Himmelsscheibe

Himmelsscheibe
Die Himmelsscheibe von Nebra
Erster Zustand: Links der Vollmond, rechts der zunehmende Mond, oberhalb dazwischen die Plejaden. (Alle Darstellungen vereinfacht)
Zweiter Zustand: Ergänzung um die Horizontbogen für Sonnenauf- und untergang. Einzelne Sterne wurden versetzt bzw. überdeckt.
Dritter Zustand: Ergänzung um die Sonnenbarke.
Heutiger Zustand: Der linke Horizontbogen fehlte schon, als die Scheibe vergraben wurde, die Lochungen am Rand waren bereits vorhanden. Die Einkerbung oben links und die Beschädigung des Vollmonds wurden durch die Ausgräber verursacht.
Sommersonnenwende: Durch Ausrichtung vom Mittelberg zum Brocken wird die Scheibe justiert. Dargestellt ist der Sonnenuntergang.
Herbst- und Frühlingsanfang: Blick auf den Sonnenuntergang zur Tagundnachtgleiche. Der Brocken liegt zu dieser Zeit 41 Grad rechts neben der Sonne.
Wintersonnenwende: Der Sonnenuntergang hat seinen südlichsten Punkt erreicht. Der Brocken liegt 82 Grad rechts neben der Sonne.
Die zwei Bronzeschwerter aus dem Beifund
Beifund: Zwei Beile, ein Meißel und Bruchstücke spiralförmiger Armreife
Fundort der Himmelsscheibe
2007 wurde in der Nähe des Fundortes das Besucherzentrum Arche Nebra eröffnet

Die Himmelsscheibe von Nebra ist eine Bronzeplatte aus der Bronzezeit mit Applikationen aus Gold, die offenbar astronomische Phänomene und Symbole religiöser Themenkreise darstellt. Sie gilt als die weltweit älteste konkrete Himmelsdarstellung und als einer der wichtigsten archäologischen Funde aus dieser Epoche. Gefunden wurde sie am 4. Juli 1999 von Raubgräbern in einer Steinkammer auf dem Mittelberg nahe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt. Seit 2002 gehört sie zum Bestand des Landesmuseums für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt in Halle.

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung

Die annähernd kreisrunde Platte hat einen Durchmesser von etwa 32 Zentimetern und eine Stärke von 4,5 Millimetern in der Mitte bzw. 1,7 Millimetern am Rand. Das Gewicht beträgt ca. 2  Kilogramm. Die Scheibe besteht aus Bronze, einer Legierung aus Kupfer und Zinn, deren Kupferanteil nachweislich vom Mitterberg bei Mühlbach am Hochkönig in den Ostalpen stammt. Das Verhältnis der im Kupfer enthaltenen radioaktiven Blei-Isotope ermöglicht diese Ortsbestimmung. Neben einem geringen Zinnanteil von 2,5 Prozent weist sie einen für die Bronzezeit typisch hohen Gehalt von 0,2 Prozent Arsen auf. Sie wurde offenbar aus einem Bronzefladen getrieben und dabei wiederholt erhitzt, um Spannungsrisse zu vermeiden bzw. zu beseitigen. Dabei verfärbte sie sich tiefbraun bis schwarz. Die heutige, von einer Korrosionsschicht aus Malachit verursachte Grünfärbung ist erst durch die lange Lagerung in der Erde entstanden.

Die Applikationen aus unlegiertem Goldblech sind in Einlegetechnik gearbeitet und wurden mehrfach ergänzt und verändert. Aufgrund der Beifunde (Bronzeschwerter, zwei Beile, ein Meißel und Bruchstücke spiralförmiger Armreife) ist zu vermuten, dass sie etwa um 1600 v. Chr. vergraben wurde, ihr Herstellungsdatum wird auf 2100 bis 1700 v. Chr. geschätzt.

