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Halle-Neustadt war eine Stadt im Bezirk Halle der Deutschen Demokratischen Republik. Sie wurde am 12. Mai 1967 zur eigenständigen und kreisfreien Stadt (Stadtkreis) erklärt, nachdem sie als neuer Stadtteil von Halle erbaut wurde. Die Einwohnerzahl betrug 1972 bereits 51.600 und 1981 mehr als 93.000. 1990 wurde Halle-Neustadt wieder nach Halle eingemeindet, die Einwohnerzahl hat sich seitdem nahezu halbiert (2007: ca. 48.000).
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die eigentliche Stadtgeschichte begann 1958 mit einer Konferenz des ZK der SED zum Thema „Chemieprogramm der DDR“, auf der die Ansiedlung von Arbeitskräften in der Nähe der Chemiestandorte Buna-Schkopau und Leuna beschlossen wird. Nach umfangreichen Standortuntersuchungen und Planungen im Bezirk Halle beschloss das Politbüro der SED am 17. September 1963 den Aufbau der „Chemiearbeiterstadt“, von den Einwohnern meist kurz Neustadt oder „Ha-Neu“ genannt, wobei die Stadt in größerer Entfernung von den eigentlichen Chemieanlagen entstand.
Chefarchitekt von Halle-Neustadt war Richard Paulick; seine Stellvertreter und Leiter von Entwurfsgruppen waren Joachim Bach, Horst Siegel, Karl-Heinz Schlesier, Sigbert Fliegel und Harald Zaglmaier.
Zwischen den kleinen Ortschaften Zscherben, Passendorf und Nietleben entstand die Stadt am Rande der Saaleaue, wobei Passendorf größtenteils abgerissen wurde. Reste des dörflichen Charakters jener Siedlung sind nur noch entlang der Kammstraße erhalten geblieben. Mit der Errichtung des Wohngebietes Südpark wurde diese Straße schließlich zu einer Art dörflichen Oase im sonst von Hochhäusern geprägten Stadtbild.
Am 1. Februar 1964 wurde das Plattenwerk eröffnet, das die Betonfertigteile (Großplattenbauweise) für die neue Stadt produzierte. Am 15. Juli 1964 legte Horst Sindermann, 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Halle, den Grundstein für den Bau der sozialistischen Wohnstadt im Westen von Halle (Saale) auf dem Gelände der Schule „Erste POS“. Im Gegensatz zu den weiter folgenden Schulen, die nach Persönlichkeiten und Funktionären beanannt wurden, behielt diese Schule den Namen „Erste POS“. Auch der Baustil dieser Schule und der „Zweiten POS Ernst Thälmann“ hob sich vom Rest der insgesamt 28 Schulen deutlich ab (die anderen Schulen wurden mit „atomsicheren“ Bunkern ausgestattet, in deren zentralen Kellergeschossen befand sich jeweils eine Lüftungsanlage und im Ernstfall an die Fensterscheiben anklappbare Betonelemente. Zum Beispiel der Verbindungstrakt der ehemaligen Otto-Grotewohl- und Wilhelm-Pieck-Schule 51'29'08.83" N 11'55'17.64" O). Ein Jahr später, am 9. August 1965 zogen die ersten Mieter nach Halle-Neustadt.
Noch vor Fertigstellung des ersten Wohnkomplexes 1968 wurde am 12. Mai 1967 die neue Siedlung vom Stadtteil Halle-West zur Stadt Halle-Neustadt erklärt und das Gebiet formell aus dem Stadtgebiet von Halle (Saale) herausgelöst. Von 1970 bis 1990 war Liane Lang Bürgermeisterin der Stadt.
Die neue Stadt erhielt den offiziellen Beinamen „Sozialistische Stadt der Chemiearbeiter“. Sowjetische Soldaten der nahegelegenen Kaserne Heide-Süd wurden zum Aufbau mit zahlreichen Arbeitseinsätzen abkommandiert. Eine Vielzahl von Wohnblöcken im nördlichen Stadtgebiet waren für deren Familien reserviert - und standen nach Abzug der Truppen zu Beginn der 1990er Jahre leer.
