Halldór Kiljan Laxness

Halldór Kiljan Laxness
Halldór Laxness (Porträt von Einar Hákonarson)

Halldór Kiljan Laxness [ˈhaltour ˈcʰɪljan ˈlaxsnɛs?/Info/IPA (eigentlich Halldór Guðjónsson; * 23. April 1902 in Reykjavík; † 8. Februar 1998 in Gljúfrasteinn bei Mosfellsbær) war ein isländischer Schriftsteller und Literaturnobelpreisträger.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gljúfrasteinn, Laxness' Haus seit 1945; heute Laxness-Museum

Laxness' Eltern hießen Guðjón Helgi Helgason und Sigríður Halldórsdóttir. Da er aus wohlhabendem Hause stammte, konnte er seine Bildung durch zahlreiche Reisen vervollständigen. Auf dem Kontinent lernte er den Katholizismus kennen und konvertierte. Dies erkennt man auch in seinem frühen Roman Der große Weber von Kaschmir (1927), der überdies Einflüsse von Expressionismus und Surrealismus aufweist und andererseits im Ton nicht selten an den frühen Thomas Mann erinnert. Halldór Laxness hieß mit bürgerlichem Namen Halldór Guðjónsson. Seinen Künstlernamen legte er sich nach dem Hof Laxnes (dt. „Lachshalbinsel“) bei Mosfellsbær zu, wo er aufgewachsen war. Den Namen Kiljan wählte er bei seiner Konversion zum Katholizismus, am 6. Januar 1923 im Benediktinerkloster St. Maurice de Clervaux in Luxemburg, nach dem irischen Märtyrer und Heiligen Kilian. 1930 heiratete er Ingibjörg Einarsdóttir, 1945 begann seine zweite Ehe mit Auður Sveinsdóttir und er bezog seinen ständigen Wohnsitz in Gljúfrasteinn bei Mosfellsbær.

Auszeichnungen

Halldór Laxness gilt als der erste isländische Autor der Neuzeit, der Weltruhm erlangte. Er erhielt 1955 den Nobelpreis für Literatur. Zu seinen weiteren Ehrungen zählen der Weltfriedenspreis 1953 und 1959 der Sonning-Preis. Er erhielt die Ehrendoktorwürden der Universitäten Åbo (1968), Reykjavík (1972), der Universität Edinburgh (1977) sowie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (1982), letztere anlässlich seines 80. Geburtstages.

Werke

Längere Zeit galt Laxness als Anhänger marxistisch-kommunistischer Lehren. Dies kommt beispielsweise in seinem Romans Atomstation (1948) zum Ausdruck. In diesem Roman, für den er mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet wurde, wendet er sich energisch gegen die Stationierung US-amerikanischer Raketen auf Island.

Weitere berühmte Werke von Laxness sind Salka Valka (1931/32), Sein eigener Herr (1934–36) und Weltlicht (1937–40). In Sein eigener Herr geht es um einen hartnäckigen Kleinbauern, der trotz widrigster Umstände seine Selbstständigkeit nicht aufgeben will (der isländische Titel lautet Sjálfstætt fólk, deutsch: „selbstständige Leute“). In Weltlicht schildert er das Leben eines Mannes aus einfachsten Verhältnissen, der unbedingt Schriftsteller werden will und deshalb gegen viele Vorurteile seiner Umgebung zu kämpfen hat.

Das bekannteste Buch von Laxness ist vermutlich der Roman Die Islandglocke (isländisch: Íslandsklukkan, 1943–46). Angelehnt an historische Figuren (vor allem den Sprachwissenschaftler Árni Magnússon) sucht darin Arnas Arnaeus um 1700 im ländlichen Island nach kostbaren alten Schriften. Die verelendeten Bauern haben diese teilweise versteckt, teilweise auch umfunktioniert (beispielsweise in Isoliermaterial). Arnas verliebt sich in die schöne Richtertochter Snæfríður, hat aber zu wenig Mut, sich wirklich auf eine Beziehung mit ihr einzulassen, obwohl seine Liebe erwidert wird. Der zweite Handlungsstrang stellt den mit allen Wassern gewaschenen Bauern Jón in den Mittelpunkt. Er wird des Mordes angeklagt, kann sich einer Hinrichtung gerade noch entziehen und irrt anschließend jahrelang durch das von Kriegen und sozialen Gegensätzen gezeichnete Europa. Dieser Teil des Romans, der allerdings mit dem anderen eng verknüpft ist (Arnas und Jón begegnen sich mehrfach), erinnert immer wieder an berühmte Schelmenromane wie etwa Grimmelshausens Simplicissimus Teutsch.