Ungewöhnlich für ein archäologisches Artefakt ist die Tatsache, dass an der Scheibe in der Zeit ihrer Nutzung mehrfach Änderungen vorgenommen wurden, was anhand der Überlagerungen von Bearbeitungen rekonstruiert wurde:

  • Anfänglich bestanden die Goldapplikationen aus 32 runden Plättchen, einer größeren, runden sowie einer sichelförmigen Platte. Sieben der kleinen Plättchen sind etwas oberhalb zwischen der runden und der sichelförmigen Platte eng gruppiert.
  • Später wurden am linken und rechten Rand die so genannten Horizontbögen angebracht, die aus Gold anderer Herkunft bestehen, wie dessen chemische Verunreinigungen zeigen. Um Platz für die Horizontbögen zu schaffen, wurde ein Goldplättchen auf der linken Seite etwas zur Mitte versetzt, zwei auf der rechten Seite wurden überdeckt, so dass jetzt noch 30 Plättchen zu sehen sind.
  • Die zweite Ergänzung ist ein weiterer Bogen am unteren Rand, wiederum aus Gold anderer Herkunft. Diese so genannte Sonnenbarke ist durch zwei annähernd parallele Linien strukturiert, an ihren Außenkanten wurden feine Schraffuren in die Bronzeplatte gekerbt.
  • Als die Scheibe vergraben wurde, war sie ein drittes Mal modifiziert worden: Es fehlte bereits der linke Horizontbogen und die Scheibe war am Rand mit 40 sehr regelmäßig ausgestanzten, etwa 3 Millimeter großen Löchern versehen.

Forschungsergebnisse

Die Himmelsscheibe von Nebra wurde hauptsächlich von dem Archäologen Harald Meller (Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Halle), dem Astronomen Wolfhard Schlosser (Hauptobservator am Astronomischen Institut der Ruhr-Universität Bochum), dem Archäochemiker Ernst Pernicka (Archäo-Metallurge der Bergakademie Freiberg in Sachsen, Institut für Archäometrie), von Mitarbeitern des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt, von Christian-Heinrich Wunderlich (Herstellungstechnik, Herstellungsabfolge vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle), am Teilchenbeschleuniger BESSY von Mitarbeitern der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin und der Archäologin und Spezialistin für Religionen der Bronzezeit Miranda J. Aldhouse-Green (Universität Wales) untersucht.

Zusammengehörigkeit der Fundstücke

Wissenschaftler des Landeskriminalamts Sachsen-Anhalt und des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Halle haben zweifelsfrei festgestellt, dass die Himmelsscheibe und die anderen Bronzeobjekte aus dem Besitz der Raubgräber aus ein und demselben Hortfund stammen. Die an den Gegenständen anhaftenden Bodenreste stimmten eindeutig mit den Bodenmerkmalen des Fundortes am Mittelberg bei Nebra überein [1]. Die Ähnlichkeit des verarbeiteten Materials aller Fundstücke wird als ein weiterer Beleg für die Zusammengehörigkeit der Bronzestücke angesehen. Das für alle Bronzeteile verwendete Kupfer weist in allen Nebra-Funden ähnliche Konzentrationen von Spurenelementen auf, lediglich hinsichtlich des Gehalts an den verschiedenen Blei-Isotopen variieren die Stücke relativ stark. Dies stellt jedoch keine Aussagebeeinträchtigung dar.

Echtheit und Alter der Scheibe

Mit den oben dargelegten Untersuchungsergebnissen war es möglich, die Himmelsscheibe mit Hilfe der Beifunde zu datieren. Das archäologische Alter der Schwerter und Beile konnte anhand ihrer Stilmerkmale leicht ermittelt werden. Aus einem Vergleich mit aus Ungarn bekannten ähnlichen Schwertern schlossen die Archäologen, dass die Himmelsscheibe um 1600 v. Chr. im Boden vergraben wurde und damit ein ungefähres Alter von 3600 Jahren besitzt.

Die Radiokohlenstoffdatierung (C14-Methode) schied zur Altersbestimmung der Scheibe aus Bronze allerdings aus, da dieser Werkstoff keinen Kohlenstoff enthält, der für die Altersbestimmung hätte herangezogen werden können. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung bestrahlte am Teilchenbeschleuniger BESSY die Goldauflagen mit hochintensiven Röntgenstrahlen. Ziel dieser Untersuchungen war es jedoch nicht, Aussagen über Alter oder Echtheit zu erhalten. Es wurde festgestellt, dass die Goldauflagen keine einheitliche Zusammensetzung aufweisen, so dass eine Herstellung in mehreren, zeitlich getrennten Phasen wahrscheinlich erscheint [2].

