- Hercules Motorräder
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Hercules ist eine deutsche Fahrradmarke. Der ehemals selbstständige und ursprünglich in Nürnberg ansässige, Fahrrad-, Moped- und Motorradhersteller ist heute eine zur Accell Group gehörende Fahrradmarke mit Sitz in Schweinfurt. Die Nürnberger Produktionsstätten wurden von der Motorradfirma Sachs Bikes übernommen, aber 2004 aufgegeben. Hercules-Fahrräder werden seit 2003 im ungarischen Toszeg (Kleingebiet Szolnok) gebaut.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das Unternehmen wurde von Carl Marschütz (*1863 in Burghaslach, †19. April 1957 in Los Angeles) am 5. April 1886 als Velozipedfabrik Carl Marschütz & Co. in der Nürnberger Bleichstraße gegründet. Nachdem der Bruder des Gründers, Heinrich Marschütz, als kaufmännischer Leiter in das Geschäft eintrat, firmierte es ab 1887 als Nürnberger Velozipedfabrik Hercules. Das Unternehmen wuchs schnell. Schon 1888 musste die Produktion aus Platzgründen in die Fürther Straße 61 umziehen. 1890 beschäftigte man noch 75 Mitarbeiter, die 1000 Fahrräder herstellten, vier Jahre später waren es bereits doppelt so viele, die 4700 Fahrräder produzierten. 1895 konnte man ein neu errichtetes Firmengelände in der Fürther Straße 191-193 beziehen. 1896 beschäftigte man ca. 250 Arbeiter und produzierte 6500 Fahrräder. 1897 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
Wurden in den ersten Jahren ausschließlich Fahrräder produziert, wurden ab 1905 auch Motorräder produziert, aber schon 1907 wieder eingestellt. Seit 1928 lohnte es sich wieder, Motorräder zu bauen, da in Deutschland für Motorräder unter 200 cm³ die Führerscheinpflicht und die Steuerpflicht wegfiel.
Hercules hatte bis dahin für Motorräder keine Motoren hergestellt, sondern immer Fremdmotoren eingebaut. Als man 1930 bei Fichtel & Sachs in Schweinfurt begann, auch Motoren zu fertigen, fanden diese sofort auch bei Hercules Verwendung. Hercules etablierte sich im Marktsegment der leichten Motorräder bis 200 cm³ und der Fahrräder mit Hilfsmotor. Die Zusammenarbeit mit Fichtel & Sachs war im Fahrradsegment schon seit Anfang des Jahrhunderts u. a. wegen der Torpedo-Freilaufnabe sehr eng.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Hercules-Werk durch Bombenangriffe zu 75 Prozent zerstört. Die verbliebenen Werkzeuge und Maschinen wurden von den Amerikanern der Demontage unterstellt und ins Ausland verkauft. Die Fahrradproduktion konnte sehr bescheiden erst 1946 wieder aufgenommen werden. Seit 1949 wurden auch wieder Motorräder hergestellt. Neuer Eigentümer von Hercules wurde die Dresdner Bank. 1956 kaufte Max Grundig Hercules. 1958 kaufte Fichtel & Sachs Hercules über Strohmänner auf. Da Motoren von Fichtel & Sachs auch von Konkurrenzfirmen verwendet wurden, blieb diese Eingliederung von Hercules in den Sachs-Konzern bis 1962/1963 geheim. 1965 kaufte Fichtel & Sachs auch die Zweirad-Union (DKW, Express und Victoria), in deren Werk in der Nürnberger Nopitschstraße 70 zunächst die Mofaproduktion von Hercules umzog, und kaufte später die gesamte Firma. Seit dieser Zeit verwendete Hercules im Ausland, wenn der Markenname "Hercules" nicht verwendet werden durfte, auch die Verkaufsbezeichnungen "Sachs" oder "DKW". 1993-1996 verkaufte Hercules unter eigenem Namen von Peugeot hergestellte Roller.
Der Fichtel & Sachs-Konzern wurde 1987-1991 vom Mannesmann-Konzern übernommen. Die Fahrrad-Sparte von Hercules wurde zusammen mit dem Markennamen "Hercules" 1995/1996 an die holländische Atag Cycle Group verkauft, die Produktion von Fahrrädern in Nürnberg wurde damit beendet. 1997/98 wurde auch die Produktion von Motoren bei Fichtel & Sachs eingestellt. Die ehemalige Motorrad-Produktion von Hercules wurde in "Sachs Fahrzeug- und Motorentechnik" umbenannt und 1998 an die holländische Whinning Wheels Group (Koch-Kleeberg-Gruppe) verkauft. 2001 kaufte eine Gruppe Hercules-Manager die Reste der Firma, die sich seither Sachs Bikes nennt. 2004 wurde der Produktionsstandort in der Nopitschstraße geräumt, produziert wird seither überwiegend in China unter Verwendung von Honda-Motoren. Im Nürnberg befinden sich nur noch die Entwicklung und der Vertrieb.
