- HP 35
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Mit ihrem ersten Taschenrechner HP-35 brachte die Firma Hewlett-Packard im Jahr 1972 den weltweit ersten wissenschaftlich-technischen Taschenrechner mit trigonometrischen, logarithmischen und Exponentialrechnungs-Funktionen auf den Markt.
Am 12. Juli 2007 wurde von Hewlett-Packard, zum 35-jährigen Jubiläum, das Nachfolgemodell HP 35s in den Handel gebracht. [1]
Inhaltsverzeichnis
Entwicklungsgeschichte
Vor dem HP-35 waren Rechenschieber die einzigen praktischen Rechenhilfsmittel für trigonometrische und exponentielle Rechenfunktionen. Die bereits vorhandenen elektronischen Taschenrechner jener Zeit waren reine Vier-Funktions-Rechner, d.h. es war damit nur Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division möglich.
Zwar hatten zeitgenössische Markterhebungen keinen Bedarf für einen Taschenrechner ergeben, trotzdem startete HP-Mitbegründer Bill Hewlett die Entwicklung eines "HP-9100A im Taschenformat" und die Marketing-Prognosen erwiesen sich alsbald als falsch: Bereits in den ersten Monaten überschritt die Zahl der Bestellungen HPs Erwartungen vom Gesamtbedarf des Marktes.
Zur Markteinführung des HP-35 in den USA betrug der Verkaufspreis 395 US-Dollar. In geringfügig unterschiedlichen Design-Varianten wurde dieses Modell von 1972 bis 1975 hergestellt.
Technik
Wie bereits für den Tischrechner HP-9100 wurde für den HP-35 die Umgekehrte Polnische Notation (UPN) zur Eingabe gewählt. Daher bietet der HP-35 nicht, wie heute meist üblich, eine Taste mit dem Gleichheitszeichen = zum Abschluss einer Rechenoperation, sondern eine Enter-Taste zur Trennung der Eingabe der nacheinander einzugebenden Rechen-Operanden. Der Rechenvorgang wird durch Betätigung der gewünschten Rechen-Operationstaste unmittelbar nach Eingabe des zweiten Operanden ausgelöst.
Der Rechner benutzte für damit darstellbare Zahlen die herkömmliche Gleitkomma-Anzeige, schaltete aber automatisch in die wissenschaftliche Exponentialdarstellung um für größere oder kleinere Zahlenwerte, die im Gleitkommaformat nicht mehr darstellbar waren. Die 15-stellige LED-Anzeige konnte eine 10-stellige Mantisse und dazu einen 2-stelligen Dezimalexponenten, jeweils mit Vorzeichen, darstellen. In einem Multiplex-Verfahren wurde jedes einzelne LED-Segment, statt - wie bisher üblich - jede komplette LED-Siebensegment-Ziffer, der Anzeige nacheinander zum Leuchten gebracht, da Untersuchungen bei HP gezeigt hatten, dass auf diese Weise bei gleichem Stromverbrauch ein hellerer Gesamteindruck für das menschliche Auge entstand.
Zur Energieversorgung diente ein aus drei NiCd-Zellen in Mignonzellen-Größe bestehender Akkupack und ein externes Steckernetz-/ladegerät, das auch ohne eingesetzten Akkupack verwendbar ist.
Die internen Rechenverfahren benutzen 14-stellige BCD-Zahlen, die durch eine 56-Bit-Gleitkommadarstellung vom 1-bit-seriell arbeitenden Chipsatz verarbeitet werden.
Nachfolger
Der HP-35, produziert von 1972 bis 1975, stand am Anfang einer Familie verwandter Taschenrechner mit ganz ähnlicher Gehäusebauform:
- Der HP-80, HPs zweiter Taschenrechner, produziert von 1973 bis 1978, war spezialisiert auf finanzmathematische Funktionen. Als billigere Alternative wurde von 1974 bis 1975 der im Funktionsumfang reduzierte HP-70 angeboten.
- Der HP-45, produziert von 1973 bis 1976, wurde (mit weiterhin 35 Tasten) durch erstmalige Einführung einer Zweitfunktions-Taste α gegenüber dem HP-35 um zusätzliche Funktionen erweitert, u. a. auch mit der Möglichkeit, das Anzeigeformat manuell statt nur automatisch einzustellen. Als undokumentierte Funktion enthielt die Firmware eine Stoppuhr, die jedoch aufgrund einer fehlenden Quarzstabilisierung der Taktfrequenz recht ungenau arbeitete.
