HLA Hart

HLA Hart

H. L. A. Hart (Herbert Lionel Adolphus Hart) (* 18. Juli 1907 in Harrowgate, England; † 19. Dezember 1992 in Oxford, England) war ein britischer Rechtsphilosoph.

Hart zählt, neben Hans Kelsen, zu den bedeutendsten analytischen Rechtsphilosophen des 20. Jahrhunderts. Sein bekanntestes Werk ist The Concept of Law (Titel der deutschen Übersetzung: Der Begriff des Rechts). Er lehrte Rechtswissenschaften an der Universität Oxford. Hart, dessen Rechtsphilosophie von der analytischen Philosophie beeinflusst wurde, entwickelte in seinem Werk eine weit fortgeschrittene Konzeption des Rechtspositivismus. Darüber hinaus beschäftigte er sich in seinem Werk mit allgemeiner Politischer Philosophie.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hart war der Sohn eines wohlhabenden jüdischen Schneiders deutscher und polnischer Abstammung. Seine Schul- und Studienzeit verbrachte er am Cheltenham College, der Bradford Grammar School und am New College, Oxford. Nach Beendigung seines Studiums praktizierte er zunächst (bis 1940) als Rechtsanwalt. Während des 2. Weltkriegs arbeitete er für eine Spezialbteilung des britischen Geheimdienstes. Nach Kriegsende kehrte er der rechtsanwaltlichen Praxis den Rücken, um stattdessen einen Lehrauftrag für Philosophie am New College in Oxford anzunehmen. 1952 wurde Hart in Oxford als Professor auf den Lehrstuhl für allgemeine Rechtslehre (Jurisprudence) berufen. 1969 wurde er emeritiert. Zu seinem Nachfolger auf dem vakant gewordenen Lehrstuhl wurde Ronald Dworkin berufen. Von 1959 bis 1960 war Hart Präsident der Aristotelian Society.

Viele heute selbst als bedeutend geltende Rechtsphilosophen rekrutierten sich aus dem Kreise Harts ehemaliger Studenten. Nur beispielhaft seien hier John Finnis, Joseph Raz und Ronald Dworkin aufgeführt. Hart beeinflusste außerdem den jungen John Rawls, der in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts kurz nach seiner Promotion als Gastdozent in Oxford tätig war.

Werk

Harts rechtsphilosophischer Ansatz im allgemeinen

Hart revolutionierte die Methodik der angelsächsischen Rechtswissenschaft und der angelsächsischen Rechtsphilosophie so tiefgreifend, wie dies keinem zweiten Theoretiker vor ihm gelungen war. Beeinflusst von John Austin und Ludwig Wittgenstein, wandte er die Instrumentarien der analytischen Philosophie und insbesondere der analytischen Sprachphilosophie auf die Probleme der allgemeinen Rechtstheorie an. Hierbei verknüpfte er Methoden der modernen analytischen Philosophie des 20. Jahrhunderts mit der tradierten rechtswissenschaftlichen Methodik des Rechts- und Moralphilosophen Jeremy Bentham.

Auch die Reine Rechtslehre Hans Kelsens übte einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf Hart aus. Er kritisierte jedoch zwei entscheidende Aspekte der Rechtstheorie Kelsens: Die Vorstellung, dass der Begriff des Rechts notwendig mit Sanktionen verknüpft sei (1) und die neukantianische These Kelsens, dass Normen nicht adäquat aus Tatsachen, sondern nur aus anderen Normen abgeleitet werden könnten (2). Indem er der „Reinen Rechtslehre“ zusätzlich ihre „Reinheit“ – das für Kelsen selbst (nicht nur dem Namen nach) entscheidende Element seiner Rechtstheorie – absprach, distanzierte Hart sich endgültig von dessen Lehre. In der Folge kam es zwischen Kelsen und Hart zu nicht nur rein fachlichen Animositäten.

Es wird als besonderes Verdienst Harts angesehen, die angelsächsische Rechtswissenschaft „auf Augenhöhe“ mit der zeitgenössischen Philosophie gebracht zu haben. Seine Schriften zum Verhältnis von Recht und Moral beeinflussten die Gesetzgebung in Großbritannien und sorgten unter anderen dafür, die gesetzliche Diskriminierung der Homosexuellen in Großbritannien zu beenden.

