HII-Gebiet

HII-Gebiet
NGC 604, ein großes H-II-Gebiet im Dreiecksnebel.

Ein H-II-Gebiet ist eine interstellare Wolke aus leuchtendem Gas mit einem Durchmesser von manchmal mehreren 100 Lichtjahren, in der die Sternentstehung stattfindet. Junge, heiße, blaue Sterne, die durch die Gasemission entstanden sind, senden große Mengen ultraviolettes Licht aus, das den Nebel um sie ionisiert.

In H-II-Gebieten entstehen tausende neuer Sterne in einer Zeitperiode von einigen Millionen Jahren. Am Ende führen jedoch Supernovaexplosionen und Sternwinde der größten Sterne dazu, dass das Gas des H-II-Gebietes zerstreut wird. Zurück bleibt ein Sternhaufen wie die Pleiaden.

H-II-Gebiete haben ihren Namen durch die große Menge an ionisiertem atomarem Wasserstoff (ein Plasmazustand aus einzelnen Protonen), den sie enthalten, wohingegen H-I-Gebiete neutralen atomaren Wasserstoff und molekularen Wasserstoff (H2) beinhalten. H-II-Gebiete können im Universum noch in sehr großen Entfernungen wahrgenommen werden. Deshalb ist die Untersuchung von extragalaktischen H-II-Gebieten hilfreich, um die Entfernung und chemische Zusammensetzung der anderen Galaxien zu ermitteln.

Inhaltsverzeichnis

Beobachtung

Dunkle Sternengeburtsstätten im Adlernebel.

Einige H-II-Gebiete sind so hell, dass man sie noch mit bloßem Auge sehen kann. Jedoch wurde ihnen vor der Erfindung des Teleskops im frühen 17. Jahrhundert keine Beachtung geschenkt. Selbst Galileo nahm keine Notiz vom Orionnebel als er den Sternhaufen in ihm beobachtete. Davor wurde der Nebel durch Johann Bayer als einzelner Stern, θ Orionis, katalogisiert. Dem französischen Beobachter Nicolas-Claude Fabri de Peiresc wird die Entdeckung des Orionnebels 1610 zugeschrieben. Danach wurden viele weitere H-II-Gebiete in und außerhalb unserer Galaxie entdeckt.

William Herschel beobachtete den Orionnebel 1774 und beschrieb ihn als einen „unförmlichen glühenden Nebel, das chaotische Material von zukünftigen Sonnen“. Die Bestätigung seiner Hypothese musste hundert Jahre auf sich warten lassen. William Huggins (mit Hilfe seiner Frau Margaret Lindsay Huggins) richtete sein Spektroskop auf verschiedene Nebel. Einige wie etwa der Andromedanebel hatten sternähnliche Spektren und schienen aus mehreren hundert Millionen von einzelnen Sternen zu bestehen. Bei anderen Nebeln traf das jedoch nicht zu. Statt kontinuierlich übereinander gelegte Absorptionslinien zu zeigen, zeigten Objekte wie der Orionnebel einige Emissionslinien. Die hellste hatte eine Wellenlänge von 500,7 nm. Dies stand in keinem Zusammenhang mit irgendeinem bekannten chemischen Element. Zuerst wurde angenommen, es handle sich um ein unbekanntes Element, das Nebulium genannt wurde. Eine ähnliche Idee führte 1868 zur Entdeckung des Heliums, als das Spektrum der Sonne analysiert wurde.

Obwohl man das Helium bereits kurz nach seiner Entdeckung im Sonnenspektrum auf der Erde nachweisen konnte, fand man Nebulium nicht. Im 20. Jahrhundert schlug Henry Norris Russell vor, dass es sich nicht um ein neues Element handele, das die Wellenlänge 500,7 nm hervorrief, sondern eher ein bekanntes Element in unbekannten Verhältnissen.

In den 1920ern zeigten Physiker, dass das Gas eine extrem niedrige Dichte hat. Elektronen können in den Atomen und Ionen metastabile Energielevel erreichen, die sonst bei höheren Dichten durch die ständigen Kollision kaum lange existieren können. Elektronenübergänge im Sauerstoff führen zu einer 500,7-nm-Welle. Solche Spektrallinien, die nur in Gasen mit sehr niedrigen Dichten beobachtet werden können, werden verbotene Linien genannt. Spektroskopische Observationen haben also gezeigt, dass die Nebel aus extrem verdünntem Gas bestehen.

