Herbert Gille

Herbert Gille
Gille im Frühjahr 1944, Aufnahme der Propagandakompanie

Herbert Otto Gille (* 8. März 1897 in Gandersheim; † 27. Dezember 1966 in Stemmen, Niedersachsen) war ein SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Herbert Gille wurde 1897 als vierter Sohn eines Fabrikanten geboren. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr gehörte der dem Königlich Preußischen Kadettenkorps zu Bensberg am Rhein an. Nachdem er 1914 zur Hauptkadettenanstalt Berlin-Lichterfelde versetzt und dort ausgemustert wurde, trat er als Fähnrich in das 2. Badische Feldartillerie-Regiment Nr. 30 in Rastatt ein. Nach Kriegsausbruch wurde er zum neu aufgestellten Reserve-Feldartillerie-Regiment Nr. 55 versetzt, mit dem er im Dezember 1914 in den Kriegseinsatz zog. Im Januar 1915 wurde er zum Leutnant befördert und übernahm nach der Auflösung des Res.FAR 55 eine Batterie in seinem alten Regiment. Als Batterieführer erhielt er das Eiserne Kreuz II. und I. Klasse und wurde zum Oberleutnant befördert. Im März 1919 nahm er seinen Abschied von der Vorläufigen Reichswehr und war zunächst in der Landwirtschaft, ab 1929 als Autohändler tätig.

1927 verlobte sich Gille mit Sophie Charlotte Mennecke, die er am 4. Januar 1935 heiratete. Am 9. Oktober 1935 wurde seine einzige Tochter geboren. Der Aufforderung des SS-Sippenamts, einen Ahnennachweis bis ins Jahr 1750 zu erbringen, missachtete Gille, womit er als einer der wenigen SS-Führer über keinen „Ariernachweis“ verfügt.

SS-Laufbahn

Im November 1930 trat er mit der Mitglieds-Nummer 537337 in die NSDAP ein und wurde im Dezember 1931 als 39.854. Mitglied in die Allgemeine SS aufgenommen, wo er im Januar 1933 die Motorstaffel der 49. SS-Standarte in Braunschweig anführte. Am 20. April 1933 zum SS-Sturmführer befördert übernahm er das Kommando über die SS-Standarte und wurde in eine Intrige zum Sturz der braunschweigschen Regierung verwickelt, weshalb er am 20. Juli 1933 aus Partei und SS ausgeschlossen wurde. Ein Verfahren vor dem Parteigericht der NSDAP erreichte jedoch seine Wiederaufnahme in Partei und SS und am 9. April 1934 wurde er als überzähliger SS-Führer z.b.V. zur 49. SS-Standarte versetzt. Gille, der die Aufnahme in die Reichswehr angestrebt hatte, schloss sich der am 14. Dezember 1934 aufgestellten SS-Verfügungstruppe an und übernahm am 17. Mai 1935 als SS-Obersturmführer die Verantwortung für die 11. Kompanie der SS-Standarte 2 „Deutschland“ in Ellwangen. Nach dem Besuch eines Lehrgangs an der Infanterieschule Döberitz kam Gille zum SS-Regiment „Germania“ in Arolsen wo er am 15. Februar das Kommando über das II. Bataillon erhielt. Anlässlich des 48. Geburtstages Adolf Hitlers wurde Gille am 20. April 1937 zum Sturmbannführer befördert.

Zweiter Weltkrieg

Am 1. Juni 1939 wurde Gille mit der Aufstellung einer Artillerie-Abteilung für die SS-Verfügungsdivision betraut, nachdem er im Frühjahr 1939 an einem Artillerie-Lehrgang in Jüterbog teilgenommen hatte. Als Abteilungskommandeur der I. Abteilung des Artillerie-Regiments der Verfügungsdivision nahm Gille am Polen- und am Westfeldzug teil, wo er die Spange zu seinen Eisernen Kreuzen aus dem Ersten Weltkrieg erwarb. Nachdem der von SS-Obergruppenführer Felix Steiner geführten SS-Division Wiking im November 1940 ein Artillerieregiment zugestanden wurde, übernahm Gille am 30. Januar 1941 im Range eines SS-Standartenführers das Kommando über dasselbige, mit dem er am Überfall auf die Sowjetunion teilnahm.

