Alja Rachmanowa

Alja Rachmanowa

Alja Rachmanowa, geboren als Galina Djuragin (* 27. Juni 1898 in Kasli in der Nähe von Jekaterinburg im Ural; † 11. Februar 1991 in Ettenhausen, Schweiz) war eine russische Schriftstellerin. Die Tagebuchaufzeichnungen ihres Schicksals wurden in 21 Sprachen übersetzt. Sie wird damit zu den bekanntesten Schriftstellerinnen der Nachkriegszeit gezählt.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Geboren wird Alja Rachmanowa am 27. Juni 1898 als Galina Djuragin in Kasli in der Nähe von Perm im Ural als Erste von drei Töchtern einer adeligen Arztfamilie. Das Pseudonym Alja Rachmanowa, unter dem sie später berühmt wird, wählt sie erst im österreichischen Exil, um ihre in Russland verbliebenen Verwandten nicht zu gefährden.

Ihr 1932 erschienenes Buch „Geheimnisse um Tataren und Götzen“handelt von ihrer relativ unbeschwerten Kindheit in großbürgerlichem Luxus eines christlichen Elternhauses, dem Kontakt zur archaischen Lebensweise der Tataren, von abenteuerlichen Ausflügen und Erlebnissen, der ihr wichtigen Weissagung eines Einsiedlers: „Sie werden sehr glücklich werden, Fräulein, aber Sie werden auch viel Unglück und Kummer haben“. Alja Rachmanowa hat das Führen ihrer Tagebücher, aus denen vieler ihrer Werke schöpften, „immer als unumgängliche Lebensnotwendigkeit angesehen“.

„Studenten, Liebe, Tscheka und Tod“ erscheint als erster Band einer Trilogie (diese erschien 1931-33) und behandelt die historischen Ereignisse in Russland nach der Oktoberrevolution anhand des Schicksals der Djuragins. Was als Schilderung der Gefühlszustände eines Mädchens im Backfischalter beginnt, entwickelt sich im Lauf der Geschichte bald zu einem Höllenszenario. Der Zar wird gestürzt, die Bolschewiki sind an der Macht, ein Abt wird zum Beweis, dass es keinen Gott gibt, öffentlich gepfählt, Erschießungen, Hausdurchsuchungen, Verhaftungen, Plünderungen, Krankheit, Angst und Schrecken stehen an der Tagesordnung. „Wir können uns schon gar nicht mehr vorstellen, dass man ausgekleidet schlafen, anders als flüsternd sprechen, auch nur eine Minute leben kann, ohne zu fürchten, man werde erschossen“ vertraut die Studentin ihrem Tagebuch an, das sie sich kaum noch aus ihrem Versteck hervorzuholen getraut. Sie verliebt sich in den österreichischen ehemaligen Kriegsgefangenen, der aus Liebe zu ihr in Sowjetrussland bleiben will. Fünf Monate darauf erfolgt die Hochzeit in Omsk, wohin die Familie nach ihrer Enteignung geflüchtet ist.

„Ehen im roten Sturm“ schließt unmittelbar an den ersten Band an und schildert die ersten Ehejahre der Autorin mit ihrem aus Salzburg stammenden Mann Arnulf von Hoyer, die überschattet sind von Hunger, Kälte und der Angst vor der Liquidierung durch Tscheka. Ihre Ehe wird zu einer stillen Insel des Glücks inmitten des nachrevolutionären Chaos, und in der alles verpönt ist, was für Rachmanowa einst wichtiger Besitz, Lebensart und Kultur war. Auf der Rückfahrt von Omsk treffen sie auf ganze Züge voll Verhungernder. In ihrer Heimatstadt angelangt, hat das ehemalige Dienstmädchen auf Anraten eines Kommissärs alle Zimmer ihres Hauses vermietet und will keines mehr zurückgeben. Galinas Mann erhält eine Stelle als Englischlektor, sie selbst hält Vorlesungen über Psychologie der Kindheit und Kinderliteratur. 1922 kommt Sohn Jurka in einem sowjetischen Gebärhaus zur Welt. 1925 wird die dreiköpfige Familie ohne Angaben von Gründen aus der Sowjetunion ausgewiesen,- Arnulf von Hoyer ist Österreicher und entstammt darüber hinaus einer Aristokratenfamilie, ist also für die Bolschewiki ein Klassenfeind.