Während des 20. Jahrhunderts beobachtete man, dass die H-II-Gebiete meist heiße helle Sterne enthalten. Diese Sterne haben ein vielfaches unserer Sonnenmasse und sind die kurzlebigsten Sterne mit lediglich ein paar Millionen Jahren (Zum Vergleich: Unsere Sonne lebt mehrere Milliarden Jahre). Es wurde gemutmaßt, dass H-II-Gebiete Regionen sind, in denen neue Sterne entstehen. Über einen Zeitraum von mehreren Millionen Jahren wird sich ein Sternhaufen aus einer H-II-Region bilden, bevor der Sternwind der heißen jungen Sterne den Nebel zerstreut. Die Plejaden sind ein Beispiel solch eines Haufens, der das H-II-Gebiet weggeblasen hat, aus dem er entstanden ist. Nur ein kleiner Rest blieb als Reflexionsnebel erhalten.

Ursprung und Lebenslauf

Vorboten eines H-II-Gebietes sind Riesen-Molekülwolken (engl. giant molecular clouds, GMC). Sie sind sehr kalt (10-20 K) und bestehen zum Großteil aus molekularem Wasserstoff. Riesen-Molekülwolken können über eine längere Zeit stabil bleiben. Jedoch können Stoßwellen durch Supernovae, Kollisionen zwischen den Nebeln und magnetische Wechselwirkungen der Auslöser für den Kollaps eines Wolkenteils sein. Wenn das passiert, kommt es während des Kollabierungsprozesses und der Zerteilung der Wolke zur Sternenentstehung.

Wenn Sterne in einer Riesen-Molekülwolke entstehen, werden die massereichsten unter ihnen Temperaturen erreichen, die ausreichen, um umliegendes Gas zu ionisieren. Kurz nachdem das ionisierende Strahlungsfeld entstanden ist, erzeugen energiereiche Photonen eine Ionisationsfront, die sich durch das umliegende Gas mit Überschallgeschwindigkeit ausbreitet. Je weiter sich diese Front von ihrem Stern entfernt, desto stärker wird sie abgebremst. Durch den Druck des gerade ionisierten Gases kommt es zur Ausbreitung des ionisierten Volumens. Schließlich erreicht die Ionisationsfront Unterschallgeschwindigkeit und wird durch die Schockfront des ionisierten Nebels eingeholt. Das ist die Geburt eines H-II-Gebietes

Ein H-II-Gebiet bleibt für ein paar Millionen Jahre bestehen. Der Sternenwind der heißen jungen Sterne schiebt das meiste Gas des Nebels weg. Insgesamt scheint der Prozess sehr ineffizient zu sein. Weniger als 10 % des Gases eines H-II-Gebiets werden benutzt, um neue Sterne zu formen, während der Rest weggeblasen wird. Einen weiteren Beitrag zum Gasverlust steuern die Supernovaexplosionen der massereichsten Sterne bei, die bereits nach 1 bis 2 Millionen Jahren auftreten.

Stellare Geburtsstätten

Globule im H-II-Gebiet IC 2944.

Die Geburt eines Sternes in einer H-II-Region wird durch dichte Wolken und Staub um entstehende Sterne verdeckt. Nur wenn der Sternenwind seinen „Cocoon“ wegweht, wird der Stern sichtbar. Die dichten Nebelregionen, die die Sterne enthalten, sind oft als Schatten vor dem Rest des ionisierten Nebels zu sehen. Diese Dunklen Flecke nennt man Globule (engl. Bok globules), nach dem Astronom Bart Bok, welcher in den 1940ern vorschlug, dass sie Geburtstätten von Sternen sind.

Boks Hypothese wurde 1990 bestätigt, als Infrarotbeobachtungen den dicken Staub durchdrangen und junge Sterne offenbarten. Heute nimmt man an, dass ein Bok Globule etwa die zehnfache Masse der Sonne besitzt, welche sich auf einen Durchmesser von ungefähr einem Lichtjahr verteilt. Meistens entsteht aus ihm eine Formation aus einem Doppel- oder Mehrfachsternensystem.

