- Güterzug-Begleitwagen
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Als Dienst- oder Güterzugbegleitwagen, Bremserwagen oder, auf Englisch, Caboose, Brake Van und Guard's Van werden spezielle Eisenbahnwagen bezeichnet, welche (einzeln) einem Güterzug oder Dienstzug in der Regel am Zugschluss angehängt werden. Sie dienen dem Zugbegleitpersonal als Aufenthalts- und Wohnort. Während der Fahrt kann von Wagen aus der Lauf des Zuges überwacht werden.
Es gibt und gab verschiedene Ausführungen von Begleitwagen. Die bekanntesten sind wohl die sogenannten Caboose der amerikanischen Eisenbahnen. Sie waren bis zum Ende der achtziger Jahre am Schluss jedes Güterzuges zu finden. Mittlerweile wurden sie durch ein elektronisches Kontrollgerät, das "End-Of-Train-Device", ersetzt.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte (USA)
Güterzüge mussten aufgrund Gewicht und anfangs nicht vorhandener pneumatischer Bremsen bei Bedarf Wagen für Wagen abgebremst werden. Zugleich bestand bei Güter- wie Personenzügen die Gefahr heisslaufender Lager, umkippender Öllampen, es mussten Weichen gestellt werden, für Beleuchtung gesorgt und Passagiere und Fracht abgefertigt werden. Für die notwendigen Schaffner, Signalmann, Rangierer, Bremser, Lokführer, Heizer, usw. diente, vor allem auf weiten Strecken, der Bremserwagen als Dienst- und Wohnort. Zugleich wurde hier Werkzeug und Ersatzteile gelagert oder transportiert.
Der englische Ausdruck Caboose basiert vermutlich auf dem niederländisch-skandinavischem Wort für Kombüse, der Küche bzw. dem Aufenthaltsraum- oder Verschlag auf Segelschiffen, "kabhuis". Über das französische "cambose" bzw. "kombüs" (Africans) mag sich der Ausdruck für den Wetterschutzverschlag an Bord und auf dem Deck eines Seglers für den gezimmerten Wetterschutz auf einem Flachwagen durchgesetzt haben. Neben dem offiziellem "cabin car" waren und sind zahlreiche Spitznamen in Gebrauch, darunter "waycar", "dog house", "brain car", "conductor's car", "shanty" und "cabin" ("cab"). Lediglich im Westen der USA setzte sich das heute oft gebräuchliche "caboose" durch.
Anfangs fuhr der Bremser oft auf dem offenen Güterwagen mit. Vom Schaffner Nat Williams der Auburn & Syracus Linie (New York) wird erzählt, er hätte sich 1840 einen leeren Wagon mit einer Kiste als Stuhl und einem Fass als Schreibtisch eingerichtet. Vor Erfindung der pneumatischen Bremse musste ein (entsprechend schwerer) Wagen am Zugende das Bremsen mit übernehmen, oder jeder Wagen wurde vom durchlaufenden Bremser, oder den Bremsern, einzeln abgebremst.
Vom Schaffner T. B. Watson der Chicago and North Western Railway wird um 1863 berichtet, er hätte einen defekten Güterwagen mit kaputten Dach genutzt, um, auf einem Frachtstapel stehend oder sitzend, durch ein Loch im Dach schauend, den Zug zu kontrollieren. Bald entstanden die ersten Cupolas oder Pilot Cabins als Aufbau auf entsprechend spezialisiert als Bremserwagen eingesetzten hölzernen Frachtwägen. Am Bremserwagen angebracht waren die Zugabschlussleuchten, der Wagen bildete damit förmlich das Zugende.
Um die Aussicht zu verbessern wurden später bei manchen Bremserwägen auskragende Ballonfenster oder ein auskragender Aufbau angebracht. Da durch größere Güterwägen ein Überblick vom Dach aus nicht mehr möglich war, zudem das Problem der Tunnelmaße bestand, wurde auf einigen Linien ab 1923 (Akron, Canton & Youngstown) der zentrale Dachaufbau durch seitliche Fenstererker abgelöst. Für Kurzstrecken wurden (und werden) zudem Wägen mit zusätzlicher offener Wagenfläche für den Lasttransport eingesetzt.
