Hippolyte Léon Denizard Rivail

Hippolyte Léon Denizard Rivail
Allan Kardec

Hippolyte Léon Denizard Rivail (* 3. Oktober 1804 in Lyon; † 31. März 1869 in Paris), besser bekannt unter dem Pseudonym Allan Kardec, war ein bedeutender französischer Spiritist.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Rivail wurde 1804 in Lyon geboren und lernte bei Johann Heinrich Pestalozzi im Schweizer Yverdon. 1828 kaufte er in Paris eine Bildungseinrichtung für Jungen und unterrichtete dort Mathematik, Physik, Chemie, Astronomie und Humanbiologie, vergleichende Anatomie und Französisch. 1830 mietete er auf eigene Kosten eine Halle in der Rue de Sevres und unterrichtete dort 10 Jahre lang einige Fächer kostenlos. 1831 erhielt er die Ehrenmedaille der Gelehrtengesellschaft von Arras für einen Aufsatz, in dem er verschiedene Unterrichtssysteme miteinander verglich. Rivail sprach mehrere Fremdsprachen. Er starb am 31. März 1869 an einem Aneurysma und liegt auf dem Friedhof "Cimetière du Père Lachaise" in Paris begraben.

Arbeit für den Spiritismus

Im Jahr 1854 hörte Rivail zum ersten Mal durch einen Freund über das Phänomen der rückenden Tische. Anfangs war er skeptisch, später ließ er sich überreden, an einer Sitzung teilzunehmen, bei der die Tische, seiner Wahrnehmung nach von allein, hin und her rückten, sprangen und sich in die Luft erhoben. Anders als viele andere Anwesende war er nach seinen Beobachtungen der Meinung, dahinter stecke vielleicht ein bislang noch unbekanntes Naturgesetz und beschloss, dieser Frage auf den Grund zu gehen.

Da er selbst kein Medium war, stellte er eine Liste von Fragen zusammen und begann mit diversen "Medien" zusammenzuarbeiten, um diese Fragen an Geister zu stellen. Am 18. April 1857 veröffentlichte Rivail auf Bitte der Geistwesen und unter dem von ihm gewählten Pseudonym Allan Kardec das "Buch der Geister", das erste Buch seiner Sammlung und bis heute ein wesentliches Werk des Spiritismus. Es beinhaltet 1019 Fragen und Antworten bezüglich Kardecs Auffassung zur Natur der Geistwesen, der Geisterwelt, der Beziehung zwischen der Geisterwelt und der irdischen Welt und viel mehr. Später folgten vier weitere Bücher, nämlich das "Buch der Medien", das "Evangelium nach dem Spiritismus", "Himmel und Hölle" und "Die Genesis", die zusammen Kardecs Spiritistische Lehre darstellen. Ergänzt wurden die in diesen Büchern enthaltenen Informationen durch die Zeitschrift "Revue Spirite", die Kardec bis zu seinem Tode monatlich veröffentlichte. Kardecs Lehre fand seinerzeit große Beachtung und überzeugte viele namhafte Größen des gesellschaftlichen Lebens. So wurde Rivail z.B. von Napoléon III. zu philosophischen Gesprächen geladen.

Warum das Pseudonym Allan Kardec

Rivail nahm nach eigener Aussage das Pseudonym "Allan Kardec" an, nachdem ihm ein Geist bei einer spiritistischen Sitzung mitteilt habe, er habe in einem früheren Leben als Druide so geheißen. Rivail gefiel der Name und er beschloss, ihn zu verwenden, um seine Arbeit an spiritistischen Werken von seiner akademischen Arbeit zu trennen.

Lehre

Ursprung

Kardecs spiritistische Lehre beruft sich auf die Prinzipien und Gesetze, die von höheren Geistern durch verschiedene Medien durchgegeben und von Hippolyte Rivail gesammelt und thematisch geordnet wurden. Da er nicht der wahre Autor solcher Werke war, sondern diese bloß sammelte, ordnete und mit seinen auf Beobachtungen beruhenden Kommentaren veröffentlichte, beschloss er, das Pseudonym Allan Kardec zu verwenden. Er behauptete, dass die Übereinstimmung der Nachrichten, die in verschiedenen Ländern von verschiedenen oft jugendlichen Medien empfangen wurden, die Glaubwürdigkeit der Werke belegte. So schrieb er:

