Hauptkomponente (Astronomie)

Hauptkomponente (Astronomie)
Zwei Sterne umkreisen das gemeinsame Baryzentrum auf Kreisbahnen.
Zwei Sterne umkreisen das gemeinsame Baryzentrum auf elliptischen Bahnen. Bei unterschiedlichen Massen bewegt sich der massivere Stern auf einer entsprechend kleineren Ellipse.

Ein Doppelstern (auch Doppelsternsystem) besteht aus zwei Sternen, die scheinbar oder tatsächlich am Himmel nahe beisammen stehen. Wenn sie gravitativ aneinander gebunden sind, bewegen sie sich periodisch um ihren gemeinsamen Schwerpunkt (siehe auch Kepler-Gesetze). Bei dieser gegenseitigen Umkreisung hat also jeder Stern seine eigene Bahn. Die Bewegung ist nicht notwendigerweise kreisförmig, und auch die Bahngeschwindigkeiten und der Abstand zwischen den beiden Sternen sind nicht notwendigerweise konstant, wie die zweite der nebenstehenden Animationen verdeutlicht.

Analog besteht ein Mehrfachstern (auch Mehrfachsystem oder Mehrfachsternsystem) aus drei oder mehr Sternen.

Etwa die Hälfte aller Sterne unserer Milchstraße sind Doppel- und Mehrfachsternsysteme, was mit den physikalischen Bedingungen bei der Sternentstehung zusammenhängt.

Inhaltsverzeichnis

Typen von Doppelsternen

Man unterscheidet folgende Arten von Doppelsternen:

  • Optische Doppelsterne (scheinbare Doppelsterne): zwei Sterne, die von der Erde aus in fast gleicher Richtung am Himmel erscheinen, die sich aber gravitativ nicht gegenseitig beeinflussen. Bekannt ist das sehr auffällige Sternpaar α/β Centauri (Entfernung 4,3 und 500 Lichtjahre), das den Südhimmel rings um das „Kreuz des Südens“ so reizvoll macht. Diese Art scheinbarer Doppelsterne – von denen es auch wesentlich enger beisammen stehende gibt – ist zwar für die Astrophysik kaum interessant, wohl hingegen für andere Bereiche der Astronomie wie die Astrometrie (sehr unterschiedliche Eigenbewegung!), die Himmelsfotografie oder einfach das freiäugige Beobachten des Sternhimmels.
Ein weiteres, aber noch nicht völlig geklärtes Beispiel ist der „Augenprüfer“ im Sternbild Großer Wagen, bestehend aus den beiden Sternen Mizar (Entfernung 78 Lichtjahre) und Alkor, das sogenannte „Reiterlein“ (Entfernung 80–81 Lichtjahre, und in der Mitte der „Deichsel“ des Sternbilds Großer Wagen). Diese beiden Sterne haben mit etwa 3 Lichtjahren einen Abstand, der weit über die Größe des Sonnensystems hinausgeht (6 Lichtstunden bis zum Pluto) und eher schon mit der Distanz zu unseren Nachbarsternen Proxima und α Centauri vergleichbar ist.
Ob die beiden ein gravitativ gebundenes Doppelsternsystem bilden, ist wegen der aufwändigen Messtechnik noch nicht ganz geklärt. Alkor nähert sich zwar dem größeren Mizar-Sternsystem, doch ist die relative Geschwindigkeit für dauerhafte Nähe möglicherweise zu groß (→ Hyperbelbahn). Im positiven Fall betrüge die gegenseitige Umlaufzeit etwa 1 Million Jahre. Der Doppelstern Mizar/Alkor ist bei normalem Sehvermögen gut mit bloßen Augen zu trennen – das „Reiterlein“ (etwa 2 Stufen schwächer) sitzt Mizar 0,19° nördlich auf.
  • Physische Doppelsterne oder Doppelsternsysteme: zwei Sterne, die aufgrund ihrer räumlichen Nähe gravitativ gebunden sind und sich nach den Kepler’schen Gesetzen um einen gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. Die meisten physischen Doppelsternsysteme haben sich bereits während der Sternentstehung gebildet. Andere haben sich erst später durch Einfang unter Einwirkung mindestens eines weiteren Sterns zu einem gebundenen Doppelsternsystem vereint. Eingefangene Doppelsterne haben in der Regel aufgrund ihrer voneinander unabhängigen Entstehung unterschiedliche Alter und Metallizitäten.
  • Geometrische Doppelsterne (räumliche Doppelsterne): Sterne, die einander räumlich nahe sind, aufgrund ihrer hohen Relativgeschwindigkeiten jedoch nicht aneinander gebunden sind und eine gemeinsame hyperbolische Bahn um ihren gemeinsamen Schwerpunkt beschreiben. Es handelt sich hierbei um das einmalige Ereignis einer Sternbegegnung, die beiden Sterne bilden also nur für eine begrenzte Zeit einen (geometrischen) Doppelstern und treffen sich danach möglicherweise nie wieder.
Ein mögliches Beispiel für einen geometrischen Begleiter ist Proxima Centauri, der mit Alpha Centauri eventuell nur ein geometrisches Doppelsystem bildet, wobei Alpha Centauri seinerseits ein physischer Doppelstern ist. Daten der Position und Relativgeschwindigkeit nach Hipparcos und Gliese liefern eine im Vergleich zur Fluchtgeschwindigkeit um ein Vielfaches höhere Relativgeschwindigkeit von Proxima zu den Hauptkomponenten, wonach Proxima nicht an Alpha Centauri gebunden sein kann.