Alle diese Ergebnisse stehen in Übereinstimmung mit einem weiteren, mittels naturwissenschaftlicher Methoden gewonnenen Befund. Christian-Heinrich Wunderlich vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle extrahierte etwa 0,6 Milligramm Kohlenstoff aus einem Stückchen Birkenrinde, das man an einem der drei Schwerter gefunden hatte. Das Untersuchungsergebnis mit Hilfe der Radiokohlenstoffdatierung ergab, dass das Holzstück aus der Zeit um 1600 bis 1560 v. Chr. stammt [3].

Herkunft der verwendeten Metalle

Im Institut für Archäometrie zu Freiberg in Sachsen wurde das Kupfer der Scheibe radiologisch und chemisch untersucht. Professor Ernst Pernicka kann mit seiner Datenbank von 50.000 vorgeschichtlichen Erzminen in Europa aus der Zusammensetzung der Metalle auf deren Herkunft schließen. Durch einen Abgleich der Ergebnisse gelangte er zu der Überzeugung, dass das für die Scheibe verwendete Kupfer aus Erzminen im heutigen Österreich (Lagerstätte vom Mitterberg bei Salzburg) stammt.

Am Teilchenbeschleuniger BESSY in Berlin hat die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung die Goldauflagen der Himmelsscheibe von Nebra mit SRXRF (Synchrotron Radiation Induced X-Ray Fluorescence Analysis) untersucht. Diese Untersuchungsmethode ist zerstörungsfrei und die wertvolle Scheibe konnte daher bei einer derartigen Untersuchung keinen Schaden nehmen. Hierbei war aus der chemischen Zusammensetzung der Goldauflagen auf die Herkunft des Goldes zu schließen. Als Ergebnis wurde festgestellt, dass das Gold der Auflagen wahrscheinlich aus Minen im weit entfernten Rumänien (Siebenbürgen) stammt, was als Hinweis auf die damals sehr weit verzweigten Handelswege gewertet werden kann [4], [5].

Interpretation

Erste Phase

Nach der Interpretation von Meller und Schlosser stellen die Plättchen Sterne dar, die Gruppe der sieben kleinen Plättchen vermutlich den Sternhaufen der Plejaden, die zum Sternbild Stier gehören. Die anderen 25 sind astronomisch nicht zuzuordnen und werden als Verzierung gewertet. Die große Scheibe wurde zunächst als Sonne, mittlerweile auch als Vollmond interpretiert und die Sichel als zunehmender Mond.

Mond und Plejaden stehen nach Meller und Schlosser für zwei Termine der Sichtbarkeit der Plejaden am Westhorizont. In der Bronzezeit waren die Plejaden jeweils am 10. März (gregorianischer Kalender) kurz vor ihrem Untergang gerade noch in der Abenddämmerung zu sehen. Am 17. Oktober konnte ihr Untergang gerade noch in der Morgendämmerung verfolgt werden. Wenn am März-Termin der Mond in Konjunktion mit den Plejaden stand, war er eine schmale Sichel kurz nach dem Neumond. Im Oktober war bei einer etwaiger Konjunktion der Mond voll. Auf Grund der unterschiedlichen Längen von Mondjahr und Sonnenjahr traten die Konjunktionen aber nicht jedes Jahr zu diesen Terminen auf. Damit könnte die Himmelsscheibe als Erinnerungshilfe (Meller: Memogramm) für die Bestimmung des bäuerlichen Jahres von der Vorbereitung des Ackers bis zum Abschluss der Ernte gedient haben.[6]

Eine weiterreichende Interpretation der ersten Phase der Himmelsscheibe wurde am 21. Februar 2006 veröffentlicht: Die Himmelsscheibe war nach der neuesten Deutung von Astronom Rahlf Hansen vom Planetarium Hamburg dazu geeignet, schon in der Bronzezeit das Mondjahr (354 Tage) und das Sonnenjahr (365 Tage) zu harmonisieren und im Gleichklang zu halten. Damit wäre das Wissen, das auf der Bronzescheibe festgehalten ist, das frühbronzezeitliche Äquivalent des Schaltjahres. Als älteste schriftliche Aufzeichnung der dafür verwendeten astronomischen Beobachtung gilt ein etwa tausend Jahre jüngerer babylonischer Keilschrifttext (mul.apin). In Mitteleuropa wären somit die Astronomen der Bronzezeit in ihrem Wissen von den Mechanismen der Gestirne erstaunlich weit fortgeschritten gewesen.[7], [8]

