifelhaft. Trotz aller Zweifel an ihrer Authentizität bieten die sogenannten „keltischen“ Mythen einen interessanten Einblick in die früh- und hochmittelalterliche Sagen- und Gedankenwelt der Britischen Inseln und Irlands.
Die Ursprünge der sogenannten „keltischen“ Mythologie sind wohl in den religiösen (wahrscheinlich animistischen und totemistischen) Vorstellungen der mitteleuropäischen Bronzezeit zu suchen. Daneben spiegeln sich zahlreiche lokale Einflüsse und äußere Einflüsse unterschiedlichster Herkunft und Zeitstellungen in den überlieferten Texten.
Sprachwissenschaftlich wird die „keltische“ Mythologie analog zur geographischen Aufteilung der verschiedenen keltischen Volks- und Sprachgruppen in mehrere Zweige aufgeteilt:
- Goidelisch (Irland, Schottland und Isle of Man)
- Britisch (Kymrisch, Kornisch, Bretonisch) (Zentral-England, Wales und Bretagne)
- Festlandkeltisch (Gallisch, Ostkeltisch, Keltiberisch) (Kontinentaleuropa)
Inhalte
Archäologische wie philologische Zeugnisse ergeben das Bild einer polytheistischen Anschauung mit zahlreichen lokalen und regionalen Göttern. Nur wenige Götter scheinen überregional verbreitet gewesen zu sein. Einheitliche religiös-mythische Vorstellungen oder gar eine einheitliche "keltische Religion" existierten nie. Die festlandskeltischen und britannischen Götter wurden in gallo-römischer und romano-britischer Zeit mit römisch-griechischen Gottheiten interpretiert und verschmolzen mit diesen.
Die auf den britischen Inseln, in Irland und der Bretagne überlieferten Mythen sind durchdrungen von archaischen, unsichtbaren oder vielgestaltigen Gottheiten, die Naturkräfte wie Erde, Meer und Himmel zu symbolisieren scheinen. Ähnlich wie in der griechisch-römischen Götterwelt gliedern sich die Götter in diese archaischen Urgottheiten und jüngere Göttergeschlechter wie den irischen Tuatha de Danaan, die als menschengleiche Götter auftreten und vielleicht auf einen Ahnenkult zurückgehen. Ein drittes Göttergeschlecht sind die frühen halbgöttlichen Könige und Heroen, die als Ahnherren mächtiger Adelsfamilien galten.
Antike keltische Mythologie
Die Mythologie der antiken Kelten ist weitestgehend verschollen. Römische Autoren überliefern nur wenige Bruchstücke wie eine unvollständige Gründungslegende Lugdunums durch den keltischen Lichtgott Atepomaros, die Erlegung eines gewaltigen Ebers durch den von Göttern bestimmten Helden Virunus bei den Noricern, sowie die kühne Behauptung einiger keltischer Stämme angeblich von einem Gott mit Namen Galates oder Keltos abzustammen (siehe auch den Namen der Galater). Diese keltischen Götter wurden von Griechen und Römern wahlweise mit einen Sohn des Apollon, des Herkules oder des Zyklopen Polyphem gleichgesetzt.
Bildmotive wie der Kessel von Gundestrup oder der Pariser Nautenpfeiler scheinen außerdem vom Mythos der Tötung eines Stieres, des Tarvos Trigaranos inspiriert zu sein. Außerdem wird der Sieg des Gottes oder Heroen Smertrios über eine mythische Riesen-Schlange und die Fällung eines Baumes durch den Gott Esus wiedergegeben. Aufgrund fehlender antiker Quellen ist die Deutung der abgebildeten Szenen aber überaus schwierig und umstritten.
Lateinische Inschriften auf Gallo-römischen Jupiter-Gigantensäulen aus dem heutigen Frankreich deuten zusätzlich auf einen keltischen Mythos hin, in dem der keltische Gott Taranis gegen erdgeborene Riesen kämpfte.
Angenommen werden Verwandtschaften und Einflüsse der Etrusker und der germanischen Mythologie, sowie Einflüsse der skythischen Kultur auf die antike keltische Mythologie, jedoch sind auch diese Einflüsse nicht gesichert.
Irisch-Gälische Mythologie
Die Mythen des alten Irlands beginnen mit dem Buch der Eroberungen. Es wurde in seiner überlieferten Fassung von irischen Mönchen aufgeschrieben, die die keltische mit der christlichen Überlieferung zu verbinden suchten. Es beschreibt die Besiedlung Irlands und wurde bis ins 19. Jahrhundert nicht als Teil des irischen Sagenzyklus, sondern als Geschichtswerk angesehen.