Im Folgenden werden die physischen Doppelsterne behandelt.

Eigenschaften

Künstlerische Darstellung eines Doppelsternsystems. Ein schwarzes Loch, der Überrest eines ehemals massereichen Sterns, akkretiert Gas der Atmosphäre seines Partners.

Über die Hälfte aller Sterne im Universum sind Teil eines Doppelsternsystems. Je nach Abstand der Sterne voneinander liegen die Umlaufzeiten von Doppelsternsystemen zwischen einigen Stunden (bei sehr nahen Sternen) oder vielen tausend Jahren. Der Abstand kann auch so gering sein, dass die Roche-Grenze unterschritten wird, sodass die beiden Sterne in materiellem Kontakt stehen oder Materie von einem zum anderen Stern strömen kann. Die Bedeutung der Doppelsterne für die Astronomie liegt darin, dass in ihrem Fall die Chance besteht, mit Hilfe der Kepler'schen Gesetze die Masse, den Durchmesser und die Dichte von Sternen zuverlässig zu ermitteln.

Der hellere der beiden Sterne eines Doppelsternsystems wird Hauptstern (oder Hauptkomponente) genannt und mit dem Buchstaben A bezeichnet, der lichtschwächere ist Begleiter und wird mit B bezeichnet.

Mehrfachsterne

Ein physisches System aus mehr als zwei Sternen wird Mehrfachstern genannt.

Meist entdeckt man Mehrfachsterne zunächst als Doppelstern. Die oft unsichtbaren Begleiter machen sich dann als Störungen der anderen Komponenten des Systems bemerkbar.

Mehrfachsterne bestehen aus Untersystemen, die stets paarweise angeordnet sind. Die Untersysteme bestehen ihrerseits wieder aus Einzel- oder Doppelsternen.