LKW-Produktion
Ab 1898 entwickelte Hercules auch LKW-Elektrofahrzeuge. Ab 1905 wurden Lastkraftwagen mit Verbrennungsmotoren in dem Betrieb mit 250 Beschäftigten produziert. Das Unternehmen baute Lieferwagen bzw. LKW von 1,5 – 3 t Nutzlast mit eigenentwickelten Motoren. Ab 1912 stellte es auch LKW mit Ketten- und Kardanantrieb her. Nach dem ersten Weltkrieg hatte die LKW-Produktion wenig Erfolg, und der LKW-Bau musste im Jahr der Wirtschaftskrise 1928 eingestellt werden [1].
Ära der Mopeds, Mokicks und Kleinkrafträder
In den 1960er und 1970er Jahren war Hercules im deutschen Markt der leichten Krafträder sehr bekannt und erfolgreich. Das Modellprogramm begann bei 50-cm³-Mopeds und -Mofas, ging über zweisitzige Mokicks und Kleinkrafträder bis hin zu leichten Motorrädern mit 100 cm³ und 125 cm³.
1963 wurden die Hercules-Werke vom Konzern Fichtel und Sachs übernommen. 1965 übernahm Hercules die Zweirad Union und produzierte identische oder nur in winzigen Details modifizierte Parallel-Angebote zum eigenen Programm unter den Zweirad-Union-Marken DKW, Express und Victoria.
Das bei Hercules praktizierte Baukasten-Prinzip bedeutete die Produktion nur weniger Grundtypen unter Verwendung von Motoren des Mutterkonzerns Fichtel & Sachs. Klassisch gab es zunächst gebläsegekühlte Mopedmotoren mit Tretkurbeln oder Kickstarter, die mit Zweigang- und Dreigang-Ziehkeilgetrieben für den Antrieb von Mopeds und Mokicks dienten, und leistungsgesteigerte Drei- und Viergangmotoren zum Antrieb der Kleinkrafträder ohne Geschwindigkeitsbeschränkung.
Mit einem neuen fahrtwindgekühlten Grundmotor von 2,9 PS Höchstleistung und Dreigang- und Vierganggetriebe mit Kickstarter wurden Mokicks ausgerüstet; der optisch gleiche Motor diente mit verbreitertem Fünfganggetriebe und 5,3 PS den Kleinkrafträdern als Antrieb. Einzig sichtbarer Unterschied war der Vergaserquerschnitt. Zuletzt wurde der Motor mit großen Fächerrippen-Kühlflächen und 6,25 PS angeboten. In jener Zeit wurden Modellvarianten bei den Spitzen-Kleinkrafträdern zwischen Hercules und DKW so aufgeteilt, dass der Hercules-Fahrer die bequeme, weich gefederte Langschwingengabel bekam, der DKW-Fahrer hingegen die härtere, aber in der Optik modernere Teleskopgabel. Bis auf die Abzeichen waren ansonsten die Kleinkrafträder absolut identisch. Mit diesem Hercules-Modell endete auch das Alleinstellungsmerkmal der Earles-Langschwingengabel; diese aufwendige, aber sehr komfortable Konstruktion war später nicht mehr zu bekommen.
Die Hercules Ultra 50 war das erste Kleinkraftrad auf dem Markt mit Doppelscheibenbremse am Vorderrad. Die letzte Ausführung wurde auch mit Wasserkühlung und 6-Ganggetriebe hergestellt; sie diente als Ausgangsbasis der nachfolgenden 80-cm³-Leichtkraftradmotoren, die aufgrund gesetzlicher Beschränkungen mit 5 Gängen auskommen mussten.
Leistungslimitierungen für die auf 40 km/h Höchstgeschwindigkeit beschränkten Mopeds und Mokicks wurden in der Serienfertigung vornehmlich mit kleinen Vergaser-Querschnitten erzielt; ein illegaler Vergaser-Umbau eröffnete teils Drehzahlerweiterungen um über 60 % und eine entsprechende Höchstgeschwindigkeit nahe der von Kleinkrafträdern. Solche ungesetzlichen Umbauten führen bei Kontrollen und nach Unfällen zum Entfall der Versicherungshaftung, Regressansprüchen und ggf. zu weiteren Problemen z. B. wegen Fahrens ohne Führerschein oder Fahren ohne Versicherungsschutz.
Parallel wurden im unteren Segment neue Motoren mit waagerechtem Zylinder und Tretkurbeln eingeführt, die die alten Gebläsemotoren ersetzten. Diese Motoren mit Eingang-Fliehkraftautomatik- oder handgeschaltetem Zweigang-Getriebe wurden in Mofas (25 km/h) und Mopeds (40 km/h) verbaut.