Zweite Phase

Die später hinzugefügten Horizontbögen überstreichen jeweils einen Winkel von 82 Grad, ebenso wie Sonnenauf- und -untergang zwischen Winter- und Sommersonnenwende am Horizont auf dem Breitengrad des Fundorts. Wurde die Scheibe waagerecht so auf dem Mittelberg positioniert, dass die gedachte Linie vom oberen Ende des linken Bogens zum unteren Ende des rechten Bogens auf die Spitze des etwa 80 km entfernten Brocken zeigt, konnte die Scheibe als Kalender zur Verfolgung des Sonnenjahrs genutzt werden. Vom Mittelberg aus gesehen geht die Sonne zur Sommersonnenwende hinter dem Brocken unter. Für die Vermutung, dass der rechte Bogen der westliche, den Sonnenuntergang markierende sei, spricht seine Nähe zur geneigten Mondsichel, die in der erwähnten Konstellation von der untergehenden Sonne erleuchtet ist. Ob die Scheibe in diesem Zustand als Instrument zur Bestimmung der Sonnenwenden genutzt wurde, oder ob sie das Wissen über diese Bestimmungsmöglichkeiten lediglich darstellt, ist ungewiss. Der etwa 80 km entfernte Brocken ist nur an wenigen Tagen im Jahr ausreichend deutlich - wenn überhaupt - zu sehen und im Durchschnitt weniger als alle zehn Jahre zur Sommersonnenwende.

Dritte Phase

Als letzte Ergänzung kam ein weiterer goldener Bogen mit zwei annähernd parallelen Längsrillen hinzu, der als Sonnenbarke, wie man sie aus ägyptischen oder minoischen Abbildungen her kennt, interpretiert wird. Umgeben ist der Bogen an den Längsseiten von kurzen Einkerbungen in der Bronzeplatte, vergleichbar der Darstellung von Rudern auf anderen bronzezeitlichen Schiffsdarstellungen aus Griechenland und Skandinavien. Diese Ergänzung hat vermutlich keine kalendarische Funktion, sondern könnte die allnächtliche Überfahrt der Sonne von West nach Ost darstellen. Inwieweit daraus auf einen bronzezeitlichen kulturellen Austausch zwischen Mitteleuropa und dem Nahen Osten geschlossen werden kann, lässt sich zurzeit nicht beantworten. Der Zweck der Löcher am Rand der Scheibe ist ungeklärt, mutmaßlich dienten sie zur Befestigung. Besonders diese letzte Ergänzung legt eine Verwendung der Scheibe auch für kultische Zwecke nahe.

Für die an den wissenschaftlichen Untersuchungen beteiligten Wissenschaftler steht nunmehr jedoch fest, dass diese Scheibe nicht ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum stammt und anschließend ihren Weg nach Mitteleuropa gefunden hat. Sie ist für sie zweifelsfrei um ca. 1600 v. Chr. direkt in Mitteleuropa angefertigt worden. Damit ist die Scheibe nach Ansicht der Fachleute die von einer mitteleuropäischen Zivilisation angefertigte, bislang älteste, konkrete Darstellung des Nachthimmels aller Zeiten und somit die erste erhaltene Abbildung des Kosmos der Menschheitsgeschichte. Sie ist ca. 200 Jahre älter als die frühesten bis jetzt in Ägypten gefundenen Darstellungen.

Weitere Interpretationsmöglichkeiten

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Nach Ansicht von Miranda Aldhouse-Green häufen sich regelrecht die Symbole stark religiöser Themenkreise wie Sonne, Horizontland für die Sonnenwenden, Sonnenbarke, Mond und, als besondere Vertreter der Sterne, die Plejaden. Die Schöpfer der Scheibe hätten mit Absicht alle diese auch in anderen europäischen Regionen einzeln gefundenen, religiösen Symbole zusammengeführt und sie gehöre damit zu einem europaweiten, komplexen Glaubenssystem. Die Bronzescheibe könnte demnach möglicherweise eine heilige Botschaft repräsentieren. Schon die Mitteleuropäer der Bronzezeit könnten demzufolge in der Lage gewesen sein, ihr gesamtes religiöses Glaubenssystem, oder zumindest den vermutlich zentralen Kern eines solchen, in einfacher, transportabler Form darzustellen.

