Henri-Benjamin Constant de Rebecque

Henri-Benjamin Constant de Rebecque
Benjamin Constant

Benjamin Constant, eigentlich Henri-Benjamin Constant de Rebecque (* 25. Oktober 1767 in Lausanne; † 8. Dezember 1830 in Paris) war ein französisch-schweizerischer Schriftsteller, Politiker und Staatstheoretiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Schaffen

Kindheit

Der wie so viele frankophone Autoren zwischen Literatur und Politik pendelnde Benjamin Constant (so sein Name in der Literatur- und Geistesgeschichte) war Abkömmling einer im 16. Jh. in die Schweiz emigrierten Familie französischer Hugenotten. Seine Mutter starb bald nach seiner Geburt und er verlebte (was sicher stark zu seiner offensichtlichen späteren Bindungsunfähigkeit beitrug) eine ziemlich unstete Kindheit und Jugend zunächst bei den Großeltern in der Schweiz, später als Anhängsel seines Vaters, eines offenbar sehr mobilen Berufsoffiziers, in Holland, der Schweiz, dem damals noch österreichischen Brüssel und in England, wobei er mal bessere, mal schlechtere Hauslehrer hatte.

Kavallier

Benjamin Constant de Rebecque

Mit 15 begann er ein Jurastudium in Erlangen, das er drei Semester später in Edinburgh fortsetzte. Zugleich las er viel und begann zu schreiben, verfiel allerdings auch dem Spiel und machte Schulden. Darüber hinaus reiste er oft und hatte früh Liebesaffären. 1786 lernte er bei einem Parisaufenthalt die damals viel gelesene Romanautorin Mme de Charrière (1740–1805) kennen, eine in der Schweiz verheiratete gebürtige Holländerin, die ihm zu einer (zunächst wohl nicht nur platonischen) mütterlichen Freundin wurde und auf deren Landsitz bei Neuchâtel er in den nächsten Jahren häufig kürzer oder länger weilte.

1788 wurde er Kammerherr des Herzogs von Braunschweig und heiratete ein Jahr später die Hofdame Wilhelmine von Cramm. Er hielt es aber nicht lange mit ihr aus, ging oft auf Reisen und reichte schließlich die Scheidung ein, um sich mit einer anderen, ebenfalls noch verheirateten, aber scheidungswilligen Braunschweiger Hofdame zu liieren, Charlotte von Hardenberg (die er jedoch erst 1808, nach mehreren zwischendurch absolvierten Verhältnissen mit anderen Frauen und einer zweiten Ehe ihrerseits heiraten sollte, ohne dass die beiden hiernach glücklich wurden).

1794 begegnete Constant in der Schweiz der ein Jahr älteren Madame de Staël: es war der Beginn einer langen, für beide Seiten nervenaufreibenden Beziehung (aus der 1797 eine Tochter hervorging).

Publizist und Politiker

1795, nach dem Ende der Schreckensherrschaft und der Etablierung des Direktoriums, begleitete Constant Mme de Staël nach Paris und begann sich dort als vielbeachteter politischer Publizist und Redner zu betätigen. Nach dem Staatsstreich Napoleons von 1799 spielte er kurz auch eine aktive Rolle in der hohen Politik, ehe er 1802 kaltgestellt wurde.

Anschließend war er wieder viel unterwegs, u.a. mit Mme de Staël, die er auf Teilen ihrer Deutschlandreise 1803/04 begleitete und die ihn, nachdem sie 1802 verwitwet war, zur Eheschließung drängte, während er sie zwischendurch immer wieder zugunsten neuer und alter Geliebten verließ und sich schließlich (s.o.) sogar ohne ihr Wissen verheiratete.

1814, als nach der Niederlage Napoleons die alte Königsfamilie der Bourbonen zurückgekehrt war und Ludwig XVIII. den Thron bestiegen hatte, publizierte Constant ein Plädoyer für eine konstitutionelle Monarchie. 1815 schloss er sich Napoleon an, als dieser im März unerwartet an die Macht zurückkehrte, und entwarf in seinem Auftrag eine Verfassung für Frankreich. Nach der baldigen endgültigen Niederlage Napoleons (18. Juni) in der Schlacht bei Waterloo (nahe Brüssel) zog Constant es vor, Frankreich zu verlassen und zu reisen.

1817 kehrte er nach Paris und in die Politik zurück. Er wurde in die neue Abgeordnetenkammer gewählt und betätigte sich dort, mehrfach wiedergewählt, als gefürchteter Parlamentsredner und Pamphletist. Zugleich verfasste er bedeutende staats- und verfassungstheoretische Schriften und wurde mit ihnen zum Mitbegründer des Liberalismus, d.h. der Doktrin, dass der Staat sich möglichst wenig in die persönlichen und zumal die wirtschaftlichen Belange seiner Bürger einmischen solle und möglichst viel Initiative und Verantwortung ihnen selbst überlassen müsse. Der Monarch habe lediglich die Rolle einer neutralen Instanz (pouvoir neutre) zu spielen.