- Der HP-65, produziert von 1974 bis 1977, war der weltweit erste programmierbare Taschenrechner und kam damit erstmals Bill Hewlett's Vorgabe eines "HP-9100 im Taschenformat" nahe. Der HP-65 verfügte bemerkenswerterweise in Form eines integrierten Magnetkartenlesers bereits über ein externes Speichermedium für die bis zu 100 Programmschritten umfassenden Programme, bot eine Programmablaufsteuerung mit bedingten Verzweigungen und Programmschleifen und Flag-Steuerung, sowie durch die Anwender-Software um-definierbare Tasten A bis E. Auch dieses Modell besaß weiterhin nur 35 Tasten, jedoch mit bis zu vierfacher Mehrfachbelegung.
- Der HP-55, produziert von 1975 bis 1977, war ein preisgünstigeres Schwestermodell des HP-65, ohne Magnetkartenleser und mit reduziertem Programmspeicher. Der im HP-55 eingebaute Quarzoszillator erlaubte die offiziell dokumentierte Verwendung der bereits im HP-45 angelegten Stoppuhr-Funktion.
- Der HP-67, produziert von 1976 bis 1982 mit der neuen Technologie der Serie 20 (HP-21, HP-22, HP-25, HP-29C), bot mehr Programm- und Datenspeicher und diverse funktionelle Verbesserungen gegenüber dem HP-65.
- Das 2007 auf den Markt gebrachte Nachfolgemodell HP 35s zum 35-Jahr-Jubiläum ist ein programmierbarer wissenschaftlicher Taschenrechner, der wahlweise algebraisch oder in umgekehrter polnischer Notation bedient werden kann. Er verfügt über einen Gleichungslöser, numerische Integration und 32 KB Speicher. Hersteller ist die Firma Kinpo.
Trivia
- Ursprünglich sollte das neue Gerät nur "The Calculator" heißen, doch Bill Hewlett schlug "HP-35" wegen der Anzahl von 35 Tasten vor.
- Der HP-35 war exakt 5,8 amerikanische Zoll lang und 3,2 Zoll breit, genau wie William Hewletts Hemdtasche, daher der Name Taschenrechner.
- Wegen der energiehungrigen LED-Anzeige reichte eine Akkuladung mit den seinerzeit verfügbaren geringen Akkukapazitäten (ca. 450 mAh) nur ca. 3 Stunden. Um aber Verschleiß des Ein-/Aus-Schalter durch zu häufiges Schalten zu vermeiden, wurde einfach in Rechenpausen durch einen Druck auf die Dezimalpunkt-Taste Strom gespart; denn dadurch leuchtete nur ein einzelner Dezimalpunkt der LED-Anzeige.
- Die komplette Implementation der arithmetischen, logarithmischen und trigonometrischen Funktionen des HP-35 umfasste 767 geschickt programmierte Befehlsschritte mit einer Befehls-Wortlänge von je 10 Bit (= 7670 Bits). Die drei ROM-Bausteine mit je 256 10-Bit-Worten des bitseriell arbeitenden Rechners sind die mit nur jeweils 10 Pins versehenen runden Metallgehäuse in der Mitte der Hauptplatine; heute eine ungewöhnliche Bauform für ICs.
- Die Einführung des HP-35, und bald auch ähnlich leistungsfähiger wissenschaftlicher Rechner von Texas Instruments, führte schnell zur Ablösung des Rechenschiebers als Statussymbol unter Wissenschafts- und Ingenieursfach-Studenten durch elektronische Taschenrechner. Kursangebote zum Gebrauch von Rechenschiebern verschwanden aus den Lehrplänen.
Einzelnachweise
Weblinks
(alle in englischer Sprache)
- The Museum of HP Calculators' Artikel zum HP-35 (engl.)
- Online HP-35 Calculator
- HP Journal, June 1972
- HP Virtual Museum: HP-35
- HP-35 pictures on MyCalcDB (database about 70's and 80's pocket calculators)
- HP-35 Calculator Simulator (Javascript)
- Database of earliest HP-35 calculators
- A thorough analysis of the HP-35 firmware including the Cordic algorithms and the bugs in the early ROM.
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