Beispiele für Mehrfachsterne sind:

  • 3 Komponenten
    • η Orionis: ein spektroskopischer Doppelstern mit einem fernen Begleiter, Umlaufzeit des Doppelsterns 8 Tage, des Begleiters um den Doppelstern 3470 Tage.
  • 4 Komponenten
    • ξ Ursae Majoris: erscheint als Doppelstern mit einer Umlaufzeit von 59,6 Jahren, jede Komponente enthält aber nochmals ein Doppelsternsystem (mit Umlaufzeiten von 4 und 699 Tagen).
    • AB Doradus: erscheint als Doppelstern mit einer Umlaufzeit von 1600 Jahren, jede Komponente enthält aber nochmals ein Doppelsternsystem (mit Umlaufzeiten von einem und zweieinhalb Jahren).
  • 5 Komponenten
  • 6 Komponenten

Einteilung nach Beobachtungsmöglichkeit

Man kann Doppelsterne nach der Beobachtungsmöglichkeit einteilen:

  • Visuelle Doppelsterne
  • Spektroskopische Doppelsterne
  • Photometrische Doppelsterne (sie bilden eine Untergruppe der spektroskopischen Doppelsterne)
  • Astrometrische Doppelsterne (Sterne mit unsichtbarem Begleiter)

Visuelle Doppelsterne

Visuelle Doppelsterne eignen sich gut, um das Auflösungsvermögen eines Fernrohrs zu bestimmen. Dazu wählt man eine Reihe von Doppelsternen mit jeweils etwa gleich hellen Sternen, deren Winkelabstand abnimmt. Nach Beobachtung mit einem gegebenen Gerät kann man feststellen, ab welchem Winkelabstand die Sterne nicht mehr getrennt wahrgenommen werden können.

Spektroskopische Doppelsterne

Spektroskopische Doppelsterne sind optisch nicht mehr zu trennen und werden über Anomalien des Spektrums als solche erkannt. Entweder überlagern sich die Spektren beider Sterne und bilden aufgrund unterschiedlichen Spektraltyps ein zusammengesetztes Spektrum. Ist der Helligkeitsunterschied beider Sterne größer als eine Größenklasse, so überstrahlt das Spektrum des Hauptsterns das Spektrum des Begleiters. Jedenfalls zeigen periodische Verschiebungen der Spektrallinien infolge der periodisch veränderten Radialgeschwindigkeit der Sterne um den gemeinsamen Schwerpunkt (Dopplereffekt) an, dass es sich um ein Doppelsternspektrum handelt.

Photometrische Doppelsterne

Animation eines bedeckungsveränderlichen Doppelsterns mit resultierender Lichtkurve.[1][2]

Sie sind Bedeckungsveränderliche und verraten ihren Doppelsterncharakter durch periodischen Wechsel der Helligkeit. Die Bahnebene der Komponenten fällt also in die Sichtlinie zum Beobachter, sodass sich beide Sterne periodisch verdecken. Dieser Helligkeitswechsel lässt sich mit photometrischen Methoden messen.

Astrometrische Doppelsterne

Die astrometrischen Doppelsterne verraten ihre Natur infolge periodisch veränderter Positionen relativ zu anderen Sternen in der Sichtlinie. Diese Positionsänderungen überlagern sich der Eigenbewegung des beobachteten Sterns und werden durch den Umlauf um einen gemeinsamen Schwerpunkt mit einem nicht sichtbaren Begleiter verursacht. Mit dieser Methode werden auch extrasolare Planeten gefunden.

Entstehung

Mit dem Drehimpuls einer gravitativ kollabierenden interstellaren Wolke steigt auch die Wahrscheinlichkeit für die Bildung eines Doppelsternsystems anstelle eines Einzelsterns. Man vermutet heute, dass Sterne in größeren Wolken („Brutgebiete“) gruppenweise entstehen. Es besteht dabei eine große Wahrscheinlichkeit, dass solche nahe beieinander befindlichen Sterne sich zu einem System verbinden.

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass im Rahmen von Drei-Körper-Begegnungen, bei denen ein Stern einen Zuwachs an kinetischer Energie erfährt, die beiden anderen gravitativ gebunden zurückbleiben.