Die Familie versucht in dem von Arbeitslosigkeit und Not gebeutelten Wien Fuß zu fassen. Galina bietet einer Redaktion eine Erzählung aus dem russischen Leben an, diese wird jedoch abgewiesen. Die Familie beschliest ein Lebensmittelgeschäft zu betreiben, sie leben in einem dem Laden angeschlossenen kleinen Raum. Während Arnulf auf der Universität die in Russland abgelegten Prüfungen, die in Österreich nicht anerkannt werden, nachholen muss, sorgt Galina eineinhalb Jahre lang als Milchfrau für den Unterhalt der Familie. Die Akademikerin, die anfangs nur gebrochen Deutsch spricht, nutzt jede freie Minute, um die Geschichten, die ihr von ihrer Kundschaft erzählt werden, aufzuschreiben. Die junge Russin kämpft mit dem Heimweh, die Briefe ihrer Eltern sind allesamt bedrückend, auch wird sie auch gelegentlich vom sowjetischen Geheimdienst beschattet.

Als Arnulf 1927 eine Stelle als Lehrer in Aussicht hat, übersiedelt die Familie nach Salzburg, seiner Heimatstadt. Sie leben anfangs unter sehr ärmlichen Lebensumständen, welche sich aber verbessern, als der Pustet Verlag sich entschließt, Galinas Tagebücher in Buchform herauszugeben. Sie wurden von ihrem Mann vom Russischen ins Deutsche übersetzt. Besonders „Milchfrau in Ottakring“, wird ein Sensationserfolg.

Die Familie übersiedelt in eine Villa am Giselakai, Arnulf von Hoyer bekommt eine Stelle als Gymnasiallehrer. „Rang und Namen bedeuteten ihr wenig. Vielmehr stand (...) das rein Menschliche im Vordergrund“ stellt Lieselotte v. Eltz-Hoffmann fest. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wird sie aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, ihre Bücher werden verboten - um später als antibolschewistisches Propagandamittel an der Ostfront eingesetzt zu werden. Als im April 1945 ihr einziges Kind in den letzten Kämpfen um Wien von ihren eigenen Landsleuten erschossen wird und ihr Leben im Anbetracht der vorrückenden Roten Armee erneut bedroht ist, flüchtet sie mit ihrem Mann in die Schweiz.

Das nächste Buch „Einer von Vielen“ ist dem Andenken ihres Sohnes gewidmet und schildert die Ereignisse nach der Übersiedlung nach Salzburg 1927 bis zum Tod des Sohnes.

Aus dem Vorwort:

„Dreiundzwanzig Jahre haben wir (...) unser Kind gehegt und gepflegt, haben es vor allem zu bewahren gesucht, was ihm schaden könnte, haben es mit einem Strom von Liebe umgeben, für den es keine Grenzen gab, der unsere Herzen ganz erfüllte. Nun ist unser Kind tot, weil es in einer Welt sein musste, in der Hass stärker ist, als die Liebe, und uns, seinen Eltern, ist der eigentliche Sinn ihres Erdendaseins für immer genommen.“

Alja Rachmanowa: Einer von Vielen

Arnulf von Hoyer schreibt 1946 in einem Brief an Freunde in Salzburg: „Es ist für uns natürlich sehr traurig, dass wir immer wieder von vorne anfangen müssen und wir sind, offen gestanden schon s e h r müde. Das Alleinsein, ohne unser einziges Kind, fällt uns sehr schwer und das Heimweh macht uns das Leben auch nicht leichter“.

Die Hoyers beziehen in Ettenhausen im Kanton Thurgau in der Nähe von Winterthur ihren Alterswohnsitz. Die Schriftstellerin verfasst in ihrem Alterswerk Romanbiographien über Schriftsteller ihrer Heimat, die wie immer von ihrem Mann ins Deutsche übersetzt werden. Nach dessen Tod ist Alja Rachmanowa auf die liebevolle Pflege einer Nachbarin angewiesen. Sie überlebt ihren Mann um zwanzig Jahre und stirbt am 11. Februar 1991 im 93. Lebensjahr in Ettenhausen. Am Salzburger Kommunalfriedhof finden sie und die Ihren ihre letzte Ruhestätte. Ihre Bücher erreichten eine Gesamtauflage von über zwei Millionen[1] und sind Dokumente einer bewegten Zeit und legen ergreifendes Zeugnis ab, wie ein Leben, das mit ihren eigenen Worten „voll von Heimsuchungen und Katastrophen“ war, dennoch gemeistert werden kann.

Einzelnachweis

  1. Munzinger Archiv

Quellen

  • Milchfrau in Ottakring, Vorwort von Dietmar Grieser, 1997, Amalthea. Der Rückseite des Einbandes ist auch die Kopie der Gedenktafel entnommen (Foto Votava).
  • So war es in Salzburg, Johanna Schuchter, 1976, Verlag der Salzburger Druckerei.
  • Salzburger Frauen, Lieselotte v. Eltz-Hoffmann, 1997, Colorama Verlag. Diesem Buch entstammt das große Portraitfoto mit Kopftuch, das im MCA archiviert ist.
  • Der Salzburger Kalender 1995, hrsg. von Eva Maria Schalk, Ilse Stahr, Unipress Verlag. Familienfoto.

Weblinks



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