Laxness schrieb noch zahlreiche weitere Romane, darunter Die glücklichen Krieger (1952), in dem er die negativen Seiten von Sagahelden teilweise satirisch aufzeigte – nicht unbedingt zur Freude aller seiner Landsleute. Das Buch wurde in bewusst archaisierender Sprache geschrieben und wird von vielen als die größte Parodie isländischer Sprache angesehen. Ende der 1950er Jahre wandte er sich vom Kommunismus ab. In seinen späteren Romanen Das Fischkonzert (1957), Das wiedergefundene Paradies (1960) und Am Gletscher (1968) ist auch die Sozialkritik nicht mehr so deutlich. Laxness sucht in seinem Spätwerk nach neuen Erzählformen, die vor allem mit der Problematik der Erzählperspektive spielen. Statt der sozial- und religionskritischen Themen hielten nun taostische Themen Einzug in seine Bücher.

Einige seiner Romane wurden auch verfilmt: Das Fischkonzert (isländisch: Brekkukotsannáll, 1973) und Das wiedergefundene Paradies (Paradísarheimt, 1980) von dem Regisseur Rolf Hädrich, Atomstation (Atómstöðin, 1984) von Þorsteinn Jónsson sowie 1998 Am Gletscher (Kristnihald undir Jökli) und 1999 Das gute Fräulein (Ungfrúin góða og húsið) von seiner Tochter Guðný Halldórsdóttir.

Sein Gesamtwerk umfasst noch zahlreiche weitere Romane und Theaterstücke, auch war er häufig journalistisch tätig. Seine Werke wurden in zahlreiche andere Sprachen übersetzt.

Rezeption in Deutschland

Aufgrund seiner lange Zeit kommunismusfreundlichen Haltung wurde Laxness in der DDR stärker beachtet als in der Bundesrepublik Deutschland. Seine Werke der Nachkriegszeit wurden zuerst in der DDR übersetzt - ungewöhnlich für einen renommierten skandinavischen Schriftsteller. In den 1990er Jahren erfolgte eine gesamtdeutsche Renaissance der Werke Laxness', ausgelöst durch eine neue Werksausgabe mit teilweise neuen Übersetzungen des Göttinger Steidl Verlages.

Sonstiges

Allein durch die Vergabe des Nobelpreises für Literatur an Laxness wurde Island der Staat mit der höchsten Nobelpreisdichte je Einwohner.