H-II-Gebiete sind sowohl eine Geburtsstätte für junge Sterne, zeigen jedoch auch Beweise für Planetensysteme. Das Hubble-Weltraumteleskop hat hunderte protoplanetarer Scheiben im Orionnebel entdeckt. Mindestens die Hälfte der Sterne im Orionnebel haben Scheiben aus Gas und Staub, und zwar wesentlich mehr, als sie für die Entstehung eines Planetensystems wie des unseren bräuchten.

Eigenschaften

physikalische Eigenschaften

H-II-Gebiete variieren sehr stark in ihren physikalischen Eigenschaften. Ihre Größe reicht von so genannten Ultra-Kompakt-Gebieten von ungefähr einem Lichtjahr oder weniger bis hin zu gigantischen H-II-Gebieten, die mehrere hundert Lichtjahre groß sind. Ihre Dichte reicht von eine Million Partikel je cm³ in den Ultra-Kompakt-H-II-Gebieten bis hin zu lediglich einigen Partikeln je cm³ in den am weitesten ausgedehnten Regionen.

In Abhängigkeit von der Größe des H-II-Gebietes können sie bis zu mehreren tausend Sternen enthalten. Dadurch ist es komplizierter H-II-Gebiete zu verstehen als beispielsweise Planetarische Nebel, die nur eine zentrale Ionisationsquelle haben. Meistens haben H-II-Gebiete eine Temperatur von rund 10.000 K.

Bei der ständig erfolgenden Rekombination zu neutralem Wasserstoff (und erneuten Ionisation) wird eine charakteristische Linienemission erzeugt. Solche Gebiete zählen daher zu den Emissionsnebeln. Wasserstoff besitzt eine relativ niedrige Ionisationsenergie. Weil aber die interstellare Materie zu 90 % aus Wasserstoff besteht, leuchten daher viele Nebel am hellsten in dem für Wasserstoff charakteristischen Rot bei einer Wellenlänge von 656,3 nm, der so genannte Hα-Linie der Balmerserie.

Weitere Linien im sichtbaren Bereich sind Hβ bei 486 nm, Hγ bei 434 nm und Hδ bei 410 nm. Abhängig von Druck und Temperatur im Nebel variieren die Anteile dieser normalerweise schwächeren Linien. Die Farbe des Gesamtlichtes eines Emissionsnebels kann sich dadurch ins Rosa verschieben, wie zum Beispiel bei den vergleichsweise sehr dichten Protuberanzen der Sonne. Umgekehrt kann man aus diesem so genannten Balmerdekrement Druck und Temperatur bestimmen.

Der restliche Anteil eines H-II-Gebiete besteht zu 10 % aus Helium. Die schwereren Elemente machen nur noch einen sehr kleinen Bruchteil aus. Es wurde herausgefunden, dass in unserer Galaxie die Menge an schweren Elementen immer mehr abnimmt, je weiter die Entfernung des H-II-Gebiets vom Galaxiezentrum ist. Das liegt daran, dass sich mehr Sternenformationen in Zentren größerer Dichte bilden, und so die Interstellare Materie stärker mit den Reaktionsprodukten der Kernfusion angereichert wird.

Anzahl und Verteilung

H-II-Gebiete kann man nur in Spiralgalaxien und in irregulären Galaxien finden. Sie wurden nie in elliptischen Galaxien gesehen. Bei den unregelmäßigen Galaxien kann man sie überall finden, jedoch findet man sie in Spiralgalaxien meist nur in den Seitenarmen. Eine große Spiralgalaxie könnte tausende von H-II-Regionen enthalten.

Der Grund für das Ausbleiben in elliptischen Galaxien ist, dass diese durch Galaxienverschmelzung entstehen. In Galaxienhaufen kommen solche Verschmelzungen häufig vor. Wenn Galaxien kollidieren, kollidieren einzelne Sterne nur sehr selten miteinander. Jedoch kommen sich Riesenmolekülwolken und H-II-Gebiete ständig in die Quere. Das führt unter diesen Bedingungen zu einer starken Sternenentstehung, die so schnell vonstatten geht, dass aus dem meisten Gas Sterne geformt werden. Galaxien, die solch einen schnellen Sternenentstehungsprozess durchlaufen, werden Starburstgalaxien genannt.

H-II-Regionen gibt es auch außerhalb von Galaxien. Diese intergalaktischen H-II-Regionen scheinen Überreste der Zerstörung kleinerer Galaxien zu sein.