Geschichte

Bereits im Altertum waren Doppelsterne bekannt. Der Sternkatalog des Ptolemäus (um 150 n. Chr.) verzeichnet den Doppelstern ν1 und ν2 Sagittarii: „Der Stern am Auge [des Schützen], der neblig und doppelt ist“. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen physischen Doppelstern.

Die Erfindung des Fernrohrs machte dann die Auflösung von Doppelsternen möglich. Erstmals beschreibt Johann Baptist Cysat 1619 eine entsprechende Beobachtung.

Der Mannheimer Hofastronom Christian Mayer beschreibt ab 1775 Doppelsterne als physikalisch zusammengehörige Objekte, die er „Fixsterntrabanten“ nennt, und veröffentlicht 1779 den ersten Doppelsternkatalog. In den folgenden Jahren ist auch die Bezeichnung „Doppeltstern“ gebräuchlich. Wilhelm Herschel bestätigt die Existenz physischer Doppelsterne um 1800 und führt den in der Astronomie gebräuchlichen Fachbegriff binary star ein. Für das Sternpaar 61 Cygni berechnete Friedrich Wilhelm Bessel 1812 erstmals eine Sternparallaxe.

Planeten in Doppelsternsystemen

Auch in Doppelsternsystemen kann es Planeten geben. Es gibt dabei zwei Typen von Planetenbahnen: Planeten vom "S-Typ" umkreisen nur einen der beiden Sterne und werden vom anderen Stern praktisch nicht beeinflusst, da der andere Stern zu weit entfernt und/oder zu massearm ist. Planeten vom "P-Typ" umkreisen beide Sterne weit außen, so als ob sie ein einziger Stern wären. Je nach Konstellation der Sterne gibt es Zonen für S- und P-Typen von Planeten.[3] Es wurden in den letzten Jahren bereits einige Exoplaneten in Doppelsternsystemen entdeckt, und unser nächster Doppelstern, Alpha Centauri, gilt sogar als potentieller Kandidat für Planeten, die theoretisch Leben beherbergen könnten.[4]

Siehe auch

Doppelsternkataloge

Visuelle Doppelsterne

  • H. M. Jeffers u. a.: Index Catalogue of Visual Double Stars 1961.0 (IDS)
  • S. W. Burnham: General Catalogue of Double Stars. (BDS)
  • B. D. Mason, G. L. Wycoff, W. I. Hartkopf: Washington Double Star Catalog 2006.5 (WDS)

Spektroskopische Doppelsterne

  • R. E. Wilson: General Catalogue of Stellar Radial Velocities (Publ. Carnegie Inst., Washington 1953)

Photometrische Doppelsterne

Viele dieser Doppelsterne werden in dem Katalog für Veränderliche Sterne geführt.

  • H. Schneller: Geschichte und Lichtwechsel der veränderlichen Sterne (Berlin 1963, 2. Ausg.)
  • F. B. Wood: A Finding List for Observers of Eclipsing Variables (Univ. of Pennsylvania 1963, 9 Bde.).

Anmerkungen

  1. D. Gossman, Light Curves and Their Secrets, Sky & Telescope (October 1989, p.410)
  2. Eclipsing Binary Simulation, Cornell Astronomy
  3. Siehe z.B. Stability of planetary orbits in double stars
  4. P.A. Wiegert and M.J. Holman: The stability of planets in the Alpha Centauri system. In: The Astronomical Journal. 113, 1997, S. 1445 – 1450

Literatur

  • James Mullaney: Double and multiple stars and how to observe them. Springer, New York 2005, ISBN 1-85233-751-6
  • D.Vanbeveren, (et al.): The brightest binaries. Kluwer, Dordrecht 1998, ISBN 0-7923-5155-x
  • Kam-Ching Leung: New frontiers in binary star research. Astronomical Soc. of the Pacific, San Francisco 1993, ISBN 0-937707-57-0
  • Mirek J. Plavec: Close binary stars - observations and interpretation. Reidel, Dordrecht 1980, ISBN 90-277-1116-X

Weblinks


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