Der Aufenthalt in den anfangs zweiachsigem Wagen war, insbesondere bei Bremsmanövern und auf unebenen Gleisen, nicht ungefährlich. Kohleöfen waren auf dem Boden festgeschraubt, die Feuertüren wiesen eine doppelte Verriegelung auf, die Heizplatte hatte Ränder, um Pfanne, Topf und Wasser auf dem Ofen zu halten. Anfänglich kaum mehr als ein Holzverschlag, kamen bald Sitz- und Liegemöglichkeiten hinzu, ebenso Schreibtisch und Kochmöglichkeit sowie Heizung und Abtritt. Elektrische Beleuchtung (ab 1954, Southern Pazific), Heizung, pneumatische Zugbremsen, Kühlschrank und Funk bzw. Telefon kamen dagegen erst später hinzu.
Bei den Bremserwägen der späteren Zeit legte man viel Wert auf die Arbeitssicherheit. Handläufe im Inneren erstreckten sich über die gesamte Wagenlänge, abgerundete Ecken reduzierten Verletzungen. Äußere Stiegen und großzügige Handläufe an Platformen und Stiegen erleichterten die Rangierarbeit.
USA heute: Ablösung durch EOTD
Mit der Einführung der durchgehenden pneumatischen Bremsanlage wurde der Caboose in den USA ab 1970/80 zunehmend auf die reine Wohn-, Lager-, Werkstatt und Bürofunktion reduziert. Ein EOTD (End Of Train Device) oder FRED (Flashing Rear-End Device) übernimmt technisch die Kontrolle der Bremsanlage am Zugende, Schaffner und Lokführer sind auf der Lok untergebracht. Die Achslager werden heute teils automatisch vom Gleis aus überwacht, das aufwendige Rangieren der Bremserwägen und rund 18.000 Dollar (CF-1000) Anschaffungskosten entfallen, zudem ist beim Zweimannbetrieb weniger Personal notwndig.
Das EOTD oder FRED, in Kanada auch SBU (Sense and Brake Unit) genannt, macht ein bis zwei Arbeitsplätze pro Zug überflüssig, was zum Acronym "Fucking Rear End Detector" führte. Das HOT-Gerät wird, in Anspielung auf die Zeichentrickserie Fred Feuerstein auch gerne Wilma genannt. Das erste FRED war im Jahr 1973 von der Florida East Coast Railway eingeführt worden.
Durch eine Datenverbindung zur HOT-Console (Head Of Train) der Lokomotive macht es obligatorische Bremsentests im Ein-Mann-Betrieb erst möglich, ebenso wie zuvor der Caboose übernimmt es Beleuchtungsaufgaben. Bei heutigen Geräten wurde die dafür notwendige Batterie durch einen Druckluftgenerator ersetzt. Eine Zweiwege-Funkverbindung erlaubt die Auslösung der Bremse durch den Lokführer notfalls auch vom Zugende aus. Die bekannten Funkfrequenzen des EOTD sowie mancher Gleisbettsensoren werden in Nordamerika gerne von Bahnfreunden zur Beobachtung und als Vorwarnung beim Fotografieren benutzt.
Waren noch um 1925 rund 34.000 Bremserwägen in den USA unterwegs, sind sie heute selten geworden. Heute sind Bremserwägen, wie einst meist in auffälligen Farben oder in den Farben der Zuggesellschaft lackiert, meist nur noch Begleitwagen für spezielle Züge, weichenreiche Nebenstrecken, sind im Bahnhofs- und Baustellenbetrieb unterwegs. Bei kleinen Gesellschaften sind sie weiterhin im regulären Einsatz.
Während zahlreiche Wägen in Museen und Parks zu finden sind, sind andere als Fremdenverkehrsbüro oder Imbiss umgebaut. Das Illinois Railway Museum besitzt alleine 19 Exemplare und das Western Pacific Railroad Museum in Portola (California) 17. Bei der mexikanischen Chihuahua al Pacífico Railroad sind sie auf der Strecke zwischen Chihuahua und Los Mochis weiterhin regulär im Einsatz.
Schweiz
In der Schweiz gibt es keine eigentlichen Dienstbegleitwagen mehr, weil alle Güterzüge unbegleitet verkehren.