Morphologie

H-II-Gebiete gibt es in verschieden Größen. Jeder Stern ionisiert ein etwa kugelförmiges Gebiet. Jedoch führen die Kombination von Ionisierten Kugeln verschiedener Sterne und das Aufheizen des Nebels zu komplexen Formen. Außerdem formen Supernovaexplosionen ein H-II-Gebiet. In einigen Fällen führen die Formationen eines großen Sternhaufens zur Aushöhlung des H-II-Gebietes von innen. Das ist der Fall bei NGC 604, einem gigantischen H-II-Gebiet in dem Dreiecksnebel.

Bekannte H-II-Gebiete

In unserer Galaxie ist das bekannteste H-II-Gebiet der Orionnebel. Er hat eine Entfernung von Ungefähr 1.500 Lichtjahren. Er ist ein Teil einer Riesenmolekülwolke, die, wäre sie sichtbar, den größten Teil des Orions ausfüllen würde. Der Pferdekopfnebel und Barnards Schleife sind zwei weitere leuchtende Teile dieser Gaswolke.

Die Große Magellansche Wolke ist eine Satellitengalaxie der Milchstraße. Sie enthält ein gigantisches H-II-Gebiet mit dem Namen Tarantelnebel (30 Dor). Dieser Nebel ist viel größer als der Orionnebel und bildet tausende von Sternen. Einige von ihnen haben die 100-fache Sonnenmasse. Würde der Tarantelnebel so dicht an der Erde sein wie der Orionnebel, dann würde er so hell wie der Vollmond am Nachthimmel scheinen. Die Supernova SN 1987A ereignete sich in einem Außenbezirk des Tarantelnebels.

NGC 604 ist noch größer als der Tarantelnebel und hat einen Durchmesser von rund ungefähr 1.300 Lichtjahren, obwohl sie kaum Sterne enthält. Sie ist eine der größten H-II-Gebiete der Lokalen Gruppe.

H-II-Regionen
Eigenname NGC-Nr. Messier-Nr. Sternbild Entfernung (Lj.)
Orionnebel NGC 1976, 1982 M 42, 43 Orion 1.500
Konusnebel NGC 2264 kein Einhorn 2.600
Adlernebel NGC 6611 M 16 Schlange 7.000
Kaliforniennebel NGC 1499 kein Perseus 1.000
Carinanebel NGC 3372 kein Kiel des Schiffs 6.500-10.000
Nordamerikanebel NGC 7000 kein Schwan 2.000-3.000 (?)
Lagunennebel NGC 6523 M 8 Schütze 5.200
Trifidnebel NGC 6514 M 20 Schütze 5.200
Rosettennebel NGC 2237-2239 + 2246 kein Einhorn 5.000
Omeganebel NGC 6618 M 17 Schütze 5.000-6.000
Galaktischer Nebel NGC 3603 kein Kiel des Schiffs 20.000
Tarantelnebel NGC 2070 kein Schwertfisch 160.000
Geisterkopf-Nebel NGC 2080 kein Schwertfisch 168.000
Nebel NGC 604 kein Dreieck 2.400.000

Aktueller Forschungsgegenstand der H-II-Gebiete

Der Orionnebel ist im optischen Spektrum als eine Gas- und Staubwolke zu sehen. Das Infrarotbild rechts offenbart die Sterne, die darin geboren wurden.

Genau wie bei planetarischen Nebeln bereitet bei H-II-Gebieten die Bestimmung einiger Elemente Schwierigkeiten. Es gibt hierbei zwei Wege, die von verschieden Typen von Spektrallinien ausgehen. Jedoch gibt es zwischen den Ergebnissen, zu denen beide Methoden kommen, manchmal Unstimmigkeiten. Man vermutet, dass der Grund in den Temperaturschwankungen der H-II-Gebiete liegt, oder dass einige kalte Gebiete mit sehr wenig Wasserstoff dafür verantwortlich sind.

Viele Details von massiven Sternenformationen in H-II-Gebieten sind noch unbekannt, weil - abgesehen von den großen Distanzen (das nächste H-II-Gebiet ist 1.000 Lichtjahre von der Erde entfernt) - die Sternenformationen weitestgehend durch Staub verdeckt sind. Es ist somit unmöglich, die Sterne im sichtbaren Licht zu beobachten. Radio- und Infrarotstrahlung kann zwar die Staubformationen durchdringen, jedoch emittieren die jungen Sterne kein Licht auf diesen Wellenlängen.

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Siehe auch

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