Bemerkenswert für einen archäologischen Fund ist die große Anzahl weiterer, zum Teil sehr ausführlicher Interpretationen. In der Fachwelt finden diese Theorien jedoch nur wenig bis gar keinen Rückhalt oder gelten sogar als widerlegt.

Fundort

Die Steinkammer liegt innerhalb einer jüngeren, ringförmigen Wallanlage auf dem Gipfel des 252 Meter hohen Mittelbergs, ca. 4 Kilometer westlich der Stadt Nebra, inmitten des Ziegelrodaer Forstes. Die Fundstelle befindet sich auf 51° 17′ 2″ N, 11° 31′ 12″ O51.28388888888911.527Koordinaten: 51° 17′ 2″ N, 11° 31′ 12″ O (WGS 84). Ob es sich um einen Hort oder um ein Grab handelt, ist bisher ungeklärt. Der Ort auf dem damals vermutlich unbewaldeten Berg dürfte schon in der Jungsteinzeit genutzt worden sein, möglicherweise als Observatorium. Die Forschung ist noch nicht abgeschlossen.

Etwa 20 Kilometer entfernt von der Fundstelle befindet sich die ebenfalls runde, etwa auf das 5. Jahrtausend v. Chr. datierte Kreisgrabenanlage von Goseck, die astronomische Kenntnisse schon aus weit älterer Zeit als zur Entstehung der Himmelsscheibe von Nebra belegt.

Fundgeschichte

Die Himmelsscheibe wurde von Henry Westphal und Mario Renner, zwei Raubgräbern, entdeckt, die sie zunächst für das Mittelteil eines Schildes hielten.

Schon einen Tag nach dem Ausgraben der Gegenstände erhielten Westphal und Renner 31.000 DM von einem Kölner Händler für den gesamten Hortfund. Über Mittelsmänner sollte der Fund 1999 in Berlin, später auch in München für eine Million DM verkauft werden, doch es sprach sich herum, dass er rechtmäßig dem Land Sachsen-Anhalt gehörte. Damit war er für den seriösen Kunsthandel wertlos. Bis 2001 wechselte er dennoch mehrfach den Besitzer, zuletzt für über 200.000 DM an das später verhaftete Hehler-Paar.

Auf Initiative des Kultus- und des Innenministeriums sowie des Landesamtes für Archäologie von Sachsen-Anhalt konnte Kontakt zu den Hehlern, die die Scheibe schließlich für 700.000 DM auf dem Schwarzmarkt angeboten hatten, aufgenommen werden. Der Landesarchäologe Harald Meller traf sich im Februar 2002 als vermeintlicher Kaufinteressent mit ihnen in einem Hotel in Basel. Dort konnten die Himmelsscheibe von der Schweizer Polizei sichergestellt und die Hehler, eine Museumspädagogin und ein Lehrer, verhaftet werden. Auch die Beifunde wurden gesichert.

Die Raubgräber konnten später ebenfalls gefasst werden und machten Angaben zum Fundort, die sich durch kriminaltechnische Untersuchungen bestätigen ließen. Sie wurden im September 2003 in Naumburg (Saale) vor Gericht gestellt und erhielten eine viermonatige Bewährungsstrafe bzw. eine zehnmonatige Freiheitsstrafe. Die Angeklagten strengten daraufhin ein Berufungsverfahren an, in dem sie wegen Fundunterschlagung und Hehlerei zu Bewährungsstrafen von einem Jahr bzw. sechs Monaten verurteilt wurden. Das Gericht sah dabei die Echtheit der Scheibe als erwiesen an.

Der Wert der Himmelsscheibe ist unschätzbar. Der Versicherungswert der Himmelsscheibe lag 2006 bei 100 Millionen Euro.

Restaurierung

Durch die unsachgemäße Ausgrabung wurde die Himmelsscheibe teilweise beschädigt. Im oberen linken Bereich wurde eine Kerbe geschlagen, wodurch sich auch einer der Sterne ablöste, aus dem Vollmond wurde ein Teil des Goldes herausgerissen. Durch die lange Lagerung im Erdreich war die gesamte Scheibe stark korrodiert, auch auf den Goldblechen hafteten – vermutlich durch galvanische Effekte – Korrosionen, die sich mechanisch nicht gefahrlos entfernen ließen.

