Hesychast

Hesychast

Der Begriff Hesychasmus (griechisch ἡσυχασμός hesychasmos) ist von dem altgriechischen Wort Hesychia (ἡσυχία hēsychia) abgeleitet, das Ruhe, Stille, Stillschweigen, Einsamkeit, Ungestörtheit, Untätigkeit, Rast, Gelassenheit, Friede bedeutet. Es handelt sich um eine Form der byzantinischen und slawischen Spiritualität im Zeitraum vom 12. bis zum 16. Jahrhundert. Die spirituellen Wurzeln liegen in den Verhaltensregeln des antiken Mönchtums. Im 18. Jahrhundert erlebte der Hesychasmus eine Renaissance in der Russisch-Orthodoxen Kirche.

Die im Spätmittelalter auf dem Berg Athos wohnenden Mönche führen die von ihnen praktizierte Spiritualität auf Johannes Hesychastes (454–559) zurück. Schon der 557 verfassten Lebensbeschreibung des Johannes sind Züge der später als hesychastisch bekannten Gebetsform entnehmbar. Bereits die Apophthegmen (Aussprüche) des heiligen Antonius, des Urvaters des Mönchtums, und seine von Athanasius verfasste Biographie, die Vita Antonii, enthalten Verhaltensregeln für Mönche wie das „Bewahren der Zunge“ zur Erhaltung der inneren Wachsamkeit (ἔνδον ϕυλαϰή) und Ruhe (ἡσυχία). Diese einflussreichen Schriften zeichnen das Bild eines idealen Zellenmönchs, der diese Regeln einhält. Eine mit der hesychastischen weitgehend übereinstimmende Buß-, Gebets- und Meditationspraxis ist bereits in der Epoche der Patristik im altkirchlichen Mönchtum nachweisbar. Bezeichnungen wie "Hesychasmus" und "Hesychasten" werden aber nur für eine an diese Tradition anknüpfende Strömung verwendet, die im byzantinischen Mönchtum ab dem 12./13. Jahrhundert entsteht und anwächst.

Im frühen 14. Jahrhundert steht der Hesychasmus bereits in voller Blüte. Er wird nun zum Gegenstand eines erbitterten theologischen Konflikts ("Hesychasmusstreit") zwischen Hesychasten und Antihesychasten. Wortführer der Hesychasten wird der Athos-Mönch Gregorios Palamas. Seine Theologie verschafft der hesychastischen Praxis ihre theoretische Begründung und Rechtfertigung. Palamas verteidigt den Hesychasmus gegen die Kritik von Barlaam von Kalabrien. Auf mehreren Konzilien in Konstantinopel fällt im Zeitraum von 1341 bis 1351 die Entscheidung der byzantinischen Kirche, zunächst die Gegner des Hesychasmus zu verurteilen und dann den Hesychasmus samt seiner theoretischen Begründung durch die Lehre des Gregorios Palamas ("Palamismus") zur verbindlichen Kirchenlehre zu erheben. In der Folgezeit findet der Hesychasmus allgemeine Anerkennung in der Orthodoxen Kirche. Er wird über den Berg Athos vor allem in Russland und im slawischen Balkangebiet verbreitet. Die Betenden versuchen im Hesychasmus u. a. mit Hilfe der Nabelschau und häufiger Wiederholung bestimmter Formeln, z. B. des Jesusgebets, sowie spezieller Atemtechniken mit Gott eins zu werden und das ungeschaffene Taborlicht zu erblicken.

Durch die Philokalie sowie das Buch Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers hat der Hesychasmus eine weite Verbreitung erfahren, insbesondere auch bei den Laien bzw. "einfachen Gläubigen" der Ostkirche.

Literatur

  • A. M. Ammann: Die Gottesschau im palamitischen Hesychasmus: ein Handbuch der spätbyzantinischen Mystik. 3. Auflage. Würzburg 1986, ISBN 3-7613-0140-5.
  • Dimitrije Dimitrijevic: Bedenken gegen Hesychasmus aus orthodoxer Sicht. In: Ostkirchliche Studien 34, 1985, ISSN 0030-6487, S. 325–330,
  • Emmanuel Jungclaussen: Hesychasmus. In: Christian Schütz (Hrsg.): Praktisches Lexikon der Spiritualität. Freiburg i. Br. 1988, ISBN 3-451-21063-0, S. 625f.
  • Fairy von LilienfeldHesychasmus. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 15, de Gruyter, Berlin/New York 1986, ISBN 3-11-008585-2, S. 282–289.
  • John Meyendorff: Byzantine Hesychasm: Historical, Theological and Social Problems. London 1974, ISBN 0-902089-61-7.
  • Gerhard Podskalsky: Zur Gestalt und Geschichte des Hesychasmus. In: Ostkirchliche Studien 16, 1967, ISSN 0030-6487, S. 14–32.
  • Kallistos Ware: Schweigen im Gebet. Was „Hesychia“ bedeutet. In: EuA 51, 1975, S. 427–447.
  • Georg Wunderle: Zur Psychologie des hesychastischen Gebetes. Würzburg 1949.

Weblinks


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