Anfang der siebziger Jahre brachte man sogar ein Mofa (E 1 Accu bike) mit Elektroantrieb (750 W bei 3600 U/min.) heraus, dem aber so gut wie kein Erfolg beschieden war.
Im Jahr 2004, als die deutsche Produktion bei Hercules auslief, wurden noch die Mofas Hercules Prima 4/5/ SACHS Prima und das Hercules Optima 50 / SACHS Optima 50 verkauft.
Name Typ Bauzeitraum Zylinder Getriebe Hubraum Leistung Höchst-
geschwindigkeitM5 Mofa 1 2-Gang-Handschaltung 50 cm³ 1 kW (1,36 PS) 25 km/h Prima 2 Mofa 1 1-Gang-Automatik 50 cm³ 1 kW (1,36 PS) 25 km/h Prima 3 Mofa 1 2-Gang-Handschaltung 50 cm³ 1 kW (1,36 PS) 25 km/h Prima 4 Mofa 1 1-Gang-Automatik 50 cm³ 1 kW (1,36 PS) 25 km/h Prima 5 s Mofa 1 2-Gang-Handschaltung 50 cm³ 1 kW (1,36 PS) 25 km/h Prima GT Mofa 1 3-Gang-Handschaltung 50 cm³ 1,15 kW (1,6 PS) 25 km/h Optima 3 Moped 1 2-Gang-Handschaltung 50 cm³ 2 kW (3,32 PS) 50 km/h MK1/MK2 Mokick 1974–1979 1 3- bzw. 4-Gang-Fußschaltung 50 cm³ 1,47 kW (2,9 PS) 40 km/h K 125 Military Kraftrad 1980–1991 1 5-Gang-Fußschaltung 125 cm³ 8,83 kW (12,5 PS) 100 km/h K 180 Military Kraftrad 1991– 1 5-Gang-Fußschaltung 180 cm³ 13 kW (17 PS) 110 km/h Hercules luxe CH Mofa 1985– 1 2-Gang-Automatik 45 cm³ 30 km/h Motorräder
Auch in größeren Hubräumen wurden Hercules- und DKW-Motorräder für Inhaber des Motorrad-Führerscheins angeboten: den zunächst gebauten Motoren mit Vierganggetriebe und 8,5 bis 10 PS bei 100 cm³ Hubraum im Modell 'K 100' folgte ein Fünfgangmotor mit zunächst 12,5 und dann 17 PS (6-Gangvariante) aus einem Hubraum von 125 cm³. Einige „Hobbytuner“ bauten diesen großen Motor in Mokick-Rahmen (bauartbestimmte Höchstgeschwindigkeit 40 km/h) ein bei Höchstgeschwindigkeiten bis zu 140 km/h. Die wegen des strikt eingehaltenen Baukastenprinzips gleichen Anschlussmaße der Motoren und Fahrwerke ermöglichen dies ohne Montageprobleme. Solche Fahrzeuge sind nach amtlichen Beschlagnahmungen in diversen Polizeimuseen ausgestellt worden, u. a. in Düsseldorf.
Die Bundeswehr kaufte Kradmeldermaschinen bei Hercules: das Modell K 125 Bw „Military“ und ab 1991 bis 1996 die K 180 Bw. Eine Besonderheit war das erste serienmäßige Wankel-Motorrad, die Hercules W 2000, die unter Verwendung eines modifizierten Schneemobilmotors entstand.
Kleinkrafträder
Durch steigende Unfallzahlen wurden die 50-cm³-Kleinkrafträder (KKR) in den Versicherungsprämien extrem teuer. Der Gesetzgeber verbot ab 1. April 1982 die Neuzulassung von KKRs und schuf die Klasse der 80-cm³-Leichtkrafträder. In den 1980er-Jahren aber ging dieser besondere deutsche Markt der Leichtmotorfahrzeuge stark zurück, da auch hier die Versicherungsprämien extrem anstiegen. Umbauten in die 10-PS-Klasse durften nur mit Führerschein Klasse 1 ab 18 Jahren gefahren werden. Hercules hatte nach dem wirtschaftlichen Ausfall der Leichtkrafträder keine entsprechenden Angebote bei größeren Motorrädern, die Produktion des wirtschaftlich nicht erfolgreichen Wankel-Motorrades war bereits eingestellt.
Siehe auch
Literatur
- Thomas Reinwald, Norbert Daum: Hercules Motorräder. Johann Kleine Vennekate-Verlag 2005, ISBN 3-935517-18-1
Einzelnachweise
- ↑ Die Geschichte des deutschen LKW-Baus, B 1 Seite 89-90. Weltbild Verlag 1994 ISBN 3-89350-811-2
Weblinks
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