Am 1. Oktober 1941 wurde Gille zum SS-Oberführer befördert und erhielt am 28. Februar 1942 für seine Verdienst in den Rückzugsgefechten auf die Mius-Stellung das Deutsche Kreuz in Gold. Als Führer einer Vorausabteilung trug er zur Eroberung Rostows am 23. Juli 1942 bei und ermöglichte die Überquerung des Kubans. Daraufhin erhielt er am 28. Oktober 1942 das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes. Kurze Zeit später übernahm er das Kommando der SS-Division Wiking an der Ostfront.

Beim Versuch, die belagerte deutsche 6. Armee in Stalingrad zu entsetzen, gelang es Gilles Division mit Mühe, die Südflanke der 4. Panzerarmee zu decken und den Rückzug auf den Don zu sichern, den die Division Wiking am 5. Februar 1943 erreichte. In Rostow übernahm Steiner wieder den Befehl über die Division, und Gille, der am 1. Dezember 1942 zum SS-Brigadeführer und Generalmajor der Waffen-SS befördert worden war, fungierte als sein Stellvertreter.

In den Rückzugsgefechten nach der gescheiterten Offensive bei Kursk zeichnete sich Gille, der seit dem 1. Mai 1943 erneut die Wiking-Division kommandierte, wiederum durch seine Leistungen aus, die einen geordneten Rückzug ermöglichten und wurde mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichnet.

Im Spätjahr 1943 wurde Gilles Division die Sicherung des Dnjeprs bei Tscherkassy übertragen. Gilles schonungsloser Verteidigungskampf führte zum Verbluten ganzer Kompanien. Beim Versuch, eingedrungene Einheiten der Roten Armee zu vertreiben, wurden zwei Bataillone aufgerieben und ein Regimentskommandeur getötet. Trotzdem wurde Gille am 9. November 1943 zum SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Waffen-SS befördert. Als während der Korsun-Schewtschenkiwskyjer Operation Ende Januar 1944 sowjetische Truppen südwestlich von Kiew durchbrachen, wurden zwei deutsche Armeekorps (XI. und XXXXII. AK) mit neun Divisionen und 54.000 Mann, darunter auch die Wiking-Division, eingekesselt. Nach drei Wochen gelang unter der Führung des Generals der Artillerie Wilhelm Stemmermann der Ausbruch von etwa 35.000 Mann aus dem Kessel, wobei schwere Waffen und Ausrüstung sowie eine Vielzahl an Verwundeten zurückgelassen wurden. Lediglich die Division Wiking und die ebenfalls eingeschlossene Sturmbrigade Wallonien waren noch als geschlossene Einheiten erkennbar. Am 19. Februar 1944 erhielt Gille im Führerhauptquartier von Hitler die Schwerter zum Eichenlaub des Ritterkreuzes. Gleichzeitig begann sich die Lage in Kowel, das nur von schwachen deutschen Truppen gehalten wurde, zuzuspitzen. Am 16. März 1944 ließ sich Gille nach Kowel einfliegen, um die dort eingeschlossenen Truppen selbst zu befehligen. Nachdem ein Entsatzangriff am 4. April 1944 endlich eine Verbindung zu den deutschen Linien geschaffen hatte, begann am 5. April die zweitägige Evakuierung des Kessels durch einen „Flaschenhals“, der von der 131. Infanterie-Division, der 4. und 5. Panzer-Division und der SS-Division Wiking gehalten wurde. In dieser Zeit wurden 2.000 Verwundete und alle Kettenfahrzeuge in Sicherheit gebracht. Für die Verteidigung von Kowel erhielt Gille am 19. April 1944 von Hitler die Brillanten zum Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern verliehen.