Danach gab es die Einwanderung sagenhafter Völkerschaften in Irland. Zuerst traf kurz nach der Sintflut Cessair oder Banba als erste Siedlerin in Irland ein. Ihr Gatte Fintan, Sohn von Bochra oder die analoge Gestalt des Tuan, Sohn des Cairell, überliefert von diesem Zeitpunkt an in verschiedenen tierischen, göttlichen und menschlichen Inkarnationen von der Geschichte der Welt. Nach der Sintflut erreichte der Vatermörder Partholan mit seinem Volk Irland, besiegte das dämonenhafte Volk der Formoren, legte die ersten Seen und Ebenen an und machte die ersten wichtigen Erfindungen. Nach der Auslöschung der Partholaner durch eine Seuche traf Nemed mit seinem Volk ein und setzte die Gestaltung der Insel fort. Nach einem Aufstand jedoch wurden seine Nachkommen von den zurückgekehrten Formoren besiegt und die wenigen Überlebenden flohen wieder über das Meer. Generationen später kehrten zwei Völkerschaften nach Irland zurück und beanspruchten die Insel für sich, die göttlichen Tuatha de Danaan, Nachkommen Iarbonels, die auf Inseln im Norden der Welt magische Kräfte erlangt hatten, und die Stämme der Firbolgs bzw. der Fir Domnann und Galioin, die in Iberien ein Dasein als Sklaven gefristet hatten. Die Tuatha de Danaan kämpften in zwei Schlachten auf der Ebene von Mag Tuired. In der ersten besiegten sie die Firbolgs und machten sie sich untertan, in der zweiten befreiten sie Irland von den Formoren und ihrem König Balor. Schließlich mussten die Tuatha de Danaan Irland an das Volk der Milesier abtreten, das von Halbgöttern, den Nachfahren des Beli Mawr und Vorfahren der Gälen angeführt wurde, und sich in das Reich der Toten im Inneren der Erde zurückziehen, auf Inseln weit jenseits des Horizonts, oder in magische Reiche unterhalb des Meeres. Von diesem Zeitpunkt an wurden sie von den Menschen als Götter verehrt.
Von den verschiedenen Einwanderungswellen sind archäologisch drei zu belegen:
- die Erstbesiedlung durch Jäger, Fischer und Sammler, die mythologischen Fir Bolg
- die Besiedlung durch die ersten Bauern, die mythologischen Tuatha Dé Danann
- die Ankunft der Glockenbecherleute oder Proto-Kelten, die mythologischen Milesier
Weitere Sagen des mythologischen Zyklus berichten von einzelnen Götterfiguren der Tuatha de Danaan. Spätere Sagen berichten von den frühen halbgöttlichen Königen der Milesier, wie zum Beispiel der Ulster-Zyklus, der hauptsächlich vom Helden Cú Chulainn und dem Epos des Rinderraubs von Cooley (Táin Bó Cúailnge) handelt. Der Fenier-Zyklus berichtet dagegen vor allem vom Helden Fionn mac Cumhaill und dem sagenhaften Kriegerbund der Fianna. Der Königszyklus oder Historische Zyklus berichtet von den späteren vor- und frühchristlichen Königsgeschlechtern Irlands und die Imramma von Reisen in die Anderswelt. Weitere Sagen berichten u.a. vom Leben irischer Heiliger.
Britannische Mythologie
Die Überreste der Britannischen Mythologie lassen sich grob in drei Gruppen aufteilen: mittelalterliche Texte in kymrischer sowie bretonischer Sprache und mittelalterliche Texte in lateinischer oder angelsächsischer Sprache.
Den irischen Invasionsmythen entsprechen britannische Entlehnungen, so gab es z.B. eine eigene, dem Irischen entlehnte, Version des Lebor Gabala, die um die Invasionsmythen der Pikten (Cruithin) und Skoten erweitert wurde.
Als sagenhafter Stammvater der Britannier galt Brutus oder Britto, ein Nachfahre der Trojaner und Blutsverwandter der Römer (an anderer Stelle jedoch Prydein der Sohn des Gottes Aedd Mawr). Bruchstückhafte Überlieferung in der Historia Brittonum erwähnen seine Landnahme Britanniens und Kämpfe gegen die Ureinwohner, sagenhafte Riesen.
Aus Wales sind vor allem die vier Zweige des Mabinogi zu nennen, in denen es um die euhemerisierten walisischen Götter aus dem Hause Dôns, der britannischen Entsprechung der Tuatha de Danaan, und des Hauses Llyrs geht, so „Pwyll, Fürst von Dyfed“, „Branwen, Tochter des Llyr“, „Manawydan, Sohn des Llyr“ und „Math, Sohn des Mathonwy“. Als weitere Sage, die Figuren aus dem Hause des Beli zum Inhalt hat, wäre noch „Die Abenteuer von Lludd und Llevelys“ zu nennen, die allerdings nicht mehr den vier Zweigen des Mabinogi zuzurechnen ist.
Des Weiteren zu erwähnen ist die frühe Artussage, zu welcher „Die Herrin des Brunnens“, „Kulhwch und Olwen“, „Der Traum Ronabwys“, „Peredwr, Sohn des Evrawc“, „Gereint, Sohn des Erbyn“, „der Traum Macsens“ und „Die Beraubung von Annwfn“ zuzuordnen sind. Außerdem damit verbunden die Sage von Taliesin.
Hinweise auf weitere, verschollene, Mythen enthalten die Walisischen Triaden.
Daneben existieren zahlreiche mittelalterliche Volks-und Heiligenlegenden, deren Ursprünge jedoch ungeklärt sind.
Siehe auch
- Keltische Götter
- Liste keltischer Götter und Sagengestalten
- Stammbäume keltischer Götter und Heroen
- Irischer Segen
- Liste von Mythologien und Götterwelten
Literatur
- Bernhard Maier: Die Religion der Kelten. Götter - Mythen - Weltbild. C.H. Beck, München 2004.
- Jörg Biel, Sabine Rieckhoff (Hgg.): Die Kelten in Deutschland, Theiss, Stuttgart 2001, ISBN 3-8062-1367-4. Zur Problematik der „keltischen“ Deutung der Iren, Waliser, Schotten und Bretonen
Weblinks
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