Da wesentliche zentrale Infrastruktureinrichtungen erst spät oder nie fertiggestellt wurden - so gab es zu DDR-Zeiten zum Beispiel nie ein Hotel oder ein Warenhaus in der Stadt -, blieb Halle-Neustadt kaum mehr als eine Schlafstadt für die im Schichtrhythmus der Chemieanlagen lebenden Chemiearbeiter und deren Familien. Die Erschließung der Stadt blieb, trotz des zentralen „Rennbahnkreuzes“, unbefriedigend, da die zentrale Straßenbahnlinie entlang der Magistrale zu Zeiten der DDR nie gebaut wurde, offiziell aufgrund zu geringer Straßenbahnstromkapazitäten. Busse und die S-Bahn mussten die Hauptlast des öffentlichen Personennahverkehrs tragen. Über den in der Stadtmitte gelegenen Tunnelbahnhof gab es eine direkte Pendlerverbindung zu den Chemiekombinaten Buna-Schkopau und Leuna passend zu deren Schichtzeiten. Eine bereits vorhandene Straßenbahnlinie vom Stadtzentrum Halle(Saale) aus Richtung Heide tangierte nur den VIII. Wohnkomplex am östlichen Rand, erschloss also nur einen Bruchteil der Stadt.
1983 wurde das Kino Prisma als letzter Kinoneubau der DDR eröffnet (2000 zugunsten eines Einkaufscenters mit Multiplex-Kino abgerissen), das eines der wenigen kulturellen Einrichtungen blieb. Für Kultur und anspruchsvolleres Einkaufen blieb die Altstadt von Halle (Saale) unverzichtbar. Naherholungsmöglichkeiten bieten der Mischwald der angrenzende Dölauer Heide mit dem Heidesee und der „Kanal“ (Reste des unvollendeten Elster-Saale-Kanals).
Im Gegensatz zu späteren Großplattensiedlungen der DDR wurde Halle-Neustadt jedoch großzügig geplant, mit Kunst am Bau angehübscht und vor allem im I. Wohnkomplex (1964–1968) üppig begrünt. Dessen architektonischer Höhepunkt ist ein 380 Meter langer, 11-geschossiger Wohnblock, der „"Zehner-Block"“, das größte je in der DDR gebaute Wohnhaus. Damit dieser keinen Sperrriegel darstellte, welchen es umständlich umlaufen hätte werden müssen, war er an drei Stellen mit Durchgängen für Fußgänger versehen worden. In diesem Block wohnten bis zu 2500 Menschen, mehr als seinerzeit in Wörlitz (damals oft verwendeter Vergleich). Ein Teil dieses Blockes wurde von einem Pflegeheim genutzt.
In den weiteren acht Wohnkomplexen wurde später wesentlich enger gebaut, so dass deutlich weniger Platz für Grünflächen blieb. Dies war größtenteils dem Wohnungsbauprogramm der DDR geschuldet. Den Bedarf an Wohnraum hat man jedoch vor allem in Halle und Halle-Neustadt zu keiner Zeit bis 1990 abdecken können.
Mit der Gestaltung eines Stadtzentrums tat man sich schwer, da nach der ursprünglichen Baukonzeption jeder der fünf Baukomplexe ein eigenes Zentrum (mit Kaufhalle, Ambulatorium, Gaststättenkomplex u. a.) haben sollte, hinzu kamen Schulen, Kindergärten und Sportanlagen. Am zentralen Platz sollte ein 100 Meter hohes markantes „Haus der Chemie"“ erbaut werden, welches aus Kostengründen nie realisiert wurde. So klaffte über Jahre hinweg eine große Baugrube zwischen der Hauptpost und dem Kino Prisma, in der sich das Grund- und Regenwasser staute.
Eine Besonderheit war der modische Verzicht auf Straßennamen, stattdessen wurden alle Wohnblöcke und Eingänge nach einem für Außenstehende kaum zu durchschauenden Prinzip durchnummeriert (nach 1990 zugunsten von Straßennamen abgeschafft), dies trug mit dem republikweiten Zuzug der mit recht hohen Löhnen und (damals) komfortablen Wohnungen gelockten Chemiearbeiter nicht gerade zu einem Heimatgefühl bei.