Der erste Hehler hatte bereits versucht, die Scheibe durch Einweichen in Seifenlauge und anschließenden Gebrauch von Zahnbürste und Stahlwolle zu reinigen, wodurch die Oberfläche der Goldapplikationen zerkratzt wurde.

Im ersten Schritt der Restaurierung im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle wurden die Erdanhaftungen – nachdem Teile als Proben zur weiteren Untersuchung gesichert worden waren – mit einer Ethanol-Wasser-Mischung eingeweicht und mit einem harten Nylonpinsel abgenommen.

Im zweiten Schritt wurden die am Gold anhaftenden Korrosionsspuren durch eine spezielle, chemisch wirksame Paste gelöst und konnten dann mit Wattestäbchen entfernt werden. Die Korrosionsspuren an der Bronzeplatte selbst wurden belassen.

Schließlich wurden der bei der Ausgrabung abgeschlagene, aber nicht verlorengegangene Stern wieder angebracht und das herausgerissene, stark verformte Stück des Vollmonds durch ein neu angefertigtes Goldblech gleicher Zusammensetzung ersetzt.

Ausstellungen

Aussichtsturm an der Fundstelle auf dem Mittelberg
Blick vom Aussichtsturm zum Besucherzentrum Arche Nebra

In den vergangenen Jahren wurde die Himmelsscheibe an verschiedenen Orten ausgestellt: Sie war vom 15. Oktober 2004 bis zum 22. Mai 2005 in der Ausstellung Der geschmiedete Himmel mit rund 1.600 weiteren bronzezeitlichen Fundstücken aus 18 Ländern, darunter dem Sonnenwagen von Trundholm, im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle zu besichtigen. Die Ausstellung fand in Kooperation mit dem Nationalmuseum Kopenhagen statt, das den Sonnenwagen nur ausnahmsweise – wegen der besonderen Bedeutung der Himmelsscheibe – noch einmal aus dem Haus gab. Im Gegenzug wurde die Ausstellung vom 1. Juli bis 22. Oktober 2005 auch in Kopenhagen gezeigt. Vom 9. November 2005 bis zum 5. Februar 2006 wurde die Himmelsscheibe von Nebra im Naturhistorischen Museum in Wien gezeigt, vom 10. März bis zum 16. Juli 2006 war sie in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim zu sehen. Nächste Station war das Historische Museum Basel, wo die Ausstellung Der geschmiedete Himmel – Religion und Astronomie vor 3600 Jahren vom 29. September 2006 bis zum 25. Februar 2007 zu sehen war.

Daneben gab es weitere Ausstellungen über die Himmelsscheibe, bei denen jedoch nicht das Original präsentiert werden konnte: Vom 7. Juli bis zum 21. Oktober 2007 war eine Kopie im Neanderthal Museum in Mettmann zu betrachten. Vom 28. Oktober 2007 bis 17. Februar 2008 fand eine Ausstellung zur Himmelsscheibe in der Norishalle Nürnberg statt. Zu sehen war dabei eine Reproduktion der Sonnenscheibe in dem Zustand, wie sie von den Raubgräbern aufgespürt worden war. Vom 15. Juni bis 21. September 2008 fand eine Ausstellung zur Himmelsscheibe und zu Kult und Mythen der Bronzezeit an der Ostsee im Pommerschen Landesmuseum in Greifswald statt.

Am 20. Juni 2007 wurde in der Nähe des Fundortes bei Nebra das multimediale Besucherzentrum Arche Nebra als Station der Tourismusroute "Himmelswege" eröffnet.

Die Himmelsscheibe von Nebra ist seit dem 23. Mai 2008 in der Dauerausstellung des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle (Saale) zu sehen.

Forschungsprojekt Frühbronzezeit

Ausgelöst durch den Fund der Himmelsscheibe wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft in einem groß angelegten Forschungsprojekt 3,3 Millionen Euro in die weitere Untersuchung der Hintergründe der Bronzezeit investieren.

Seit September 2004 werden sechs Jahre lang 24 frühbronzezeitliche Bauten untersucht. Dazu gehört auch der Fundort der Himmelsscheibe auf dem Mittelberg. Weiter gehören dazu zwölf so genannte Kreisgrabenanlagen in Sachsen-Anhalt, unter anderem in Egeln, Belleben und Bad Dürrenberg (Universität Halle-Wittenberg).