Ab 1960 baute die SBB in einer Serie von 120 Stück den zweiachsigen Dienstbegleitwagen Db, liebevoll Sputnik genannt. Dieser war einer der kleinsten in der Schweiz verkehrenden Eisenbahnwagen. Wegen des kurzen Achsstandes (Länge 9.24 m) und seines geringen Gewichtes (10 t) wurde das Zugpersonal bei schneller Fahrt in ihrem Aufenthaltsraum und Beobachtungsposten regelrecht durchgeschüttelt. Ausgestattet war der Wagen mit Einrichtungsgegenständen ausrangierter Personenwagen. So fand man in dem auf ein Wagengestell aufgesetzten Häuschen eine WC-Kabine ohne Spülung aber mit einem Wasserkübel, einer doppelten Holzbank aus der dritten Klasse und einen Gasofen mit Ofenrohr. Die Gasflaschen befanden sich auf einer der Plattformen in einem Kasten, welcher dem Zugpersonal auch als Sitz an der frischen Luft dienen konnte. Während fast 30 Jahren gehörte der Sputnik an den Zugschluss eines jeden richtigen Schweizer Güterzuges.
Großbritannien
Die als "Brake van" oder "Guard's wagon" bekannten Wagen wurden auf Güterzügen eingesetzt. Die einzigen Bremsen dieser Züge befanden sich auf der Lok und dem Bremserwagen, die Geschwindigkeit war auf rund 25 mph beschränkt. Die Wägen waren mit zusätzlichen Ballast ausgerüstet. Zusätzlich zum normalen Bremsdienst kam oft eine geringe stetige Bremslast hinzu, um Schäden an verschließenen oder losen Kupplungen zu veringern.
Ältere Bremserwägen in Großbritannien verfügen oft über Handläufe an beiden Seiten und Trittbrettern über die gesamte Länge, sowie über Sichterker an den Seiten, analog den späteren amerikanischen Caboose-Bauformen, allerdings kleiner gebaut.
Bremserwägen an Personenzügen hatten dieselben Aufgaben, verfügen neben dem Dienstabteil aber über Fracht- oder Passagierabteile. Auch ein verschließbares Gepäckabteil und Stauraum für die Bordküche sind durchaus nicht ungewöhlich. Äußerlich ähneln sie, bis auf die Anordnung von Fenster und Türen, gewöhlichen Passagierwägen.
Die Bremserwägen waren in Großbritannien bis ca. 1970/80 häufiger, heute sind sie bei Frachtzügen nur noch selten anzutreffen. Schaffner fahren, soweit im Einsatz, im zweiten, rückwärtigem Führerstand der Lok mit.
Australien
Dienstwägen ("Brake van" oder "Guard's wagon") in Australien besitzen (bzw. besaßen) neben dem Dienstabteil die Möglichkeit zum Transport von Fracht und Post. Neben dem großzügigen Frachtabteil mit großen Ladetüren findet sich häufig auch ein Passagierabteil, um Passagiere mitsamt ihrer Fracht (auch Lebendfracht) befördern zu können.
Indien
In Indien sind Bremserwägen noch häufig im Einsatz, auch bei Personenzügen. Neben dem Dienstabteil mit zwei Sitzen und einem Schreibtisch findet sich eine kleine Toilette, ein oder mehrere Zwinger für zu transportierende Hunde, für deren Versorgung der Schaffner mit verantwortlich ist, Signallampen für Notfälle, Verbandskasten sowie eine Krankentrage. Neben der pneumatischen Bremse ist zwingend auch eine mechanische Bremse vorhanden.
Als Signalausrüstung dienen verschiedenfarbige Winkerflaggen und Lampen, neuerdings aufgrund der Zuglänge oft auch Funk. Auf manchen Strecken werden auch die Einnahmen der Stationen, per Bahn eingesammelt, im Bremserwagen verwahrt.
Bei Güterzügen wird als Bremserwagen ein beidseitig offener Wagen verwendet, der als wesentliche Ausrüstung eine Toilette verfügt. Eine Innenbeleuchtung ist fakultativ.
Nachweise
Vereinigte Staaten:
- The Caboose Station from the Potomac Eagle Scenic Railroad website: has information on introduction of the bay window caboose
- "The Wood Shanty Disappears" from Southern Pacific Bulletin, January, 1962, pp 22-26
- "The Colorful Caboose" from Trains Magazine (undated article)
Großbritannien:
EOTD/FRED/SBU:
- Lustig, David (August 2006). "End-of-train devices keep on evolving in back". Trains 66 (8): p 18. ISSN 0041-0934.
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