Werke

  • 1919 Barn náttúrurnar (Roman, 'Das Naturkind')
  • 1923 Nokkrar sögur (Erzählungen)
  • 1924 Undir Helgahnúk (Roman, 'Am heiligen Berg')
  • 1925 Kaþólsk viðhorf (Essays)
  • 1927 Vefarinn mikli frá Kasmír (Roman, dt. 1988: Der große Weber von Kaschmir)
  • 1929 Alþýðubókin (Essays)
  • 1930 Kvæðakver (Gedichte)
  • 1931 Þú vínviður hreini + 1932 Fuglinn í fjörunni (Roman, dt. 1951, 1957: Salka Valka)
  • 1933 Í austurvegi (Reportage) / Fótataka manna (Erzählungen)
  • 1934 Straumrof (Schauspiel)
  • 1934 Sjálfstætt fólk I + 1935 Sjálfstætt fólk II (Roman, dt. 1936: Der Freisasse; 1962: Unabhängige Menschen; 1968: Sein eigener Herr)
  • 1937 Dagleið á fjöllum (Essays)
  • 1938 Gerska æfintýrið (Reportage)
  • 1937 Ljós heimsins + 1938 Höll sumarlandsins + 1939 Hús skáldsins + 1940 Fegurð himinsins (Roman, dt. 1955: Weltlicht)
  • 1942 Sjö töframenn (Erzählungen) (dt. Sieben Zauberer) / Vettvángur dagsins (Essays)
  • 1943 Íslandsklukkan + 1944 Hið ljósa man + 1946 Eldur í Kaupinhafn (Roman, dt. 1951: Islandglocke)
  • 1946 Sjálfsagðir hlutir (Essays)
  • 1948 Atómstöðin (Roman, dt. 1955, 1989: Atomstation)
  • 1950 Snæfríður Islandssól (Schauspiel) / Reisubókarkorn (Essays)
  • 1952 Gerpla (Roman, dt. 1977: Gerpla; 1991: Die glücklichen Krieger) / Heiman eg fór ('Von daheim ging ich fort')
  • 1954 Þættir (Erzählungen) / Silfurtúnglið (Schauspiel)
  • 1955 Dagur í senn (Essays)
  • 1957 Brekkukotsannáll (Roman, dt. 1961: Das Fischkonzert)
  • 1959 Gjörningabók (Essays)
  • 1960 Paradísarheimt (Roman, dt. 1971: Das wiedergefundene Paradies)
  • 1962 Strompleikurinn (Schauspiel) / Prjónastofan Sólin (Schauspiel)
  • 1963 Skáldatími (Essays) (dt. Zeit zu schreiben)
  • 1964 Sjöstafakverið (Erzählungen)
  • 1965 Upphaf mannúðarstefnu (Essays)
  • 1966 Dúfnaveislan (Schauspiel)
  • 1967 Íslendingaspjáll (Essays)
  • 1968 Kristnihald undir Jökli (Roman, dt. 1974: Seelsorge am Gletscher; 1989: Am Gletscher)
  • 1969 Vínlandspúnktar (Essays)
  • 1970 Úa (Schauspiel) / Innansveitarkronika (Roman, dt. 1976 Kirchspielchronik)
  • 1972 Yfirskygðir staðir (Essays) / Norðanstúlkan (Schauspiel) / Skeggræður gegnum tíðina (Essays) / Guðsgjafaþulan (Roman, dt. 1979 Die Litanei von den Gottesgaben) / Af skáldum (Essays)
  • 1974 Þjóðhátíðarrolla (Essays)
  • 1975 Í túninu heima (Roman, dt. 1978 Auf der Hauswiese)
  • 1976 Úngur eg var ('Jung war ich')
  • 1978 Sjömeistarasagan ('Die Siebenmeistergeschichte')
  • 1980 Grikklandsárið ('Das Griechenlandjahr')
  • 1981 Við heygarðshornið (Essays)
  • 1982 Bráðum kemur betri tíð... (Gedicht-Auswahl)
  • 1984 Og árin líða (Essays)
  • 1986 Af mennigarástandi (Essays)
  • 1987 Dagar hjá múnkum (Tagebuch)


Sekundärliteratur

  • Friese, Wilhelm: Halldór Laxness. Die Romane. Eine Einführung. Basel, Frankfurt am Main: Helbing und Lichtenhahn, 1995. In: Beiträge zur nordischen Philologie, Bd. 24.
  • Friese, Wilhelm: Knut Hamsun und Halldór Kiljan Laxness: Anmerkungen zu Werken und Wirkung. Tübingen, Basel: A. Franke, 2002. ISBN 3772027806
  • Guðrún Hrefna Guðmundsdóttir: Halldór Laxness in Deutschland. Rezeptionsgeschichtliche Untersuchungen. Frankfurt am Main, Bern, New York, Paris: Lang, 1989.
  • Halldór Guðmundsson: Halldór Laxness. Leben und Werk. Göttingen: Steidl, 2002. ISBN 3882438053
  • Halldór Laxness; Sønderholm, Erik: De islandske Sagaer og andre Essays. København: Gyldendal, 1963.
  • Keel, Aldo: Innovation und Restauration. Der Romancier Halldór Laxness seit dem Zweiten Weltkrieg. Basel, Frankfurt am Main: Helbing und Lichtenhahn, 1981. In: Beiträge zur nordischen Philologie, Bd. 10.
  • Kötz, Günter: Das Problem Dichter und Gesellschaft im Werke von Halldór Kiljan Laxness. Ein Beitrag zur modernen isländischen Literatur. Gießen: Wilhelm Schmitz, 1966.
  • Sønderholm, Erik: Halldór Laxness. En monografi. København: Gyldendal, 1981.

Siehe auch

Weblinks


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