Harts Hauptwerk: „The Concept of Law“

Harts bedeutendstes Werk ist The Concept of Law (Titel der dt. Übersetzung: Der Begriff des Rechts), das 1961 in erster Auflage erschien. Eine zweite Auflage – erweitert um ein von Hart verfertigtes „postscript“ (eine Entgegnung auf Kritiker) – erschien posthum 1994. Die ersten Ursprünge des Werkes entstammen einer Vorlesung Harts aus dem Jahr 1952. Einige wichtige Grundthesen des Hauptwerks veröffentlichte Hart bereits 1958 in seinem Aufsatz „Der Positivismus und die Trennung von Recht und Moral“ (Positivism and the Separation of Law and Morals). In The Concept of Law entwickelt Hart eine eigenständige, methodologisch fortgeschrittene Variante des Rechtspositivismus. Wichtige Kernthesen des Buches sind:

  • Eine Kritik der Lehre John Austins. John Austin vertritt eine sogenannte „Befehlstheorie“ des Rechts, derzufolge das Recht aus mittels angedrohter Strafsanktionen gestützten Befehlen des Souveräns gegenüber seinen Untertanen bestehe. Hart zieht diese Theorie Austins mit der Bemerkung ins Lächerliche, dass ein Rechtssystem in diesem Falle nicht mehr sei als ein stark vergrößerter Fall von „Geld oder Leben“ im Rahmen eines Banküberfalls.
  • Die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Rechtsnormen (primary and secondary legal rules). Während er unter Primärnormen die Gesamtmenge aller Verhaltensnormen versteht, meint der Begriff „sekundäre Normen“ alle Rechtsnormen, die dazu ermächtigen, andere Rechsnormen zu schöpfen, abzuändern oder zu „vernichten“.
  • Die Unterscheidung zwischen einer „Beobachter-“ und einer „Teilnehmerperspektive“ des Rechts (external and internal point of view). In diesem Aspekt seiner Theorie wurde Hart von Max Weber beeinflusst, der zwischen einer „soziologischen“ und einer „juristischen“ Betrachtungsweise des Rechts unterschied. Auch der deutsche Rechtsphilosoph Robert Alexy knüpfte in seinem Werk „Begriff und Geltung des Rechts“ (1992) an dieses begriffliche Instrumentarium Harts an.
  • Harts Konzeption einer rechtlichen „Grundnorm“ (rule of recognition). Die Grundnorm soll die Möglichkeit bieten, geltende von nicht geltenden Rechtsnormen zu unterscheiden. Hart betrachtete seine „rule of recognition“ als eine Weiterentwicklung der „Grundnorm“ Hans Kelsens.
  • Eine klare begriffliche Trennung von „Recht“ und „Moral“. Hart folgt in dieser Hinsicht ausdrücklich den beiden britischen Rechtstheoretikern Jeremy Bentham und John Austin. Um klar zwischen dem Recht „wie es ist“ und dem Recht, „wie es sein sollte“ differenzieren zu können, müsse der Rechtsbegriff moralisch neutral definiert werden. Auch eine aus moralischer Sicht kritisierungswürdige Norm bleibe somit stets ein - rechtlich - verbindliches Gesetz. Hart vertritt also einen positivistischen Rechtsbegriff. Folgerichtig lehnt er die Konsequenzen der Radbruchschen Formel, derzufolge zumindest extrem ungerechte Gesetze kein Recht im Sinne des Rechtsbgriff sind, ab. im Gegensatz etwa zu Hans Kelsen gründet Hart seine Trennungsthese nicht auf einen ethischen Relativismus. Auch beinhaltet sein moralisch neutraler Rechtsbegriff kein Befolgungsgebot selbst extrem ungerechter Normen: Er erkennt die Möglichkeit, einem ungerechten Gesetz aus Gewissensgründen den Gehorsam zu verweigern, grundsätzlich an, besteht jedoch darauf, auch ungerechte Gesetze als Recht zu bezeichnen. Diese begriffliche Trennung von Recht und Moral sei ein Gebot der philosophischen Klarheit und von der Frage, inwieweit moralische Bewertungen einer rationalen Kritik fähig seien, zu unterscheiden.

Wichtige Veröffentlichungen

  • Definition and Theory in Jurisprudence (1953)
  • Causation in the Law (with Tony Honoré) (1959)
  • The Concept of Law (erste Aufl. 1961, zweite Aufl. 1994), Titel der deutschen Übersetzung: Der Begriff des Rechts, Frankfurt a.M. 1973
  • Law, Liberty and Morality (1963)
  • The Morality of the Criminal Law (1964)
  • Punishment and Responsibility (1968)
  • Recht und Moral - Drei Aufsätze, herausgegeben von Norbert Hoerster, Göttingen 1971
  • Essays on Bentham: Studies in Jurisprudence and Political Theory (1982)
  • Essays in Jurisprudence and Philosophy (1983)

Festschrift

  • Law, Morality, and Society: Essays in Honour of H. L. A. Hart, herausgegeben von P. M. S. Hacker und Joseph Raz (1977)

Sekundärliteratur

  • Nicola Lacey: A Life of H. L. A. Hart: The Nightmare and the Noble Dream. Oxford University Press 2004, ISBN 0-19-927497-5.
  • Frederick Schauer: (Re)Taking Hart. 119 Harvard Law Review 852 (2006) (Rezension zu Lacey, A Life of H. L. A. Hart).
  • Thorsten Ingo Schmidt: Primäre und sekundäre Regeln bei H. L. A. Hart. In: Zeitschrift für Rechtsphilosophie (ZRph), 2007, S. 44–52.
  • Csaba Varga: The ‘Hart-Phenomenon’. In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie (ARSP), Vol. 91, 2005, S. 81–95.

Weblinks


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