Während die Division Wiking aufgefrischt wurde, erhielt Gille am 8. August 1944 beim Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte, das Kommando über das neu gebildete IV. SS-Panzer-Korps, mit dem er den sowjetischen Angriff auf Warschau aufhalten konnte. Für seine Abwehrerfolge wurde Gille am 9. November 1944 zum Obergruppenführer und General der Waffen-SS befördert.

Zum Entsatz des von der Roten Armee eingeschlossenen Budapest wurde Gilles IV. SS-Panzerkorps an Heiligabend 1944 nach Ungarn verlegt. Der Entsatzangriff, der am Neujahrstag 1945 begann, blieb aber bereits nach wenigen Tagen aus Mangel an Treibstoff und Munition stecken. Ein zweiter Versuch wurde 20 km vor Budapest gestoppt, weil die deutschen Spitzen abgeschnitten zu werden drohten. Zwischen dem Befehlshaber der Armeegruppe, General der Panzertruppe Hermann Balck, und Gille kam es später zum Streit darüber, ob ein weiterer Vorstoß möglich gewesen wäre. Balck äußerte die Vermutung, dass Gille von Heinrich Himmler zum „Retter von Budapest“ aufgebaut werden sollte.

Bis April 1945 versuchte die Armeegruppe Balck wiederholt, die sowjetischen Vorstösse zu stoppen und die Rote Armee zurückzuschlagen, während die Reserven immer weiter schwanden. Als sich Gille mit seinem Korps nach Norden abzusetzen versuchte, geriet er in die Rückzugswege des III. Panzerkorps. Durch die von Gille geräumte Verteidigungsstellung stieß ein sowjetisches Panzerkorps in Richtung Graz vor, das nur durch Kampfgruppen u. a. von der 14. Waffen-Grenadier-Division der SS (galizische Nr. 1) gestoppt werden konnte. Am 7. Mai setzte sich Gilles mit seinem Korps nach Kärnten in Marsch, wo er sich am 8. Mai 1945 bei Radstadt in amerikanische Kriegsgefangenschaft begab.

Nachkriegszeit

Bis Juni 1946 wurde Gille im sogenannten Kriegsverbrecherlager Stuttgart-Zuffenhausen interniert, wo er Lagerführer war, bevor er im Juni 1946 nach Nürnberg überführt wurde, wo jedoch auf seine Aussage im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher verzichtet wurde. Am 21. Mai 1948 wurde er entlassen und konnte zu seiner Familie nach Stemmen zurückkehren.

Als Angehöriger einer verbrecherischen Organisation wurde Gille im Rahmen der Entnazifizierung im April 1949 zu einer Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren verurteilt, die jedoch vom Berufungsgericht aufgehoben wurde. Gille wurde als entlastet in die Kategorie V eingewiesen.

In der Folgezeit betrieb Gille einen Versandbuchhandel und gab den „Wiking-Ruf“ heraus, der die Auffassung propagierte, dass die Angehörigen der Division Wiking zum „Schutz des Abendlandes“ gegen den „nihilistischen Kollektivismus“ gekämpft hätten.

Nach Angaben des britischen Geheimdienstes gehörte er 1950 zur „Bruderschaft“, einer Vereinigung von Altnazis rund um den Exgauleiter Karl Kaufmann, die die junge Bundesrepublik Deutschland unterwandern wollte.[1] Das Nachrichtenblatt der Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS (HIAG) wurde von ihm gegründet und sowohl redaktionell als auch verlags- und vertriebstechnisch bis 1958 geleitet.

Am 26. Dezember 1966 starb Herbert Otto Gille an den Folgen eines Herzinfarkts.

Auszeichnungen

Literatur

  • Franz W. Seidler: Herbert Gille. Der unpolitische Soldat. In: Ronald Smelser, Enrico Syring (Hrsg.) Die SS. Elite unter dem Totenkopf. 30 Lebensläufe. Ferdinand Schönigh, Paderborn 2000.

Einzelnachweise

  1. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 184–185, Quelle BA N 1080/272.
  2. Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.335
  3. Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.335



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