Zudem werden zwölf Höhensiedlungen in Sachsen-Anhalt untersucht, zentrale befestigte Orte, die vor 4000 bis 3500 Jahren auf Anhöhen errichtet wurden (Universität Jena). Die politische, religiöse oder wirtschaftliche Bedeutung dieser Höhensiedlungen konnte noch nicht geklärt werden, ist aber der Gegenstand intensiver Forschung.

Weitere Schwerpunkte sind die Grundlagen der frühbronzezeitlichen Metallverarbeitung, die Herkunft der Rohstoffe und die damit verbundenen weiträumigen Kultur- und Handelsbeziehungen.

Urheber- und Markenrecht

In einem bislang – für archäologische Fundstücke vergleichbarer Bedeutung – einmaligen Vorgang gab es Zivilprozesse über die Verwertungsrechte der Himmelsscheibe von Nebra. Hierbei standen in zwei verschiedenen Verfahren Verlage dem Land Sachsen-Anhalt gegenüber. Das Land als Eigentümer der Scheibe hat mehrere Bildmarken angemeldet und beruft sich auf ein Leistungsschutzrecht aus der erstmaligen Veröffentlichung eines nachgelassenen Werkes, der editio princeps. Aus diesen Rechten beansprucht das Land Abbildungen der Scheibe zu kontrollieren und Lizenzgebühren für Verwendungen geltend zu machen.

Das Landgericht Magdeburg entschied im April 2005, dass dem Land die beanspruchten Rechte zustehen, als Eigentümer der Scheibe stehe ihm das Recht zur Veröffentlichung zu, aus der vermuteten kultischen Nutzung vor 3600 Jahren in Form der Präsentation der Scheibe auf Prozessionen könne nicht abgeleitet werden, dass sie damals im Sinne des Urheberrechts bereits „erschienen“ sei und alle Rechte abgelaufen wären.[9]

Würdigung

Darstellung der Himmelsscheibe auf einer Gedenkmünze
Darstellung auf einer Briefmarke

Die Himmelsscheibe von Nebra wird mit der Ausgabe einer silbernen Gedenkmünze von 10 € und eines Sonder-Postwertzeichens à 55 Cent durch die Bundesrepublik Deutschland gewürdigt. Ausgabetag war der 9. Oktober 2008.

Siehe auch

Literatur

Eine allgemeinverständliche Einführung zur Bronzescheibe und Versuche zu ihrer Einbindung in bronzezeitliche Kontexte bietet der Begleitband zu den Ausstellungen in Halle/Mannheim/Basel: Harald Meller (Hrsg.): Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren. Konrad Theiss, Stuttgart 2004, ISBN 3-8062-1907-9. Ausgewählte Beiträge zu diesem Band werden in der nachstehenden Literaturliste eigens aufgeführt.