Staats- und Parteichef Erich Honecker hatte nur noch wenig Interesse am Lieblingsprojekt seines Vorgängers Walter Ulbricht und dessen Chemiekampagne. Er konzentrierte sich stattdessen auf die Hauptstadt Berlin und das republikweite Wohnungsbauprogramm. Erst 1989 wurde das Rathaus errichtet, das jedoch aufgrund der zwischenzeitlichen Eingemeindung zu Halle (Saale) nie seiner eigentlichen Bestimmung diente. Das Zentrum der Stadt ist die Neustädter Passage auf zwei Ebenen mit mehreren Kaufhäusern, Fachgeschäften, Zentral-Poliklinik, Hauptpost und dem Haus der Dienste entlang der „Scheiben“. In diesem Bereich sollte auch das Rathaus der Stadt Halle-Neustadt entstehen, der Bau war bei den damaligen Entscheidungsträgern umstritten, wurde mehrfach unterbrochen und erst im Jahr 1990 fertiggestellt. Die „Scheiben“ sind fünf 18-geschossige Hochhäuser mit Mittelgangstruktur, die einerseits als Studentenwohnheime der Martin-Luther-Universität, aber auch als Arbeiterwohnheime der Chemiekombinate Buna und Leuna genutzt wurden. Sie wurden 1970–1975 errichtet und stehen heute bis auf eine Scheibe als riesige Ruinen leer. Mit dem Abriss tut sich die Stadtverwaltung bis heute schwer, da die Scheiben ein Rückgrat der Neustädter Architektur bilden. In einer der Scheiben hat die ARGE Halle, die Verwaltung der zahlreichen Langzeitarbeitslosen, ihren Sitz. Die Neustädter Passage wird seit 2005 umfassend erneuert. Am Rande Halle-Neustadts war auch der mächtige Komplex der Bezirksverwaltung Halle des MfS (jetzige Nutzung u. a. Finanzamt) untergebracht.
Stadtwappen
Erst 1984 erhielt Halle-Neustadt ein eigenes Wappen, das auf rotem Hintergrund drei aus einer aufbrechenden gold-grünen Knospe auffliegende silberne Tauben zeigt. Über den Tauben befindet sich ein liegender goldener Schlüssel, dessen Griff in Form eines sechseckigen Benzolrings gestaltet und dessen Bart mit einem sechsstrahligen roten Stern belegt ist. Der rote Hintergrund des Wappens sollte den Bezug zur Arbeiterbewegung symbolisieren, die Knospe die Lebensqualität und das zukunftsweisende Konzept. Die Tauben sind an Picassos Friedenstauben angelehnt. Der Schlüssel stellt den Bezug zum Wohnen, zur Chemieindustrie (Benzolring) und zur Stadt Halle (Stern) dar.
Nach 1990
Nach einer Abstimmung anlässlich der Kommunalwahl am 6. Mai 1990 wurde Halle-Neustadt mit der Stadt Halle vereinigt. Seither umfasst das ehemalige Stadtgebiet den Stadtbezirk West der Stadt Halle, mit den Stadtteilen "Nördliche Neustadt", "Südliche Neustadt", "Westliche Neustadt" und "Gewerbegebiet Neustadt".
Die Einwohnerzahl ist seit 1990 deutlich gesunken (48.941 Einwohner, Stand: 31. Dezember 2006). Wer es sich leisten kann, zieht weg (u. a. in die Altstadt) bzw. muss der Arbeit wegen die Region verlassen. Die Generation der Erstmieter, mittlerweile meist im Rentnerstand, wohnt noch recht gern in diesem Stadtteil, der sich längst zu einem sozialen Brennpunkt entwickelt hat. Der zunehmende Wohnungsleerstand führte dazu, dass inzwischen die ersten Wohnblocks im Rahmen des Programmes Stadtumbau Ost abgerissen werden. Gleichzeitig wird der Wohnungsbestand aber auch saniert, wodurch die zwischenzeitlich nicht sehr beliebten Plattenbauwohnungen eine bessere Wohnqualität erhalten. Dazu dienten auch die Erweiterung des Straßenbahnnetzes auf der Magistrale zwischen dem jetzigen Stadtbezirk West und anderen Stadtbezirken der Stadt Halle (Saale) und der Bau mehrerer Supermärkte und Einkaufszentren, von denen das 2002 eröffnete Neustadt-Centrum das Bedeutendste ist.
2004 feierte der Stadtteil mit verschiedenen Aktionen sein 40-jähriges Bestehen. 2006 fand hier, nachdem sie in Berlin bereits gezeigt wurde, eine Ausstellung der Kulturstiftung des Bundes unter dem Titel "Shrinking Cities" zu so genannten schrumpfenden Städten statt.
Nachdem eine Fußgängerbrücke mit vielen Millionen Mark aufwendig saniert worden war, fiel sie wenige Jahre später dem Neubau der Straßenbahnstrecke zum Opfer. Einige Fußgängertunnel wurden durch oberirdische Querungen mit Lichtsignalanlagen ersetzt, die u.a. der Beruhigung des Fahrzeugverkehrs dienen sollen.
Weblinks
- http://www.halle-neustadt.info/ – Informationen zum Stadtteil
51.47888888888911.921388888889Koordinaten: 51° 29′ N, 11° 55′ O
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