Haftrichter

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Rechtslage in Deutschland

Als Ermittlungsrichter werden nach der deutschen Strafprozessordnung (StPO) Richter bezeichnet, die Entscheidungen treffen können, die einen so schweren Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen beinhalten, dass deren Anordnung von Verfassungs wegen Richtern vorbehalten bleibt. Dies umfasst zum Beispiel die Durchsuchung von Wohnräumen, die Anordnung von Telekommunikationsüberwachung oder den Erlass eines Haftbefehls. Ermittlungsrichter sind in der Regel Strafrichter des jeweiligen Gerichts.

Der Begriff Untersuchungsrichter wird oft gleichbedeutend verwendet. Vor Abschaffung der gerichtlichen Voruntersuchung im Jahre 1977 nannte die StPO einen Richter, dem die Erforschung des Sachverhalts im Vorverfahren oblag, sachlich zutreffend Untersuchungsrichter. Der Sprachgebrauch ist heute ungenau, da in der StPO die Aufgaben des Ermittlungsrichters sich nicht mehr auf die Erforschung des Sachverhalts, sondern nur noch auf die richterliche Überprüfung der Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft erstrecken.

In Bezug auf den Erlass eines Haftbefehls spricht man auch von einem Haftrichter.

Zuständigkeit

Ermittlungsrichter sind in der Regel Strafrichter des jeweiligen Gerichts, die neben ihren anderen Dienstgeschäften die Ermittlungshandlungen anderer Organe kontrollieren. Ein Gericht kann – muss jedoch nicht – für Ermittlungsaufgaben auch Richter bestellen, die nur Ermittlungsrichter sind.

Die Zuständigkeit für richterliche Ermittlungshandlungen richtet sich nach dem Stadium des Verfahrens (§§ 125 ff StPO).

Vor Erhebung der öffentlichen Klage

Vor Anklage sind grundsätzlich Ermittlungsrichter beim Amtsgericht zuständig, ihre örtliche Zuständigkeit entspricht dem Amtsgerichtsbezirk. Daher bestellen die Landgerichte keine Ermittlungsrichter.

In den Fällen des § 120 GVG (Staatsschutzsachen u.ä.) sind die Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes zuständig, solange die Ermittlungen vom Generalbundesanwalt geführt werden[1], in allen übrigen Fällen die Ermittlungsrichter beim Oberlandesgericht. Ihr örtlicher Zuständigkeitsbereich ist das gesamte Bundesgebiet (§ 169 Abs. 2 StPO).

Ist bereits ein Haftbefehl erlassen worden, wird der Richter, der ihn erließ, auch für alle weiteren Untersuchungshandlungen zuständig. Ist jedoch der Haftbefehl erstmals auf die Beschwerde (der Staatsanwaltschaft) durch das Beschwerdegericht erlassen worden, entscheidet weiterhin der Richter, gegen dessen Entscheidung sich die Beschwerde richtete (§ 126 I StPO).

Nach Erhebung der öffentlichen Klage

Ist Anklage erhoben, ist für richterliche Ermittlungshandlungen das jeweils mit der Sache befasste Gericht zuständig. Dies gilt auch für das so genannte Zwischenverfahren bis zur Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung. Kollegialgerichte entscheiden über Ermittlungshandlungen grundsätzlich kollegial, d.h. eine Kammer oder ein Senat kann keinen eigenen Ermittlungsrichter bestellen. In dringenden Fällen jedoch entscheidet der Vorsitzende, dessen Entscheidung nicht der Bestätigung durch das Kollegium bedarf. Sie kann jedoch von den anderen Prozessbeteiligten verlangt werden.

Im Falle der Berufung ist das Berufungsgericht zuständig.

Im Falle der Revision ist das zuletzt befasste Tatgericht zuständig. Das Revisionsgericht darf jedoch einen Haftbefehl selbst aufheben, wenn es durch Sachentscheidung ein damit zusammen hängendes Urteil aufhebt (§ 126 III StPO). Es darf ihn jedoch nicht außer Vollzug setzen.[2]

Der Jugendrichter als Ermittlungsrichter

Nach § 34 Abs. 1 JGG ist im Verfahren gegen Jugendliche für diejenigen Aufgaben, die sonst dem Richter am Amtsgericht oblägen, der Jugendrichter zuständig. Dies betrifft auch die Zuständigkeit des Richters am Amtsgericht als Ermittlungsrichter, so dass für Beschlüsse in Haftsachen oder anderen dem Ermittlungsrichter zugewiesenen Entscheidungen gleichfalls der Jugendrichter zuständig ist.

Es ist umstritten, ob eine Geschäftsverteilung zulässig ist, bei der einem Richter nur die Aufgaben des Ermittlungsrichtes in Verfahren gegen Jugendliche zugewiesen werden, ohne dass dieser Richter auch in sonstigen Jugendstrafverfahren tätig wird. Das Bundesverfassungsgericht konnte diese Frage in einer Entscheidung vom 12. Mai 2005 offenlassen.

Einzelne Aufgaben des Ermittlungsrichters (nicht abschließend)

Der Ermittlungsrichter kann etwa Beschlüsse erlassen, die allein ihm vorbehalten sind:

  • Erlass eines Haftbefehls, Haftprüfung
  • Anordnung der Durchsuchung von Wohnräumen und der Beschlagnahme
  • Anordnung der Telefonüberwachung

oder sonstige Ermittlungshandlungen vornehmen:

  • Zeugenvernehmung im Vorverfahren

Rechtsmittel

Gegen Entscheidungen der Ermittlungsrichter ist die Beschwerde möglich. Der erlassende Richter (iudex a quo) kann ihr abhelfen, sonst hat er sofort, spätestens binnen 3 Tagen die Sache dem Beschwerdegericht weiter zu leiten (iudex ad quem). Gleiches gilt für Ermittlungshandlungen von Kollegialgerichten. Beschwerdegericht bestimmt sich nach allgemeinen Regeln des GVG.

Die Beschwerde hat keinen Suspensiveffekt (§ 307 StPO). Sie ist gegen Entscheidungen der Ermittlungsrichter bei einem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof nur dann zulässig, wenn es sich um Verhaftung, einweilige Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt, Beschlagnahme oder Durchsuchung handelt (§ 304 IV, V StPO).

Rechtslage in der Schweiz

Die Funktion des Untersuchungsrichters existiert in der Schweiz auf verschiedenen Ebenen: neben kantonalen Untersuchungsrichtern gibt es auch solche, deren Zuständigkeit auf Bundesrecht fusst (z.B. eidg. Untersuchungsrichter, Untersuchungsrichter der Militärjustiz).

In der vereinheitlichten StPO sind keine Untersuchungsrichter mehr vorgesehen; sie werden durch Staatsanwälte (und besondere Gerichte) ersetzt. Die militärischen Untersuchungsrichter werden durch diese Revision voraussichtlich nicht ersetzt.

Einzelnachweise

  1. L. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, Kurzkommentar, § 169 Rz. 2
  2. L. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, Kurzkommentar, § 126 Rz. 9


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