  • Miranda Aldhouse-Green/ Howard Davies/ Clive Ruggles: Star Wars, in: British Archaeology 79 (2004), S. 16-17
  • Miranda und Stephen Aldhouse-Green: The Quest for the Shaman. Shape-Shifters, Sorcerers and Spirit Healers in Ancient Europe. 2005, ISBN 0-500-05134-8 (bes. S. 107-110)
  • Rahlf Hansen: Die Himmelsscheibe von Nebra - neu interpretiert, in: Archäologie in Sachsen-Anhalt N.F. 4.2006 (2007), S. 289-304 ISSN 0072-940X
  • Johannes Koch: Die Himmelsscheibe von Nebra - Ein Deutungsversuch, in: Archäologie in Sachsen-Anhalt N.F. 2.2004, S. 39-43 ISSN 0072-940X
  • Ralf Koneckis/ Holger Filling: Die Goldpunkte auf der Himmelsscheibe von Nebra, in: Lectures in Geophysics and Physics VI (2), 2005, S. 56-75
  • Harald Meller: Die Himmelsscheibe von Nebra - ein frühbronzezeitlicher Fund von außergewöhnlicher Bedeutung, in: Archäologie in Sachsen-Anhalt N.F. 1.2002, S. 7-20 ISSN 0072-940X
  • Harald Meller: Die Himmelsscheibe von Nebra. Fundgeschichte und archäologische Bewertung, in: Sterne und Weltraum 12.2003, S. 28-33
  • Harald Meller: Die Himmelsscheibe von Nebra, in: Meller 2004: Der geschmiedete Himmel (s.o.), S. 22-31
  • Emília Pásztor, Curt Roslund: An interpretation of the Nebra disc, in: Antiquity 81 (2007) ISSN 0003-598x, S. 267-278
  • Ernst Pernicka/ Christian-Heinrich Wunderlich: Naturwissenschaftliche Untersuchungen an den Funden von Nebra, in: Archäologie in Sachsen-Anhalt 1.2002, S. 24-31 ISSN 0072-940X
  • Ernst Pernicka: Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen der Himmelsscheibe, in: Meller 2004: Der geschmiedete Himmel (s.o.), S. 34-37
  • Mathilde und Hinrich Rahmann: Dechiffrierung der Himmelsscheibe von Nebra?, in: P.R. Sahm/ H. Rahmann/ H.J. Blome/ G. Thiele (Hgg.): Homo spaciens. Der Mensch im Kosmos. Ein interdisziplinärer Ausblick auf Ursprung und Zukunft des Menschen im All. Hamburg: discorsi-Verlag 2005, S. 99-118 ISBN 3-9807330-8-4
  • Clive Ruggles: Ancient Astronomy. An Encyclopedia of Cosmologies and Myth. ABC-Clio 2005, ISBN 1-85109-477-6 Eintrag: Nebra Disc" S. 304-307
  • Peter Schauer: Kritische Anmerkungen zum Bronzeensemble mit "Himmelsscheibe" angeblich vom Mittelberg bei Nebra, Sachsen-Anhalt, in: Archäologisches Korrespondenzblatt 35 (2005), S. 323-328 und 559 (Korrektur)
  • Wolfhard Schlosser: Zur astronomischen Deutung der Himmelsscheibe von Nebra, in: Archäologie in Sachsen-Anhalt 1.2002, S. 21-23 ISSN 0072-940X
  • Wolfhard Schlosser: Astronomische Deutung der Himmelsscheibe von Nebra, in: Sterne und Weltraum 12.2003, S. 34-40
  • Wolfhard Schlosser: Die Himmelsscheibe von Nebra - Astronomische Untersuchungen, in: Meller 2004: Der geschmiedete Himmel (s.o.), S. 44-47
  • Wolfhard Schlosser: Die Himmelsscheibe von Nebra - Sonne, Mond und Sterne, in: A.D. Wittmann/ G. Wolfschmidt/ H.W. Duerbeck (Hgg.): Development of Solar Research / Entwicklung der Sonnenforschung. Frankfurt a.M 2005, S. 27-65 ISBN 3-8171-1755-8
  • Wolfhard Schlosser: Die Himmelsscheibe von Nebra - Astronomische Untersuchungen, in: P.R. Sahm/ H. Rahmann/ H.J. Blome/ G. Thiele (Hgg.): Homo spaciens. Der Mensch im Kosmos. Ein interdisziplinärer Ausblick auf Ursprung und Zukunft des Menschen im All. Hamburg: discorsi-Verlag 2005, S. 73-97 ISBN 3-9807330-8-4
  • Thomas Schöne: Tatort Himmelsscheibe. Eine Geschichte mit Raubgräbern, Hehlern und Gelehrten. Halle Saale, Mitteldeutscher Verlag 2008. ISBN 978-3-89812-532-1
  • Christian-Heinrich Wunderlich: Vom Bronzebarren zum Exponat - Technische Anmerkungen zu den Funden von Nebra, in: Meller 2004: Der geschmiedete Himmel (s.o.), S. 38-43

Weblinks

Einzelnachweise

  1. wissenschaft-online
  2. Nebra-disk (pdf)
  3. Wissenschaft online
  4. WDR
  5. wissenschaft-online
  6. Wolfhard Schlosser: Die Himmelsscheibe von Nebra - Astronomische Untersuchungen. In: Harald Meller (Hrsg.): Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren. Wissenschaftlcihe Buchgesellschaft Darmstadt 2004.
  7. Spiegel-online
  8. FAZ.net
  9. LG Magdeburg vom 19. April 2005, AZ 5 W 32/05


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