Hebung (Verslehre)

Hebung (Verslehre)

Hebung bedeutet in der Linguistik die Betonung oder Hervorhebung einer Silbe,eines Wortes oder Satzteiles. Analog dazu heißt eine unbetonte Textpassage Senkung.

In Dichtkunst und in der Sprachwissenschaft spricht man auch allgemein von Hebung der Stimme.

Hebung als Satzakzent

Die Hebung der Stimme in der Intonation hat in der Kommunikation verschiedene Bedeutungen:

Im Deutschen fallen die Hebungen grundsätzlich auf Silben, die auch in ungebundener Rede beziehungsweise in der Prosa betont werden – beispielsweise im bekannten Goethe-Zitat

„Es irrt der Mensch, solang er strebt.“

Hebungen am Ende eines Satzes markieren eine Frage.

Daneben setzen Hebungen aber einen Satzakzent, mit bedeutungstragender Funktion. Als Beispiel gilt:

Heute so, und morgen so“ – immer gleich
„Heute so, und morgen so“ – immer anders

Im Chinesischen markieren Hebungen den zweiten (steigenden) und den dritten (fallend-steigenden) Ton, Senkungen den dritten und den vierten (fallenden) Ton. Sie verändern nicht den Inhalt des Satzes, sondern die Interpretation einer Lautung.

Die Hebung als Sprachmaß

Die Hebung ist vor allem im Versmaß von Bedeutung, dessen Rhythmus durch die Betonung einzelner Silben entsteht. Sie erfolgt meistens durch die Lautstärke der Stimme, kann aber auch durch Pausen oder die Stimmhöhe erfolgen – beispielsweise in der Musik oder der Rezitation von Lyrik. Hebungen haben ein primär rhythmisches Element. Am deutlichsten wird dies, wenn man ein Gedicht "herunterleiert", da der Rhythmus eines Gedichts wesentlich durch die Hebungen bestimmt wird.

Durch die Unterscheidung von betonten und unbetonten Silben sind komplexe Versformen möglich, die trotz unterschiedlicher Silbenzahl einen harmonischen Eindruck erwecken, wenn die Anzahl der Hebungen übereinstimmt. Als Hebungsprall werden mehrere unmittelbar aufeinander folgende Hebungen bezeichnet. Eine Verschachtelung, in der sich Zeilen mit einer unterschiedlichen Anzahl von Hebungen abwechseln, ist ebenfalls möglich.

Zur Strukturierung einer Verszeile wird der Versfuß verwendet, der eine Hebung mit ein bis zwei Senkungen kombiniert. Folgt auf eine Senkung jeweils eine Hebung, so bezeichnet man diesen zweisilbig-steigenden Versfuß als Jambus. Folgt umgekehrt auf eine Hebung jeweils eine Senkung, so nennt man diesen zweisilbig-fallenden Versfuß Trochäus. Beim dreisilbigen Versfuß unterscheidet man Daktylus (Hebung am Anfang), Amphibrachys (Hebung in der Mitte) und Anapäst (Hebung am Schluss). Einzige Ausnahme von der Regel, nach der jeder Hebung mindestens eine Senkung folgt, ist der Spondeus, ein Versfuß aus zwei aufeinanderfolgenden Hebungen (Hebungsprall). Der Spondeus ist in der deutschen Sprache jedoch bedeutungslos, da in diesem Sonderfall immer eine Hebung stärker akzentuiert wird.

In griechischer und lateinischer Poetik richten sich Arsis (Hebung) und Thesis (Senkung) nach besonderen Regeln, in welchen es auf die Sprechdauer ankommt. In der Arsis stehen "leichte" Silben, ihr Vokal ist auch in Prosa kurz, und ihm folgt kein oder nur ein Konsonant. In der Thesis stehen "schwere" Silben. Ihr Vokal ist entweder auch in Prosa lang, oder ihm folgen (bis zum nächsten Vokal) zwei oder mehr Konsonanten (Ausnahmen seien dem eigenen Studium vorbehalten).

Beispiel: Ein Merkspruch in griechischen Hexametern zählt die sieben Orte auf, die darum streiten, Homer hervorgebracht zu haben. Die zweite Zeile lautet in prosaischer Betonung:
Smýrna, Rhódos, Kolophón, Sálamis, Íos, Árgos, Athénai.
Poetische Gewichtung abweichend davon wie folgt:
Smýrna, Rhodós, Kolophón, Salamís, Ios, Árgos, Athénai.
Nur in den Wörtern Smyrna, Kolophon, Argos und Athenai stimmt die poetische Gewichtung mit der prosaischen Betonung überein. Poetisch hat Rhodos (abweichend von der prosaischen Betonung) die Thesis auf der zweiten Silbe, weil auf den (in Prosa) kurzen Vokal mehrere Konsonanten folgen. Die zwei a in Salamis sind kurz und gelten deswegen als leicht. Ios besteht nur aus kurzen Vokalen, dem zweiten folgt nur ein einzelner Konsonant, so liefert der Name Ios die zwei leichten Silben des Daktylus.

Wegen der besonderen Bedeutung der Hebung werden Verszeilen häufig nach der Anzahl als zwei-, drei- oder mehrhebig klassifiziert. Gebräuchlich sind zwei- bis sechshebige Metren. Pentameter und Hexameter, zwei klassische sechshebige Versformen, sind allerdings schon der etwas schwereren Kost vorbehalten.

Unsere Dichtkunst hat die Begriffe Hebung und Senkung vom griech. Arsis und Thesis übernommen, doch mit umgekehrter Bedeutung: in der Antike bezeichnete die Hebung des Fußes (Arsis) den leichten Taktteil und Thesis den schweren (guten) Taktteil.


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