Rezeption

Eine vierbändige religionswissenschaftliche Abhandlung, De la religion considérée dans sa source, ses formes et ses développements (1824–31), an der er schon als junger Mann zu arbeiten begonnen hatte, geriet dagegen bald in Vergessenheit.

Seinen Platz in der Literaturgeschichte verdankt Constant vor allem dem erfolgreichen und immer noch gut lesbaren Adolphe (geschrieben 1806/07, gedruckt erst 1816), der offenbar seine eigene fast pathologische Zerrissenheit zwischen Bindungswünschen und Bindungsangst spiegelt und von seiner schwierigen Situation zwischen Charlotte von Hardenberg und Mme de Staël inspiriert ist. Der als ein frühes Meisterwerk des psychologischen Romans geltende Adolphe schildert in Form einer Ich-Erzählung die Geschichte eines jungen Mannes, der eine etwas ältere Frau verführt, sich, als er merkt, dass sie ihn liebt, von ihr zu lösen versucht, dies aber aufgrund der vielen Opfer, die sie ihm bringt, nicht kann, dann aber doch wieder will und sie durch sein unentschlossenes Hin und Her und den schließlichen Verrat in Krankheit und Tod treibt.

Werk

Trotz seiner unsteten Lebensweise schrieb Constant ständig: meistens historiographische und/oder politologische oder politische Schriften und Artikel, 1806/07 aber auch einen autobiografischen Roman, Adolphe (s.u.), sowie 1811 (?) ein erst 1951 wiederentdecktes, ebenfalls autobiografisches Romanfragment, Cécile. 1811 begann er eine Autobiografie mit dem Titel Ma Vie (= mein Leben), die aber nur bis zum Ende seiner Jugendzeit gelangte und erst 1907 aus dem Nachlass als Le Cahier rouge (= das rote Heft) gedruckt wurde. Daneben führte er umfangreiche, offensichtlich nicht für die Veröffentlichung bestimmte Tagebücher (postum publiziert als Journal intime) und eine ebenso umfangreiche Korrespondenz mit vielerlei Briefpartnern. Das Theater reizte ihn weniger; immerhin verfasste er 1807/08 das Drama Wallstein (Druck 1808).

Essais

  • De la force du gouvernement actuel de la France et de la nécessité de s'y rallier (1796)
  • Des réactions politiques (1797)
  • Des effets de la Terreur (1797)
  • Fragments d'un ouvrage abandonné sur la possibilité d'une constitution républicaine dans un grand pays (publiziert 1991 bei Aubier, geschrieben zwischen 1795 und 1810)
  • De l'esprit de conquête et de l'usurpation dans leurs rapports avec la civilisation européenne (1814)
  • Réflexions sur les constitutions, la distribution des pouvoirs et les garanties dans une monarchie constitutionnelle (1814)
  • Principes de politique applicables à tous les gouvernements représentatifs (1815)
  • Mémoires sur les Cent-Jours
  • Cours de politique constitutionnelle (1818-1820)
  • De la liberté des Anciens comparée à celle des Modernes (célèbre discours prononcé en 1819)
  • De la religion considérée dans sa source, ses formes et son développement (1824-1830)
  • Appel aux Nations chrétiennes en faveur des Grecs. (1825)
  • Mélanges de littérature et de politique (1829)
  • Du polythéisme romain considéré dans ses rapports avec la philosophie grecque et la religion chrétienne (1833)

Belletristik

  • Adolphe (1816) (Roman)
  • Le Cahier rouge (1907) (Autobiografie)
  • Wallstein (1808) (Drama)
  • Cécile (1851) (Romanfragment)

Briefe zur Affaire Wilfrid Regnault

  • Lettre à M. Odillon-Barrot, avocat en la Cour de Cassation, sur l'affaire de Wilfrid Regnault, condamné à mort (1818, puis publié chez P. Plancher en 1819)
  • Deuxième lettre à M. Odillon-Barrot, avocat en la Cour de Cassation, sur l'affaire de Wilfrid Regnault, condamné à mort (1818, puis publié chez P. Plancher en 1819)
  • De l'appel en calomnie de M. le marquis de Blosseville, contre Wilfrid-Regnault (1818, puis publié chez P. Plancher en 1819)

Literatur

  • Norbert Campagna: Benjamin Constant. Eine Einführung, Berlin 2003. ISBN 3-930450-85-2
  • Florian Weber: Benjamin Constant und der liberale Verfassungsstaat. Politische Theorie nach der Französischen Revolution, 2004. ISBN 978-3-531-14407-8

Weblinks


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