Hellwing

Hellwing

Günter Hellwing (* 29. März 1914 in Vormholz im Ennepe-Ruhr-Kreis; † 22. April 1996) war Chef der Staatspolizeileitstelle Marseille, Landtagsabgeordneter, Chef der Kriminalpolizei in Mülheim an der Ruhr und Mitglied im Bundesvorstand der SPD

Inhaltsverzeichnis

Schule, Lehre, Ausbildung und Militärdienst

Nach dem Besuch der Volksschule und des Gymnasiums absolvierte er eine Lehre als Bergmann bei der Hibernia-Bergwerks AG, um dann von 1934 bis 1935 eine Ausbildung zum Kaufmann aufzunehmen. Im Jahre 1933 wurde er Mitglied in der Hitler-Jugend, die er aber 1935 wieder aufgeben musste, weil er in der zweiten Jahreshälfte von 1935 bis 1938 einen Dienst in der Wehrmacht antrat.

Kriminal- und Sicherheitspolizei, SS und SD

Nach der Militärzeit begann er in Recklinghausen im Jahre 1938 seinen Dienst in der Kriminalpolizei als Kriminalkommissar-Anwärter. Gleichzeitig wurde er Mitglied in der NSDAP. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs musste er noch einmal kurz zur Wehrmacht einrücken. Danach besuchte er die Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg. Gegen Ende 1939 erfolgte die Ernennung zum Kriminalkommissar und die Aufnahme als Mitglied der SS. Im folgenden Jahr wurde er Angehöriger des Sicherheitsdienstes (SD) der SS.

Leiter der Kripo in Bottrop und Kriegsende

Im Zeitraum von 1943 bis 1944 leitete er für kurze Zeit als Chef der Gestapo in Marseille die Staatspolizeileitstelle Marseille. Inzwischen war er zum SS-Hauptsturmführer befördert worden. Danach kam er nach Bottrop und übernahm dort die Leitung der Kriminalpolizei. Im März 1945 erhielt er angeblich den Befehl, fünf russische Kriegsgefangene einer Exekution zuzuführen, denen die Straftat der Plünderung vorgeworfen wurde.

Ein dreiköpfiges Kommando, welches er aus seinen Kriminalbeamten zusammenstellte, erschoss vier der fünf Russen am Parkfriedhof in Bottrop. Den fünften erschossen die Beamten auf der Flucht. Alle fünf Leichen wurden in einem benachbarten Bombentrichter zugeschüttet. Mit der Kapitulation des NS-Regimes endete auch sein Polizeidienst. Im Jahre 1947 wurden erstmals durch die Staatsanwaltschaft in Essen Ermittlungen aufgenommen, weil Hellwing am Ende des Krieges einen deutschen Maurer erschossen hatte.

Erste Ermittlungen und Verurteilung zu zwei Jahren Haft

Diese Ermittlungen wurden aber im Mai 1949 ohne Folgen für ihn eingestellt. Doch schon nahm die Kriminalpolizei in Münster Ermittlungen auf, die den Tod der fünf Russen betraf. Dieses Verfahren wurde schließlich an die britische Militärregierung abgetreten. Hellwing bestätigte den Tathergang, gab aber an, den Befehl vom Chef der Sicherheitspolizei (SiPo) in Bottrop erhalten zu haben. Am 28. Februar 1949 wurde Hellwing wegen Anstiftung zum Totschlag durch das Militärgericht in Iserlohn rechtskräftig zu zwei Jahren Haft verurteilt, die er auch absitzen musste.

Wiederaufnahme in die Kripo

Diese Verurteilung führte auch zu einem Eintrag in das Strafregister beim Oberstaatsanwalt in Essen. Im Jahre 1950 wurde er in Bottrop Mitglied der SPD. Bei der Stadtpolizei Gelsenkirchen bewarb er sich gegen Ende 1952 / Anfang 1953 um eine Wiederaufnahme in die Kriminalpolizei. Dieses Verfahren zog sich aber nach eingehender Prüfung von Januar 1953 bis zum 24. November 1953 hin, um dann als Kriminalkommissar wieder seinen Dienst aufzunehmen. Da er noch als Vorbestrafter galt, hätte entsprechend der Rechtslage nach Artikel 131 des Grundgesetzes eine Einstellung als Beamter nicht erfolgen dürfen.

Todesurteil in Frankreich

Mitglied der Gewerkschaft der Polizei wurde er 1953. Im gleichen Jahr wurde er Stadtrat in Bottrop, und dieses Mandat hatte er bis 1959 inne. Ein Militärgericht in Marseille verurteilte ihn am 1. Februar 1954 wegen seiner Funktion als Chef der Gestapo in Marseille zum Tode. In Deutschland wurde aber die Verurteilung als Organisationsdelikt aufgefasst, wobei ein Nachweis einer persönlichen Schuld fehlte. Somit hatte dieses Urteil vorerst keine nennenswerten Folgen für Hellwing. In den Jahren von 1955 bis 1956 und von 1958 bis 1961 leitete er als Vorsitzender den Kreisverband der SPD in Bottrop.

Landtag und Chef der Kripo Mülheim

In den Landes- und Bundesvorstand der SPD rückte er 1958 auf. Vorher schon hatte er es geschafft, im Jahre 1957 bis 1958 im Landtag von Nordrhein-Westfalen ein Mandat zu erlangen. Über seinen Anwalt hatte er 1956 seinen Eintrag im Strafregister löschen lassen. Inzwischen war die Fachabteilung der Polizei in der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr auf ihn aufmerksam geworden und hatte eine Warnung abgegeben. Trotzdem wurde er ohne Einspruch des sozialdemokratischen Innenministers Hubert Biernat zum Kriminalhauptkommissar befördert worden.

Vor 1958 wurde er zum Leiter der Krimalpolizei in Mülheim ernannt. Im Jahre 1959 nahm der Oberstaatsanwalt in Essen erneut die Ermittlungen wegen der Erschießung der fünf Russen auf, stellte 1960 das Verfahren allerdings ein. Im Jahre 1961 endete die Laufbahn des Polizeibeamten abrupt: Hatte er es noch einmal im Oktober 1961 geschafft, über die eine Reserveposition der Landtagsliste der SPD in den Landtag zu kommen, so versetzte ihn der neue Innenminister Josef Hermann Dufhues in den Ruhestand. Auch sein Landtagsmandat endete im Juli 1962.

Referenzen

  • Diether Posser: Politische Strafjustiz aus der Sicht des Verteidigers, Karlsruhe 1961, S. 48, Anmerkung 94
  • Präsident des Landtags Nordrhein-Westfalen: 50 Jahre Landtag Nordrhein-Westfalen - Das Land und seine Abgeordneten. Düsseldorf 1996, S. 264
  • Stefan Noethen: Alte Kameraden und neue Kollegen - Polizei in Nordrhein-Westfalen 1945-1953. Klartext, Essen 2003, ISBN 3-89861-110-8, S. 405-407

Weblinks


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