„Nicht der Meinung eines einzelnen Menschen vertraut man sich an, sondern der vereinten Stimme der Geister; nicht ein Mensch, sei ich es oder ein anderer, begründet den Spiritismus; auch nicht ein einzelner Geist, der sich jemandem aufdrängt, sondern die Gesamtheit der Geister, die auf der Erde entsprechend dem Willen Gottes wirken. Dies ist der essenzielle Charakter des Spiritismus, dort liegt seine Stärke. Gott wollte, dass sein Gesetz auf einer unerschütterlichen Basis ruht und deshalb überließ er es nicht dem schwachen Kopf eines einzelnen Menschen.“

Allan Kardec: Das Evangelium nach dem Spiritismus, Einführung, Abschnitt II

Grundlegende Werke

Die so entstandenen Bücher bilden die Grundwerke der Spiritistischen Lehre:

  1. Das Buch der Geister (1857) — stellt die Grundzüge der Lehre dar und beschäftigt sich mit Themen wie Gott, Seele, Universum, Mensch, Tieren, Kultur, Moral und Religion.
  2. Das Buch der Medien (1861) — stellt die der Kommunikation über ein Medium zu Grunde liegende „Mechanik“ der Geisterwelt dar, Techniken, die von Medien entwickelt werden können usw.
  3. Das Evangelium nach dem Spiritismus (1864) — Kommentiert die Evangelien und geht besonders auf Stellen ein, die nach Ansicht von Kardec ein ethisches Fundament zeigen, das von allen Religionen und philosophischen Systemen geteilt wird. Es war das erste religiöse Buch, das Leben auf anderen Planeten annimmt. Dabei wird Jesus Aussage „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen.“ (Johannes 14:2) entsprechend interpretiert
  4. Der Himmel und die Hölle (1865) — Eine didaktisch aufbereitete Serie von Gesprächen mit den Seelen Verstorbener, die eine Verbindung zwischen den Leben, die sie führten, und ihrem Befinden im Jenseits herstellen soll.
  5. Die Genesis nach dem Spiritismus (1868) — versucht Religion und Naturwissenschaft in Einklang zu bringen und beschäftigt sich mit drei Hauptproblemfeldern: Dem Ursprung des Universums und des Lebens, Wundern und Hellsehen.

Obwohl diese Bücher von 1857 bis 1868 veröffentlicht wurden, stellen sie auch heute noch die Grundlage der spiritistischen Lehre dar. Sie wurden in 30 Sprachen übersetzt.

Kardec schrieb auch eine kurze Einführung („Was ist der Spiritismus?“) und gab ab Januar 1858 eine monatliche spiritistische Zeitschrift mit verschiedenen spiritistischen Themen heraus („Revue Spirite“). Seine Aufsätze und Artikel wurden gesammelt und postum veröffentlicht. Die "Revue Spirite" erscheint auch heute noch[1].

Glaubenselemente

Das Universum sei von Gott als dem höchsten Geist geschaffen. Es bestehe aus den materiellen Dingen und den spirituellen Wesen. Die Geister bilden als geistige, intelligente Wesen eine geistige Welt, die sich von den rein materiellen Dingen unterscheide und dieser in der Schöpfung zeitlich vorangehe als auch diese überdauern werde. Inkarnierte Geister sollen mit der geistigen Welt über Medien kommunizieren können. Inkarnationen sollen auch auf anderen Planeten außer der Erde stattfinden.

Wichtiger Bestandteil des Kardecianismus ist eine Seelenwanderungslehre. Geister leben in zwei Zuständen: inkarniert und nicht inkarniert. Die Geister seien unwissend erschaffen und bedürfen einer stufenweisen geistig-moralischen Entwicklung, die sie besser im inkarnierten Zustand erfahren können, in welchem die Erinnerungen an vorherige Inkarnationen und den nichtinkarnierten Zustand jedoch verdrängt seien. Dabei gehe die geistige Entwicklung stets in Richtung auf eine höhere Stufe oder stagniere. Einen Fall auf eine niedrigere Stufe gebe es nicht. Beim Aufstieg helfen die bereits höher entwickelten Geister (z.B. Schutzengel), zu denen auch Jesus als Wesen, das verantwortlich für die Erde sei und das den gesamten Aufstieg vollständig durchlaufen hat, gezählt wird.

Die christliche Ethik und die Zehn Gebote sind in den Spiritismus integriert. Abtreibung, Selbstmord, Todesstrafe, Euthanasie und Sucht sind nicht mit der spiritistischen Lehre vereinbar. Moralisch richtiges Handeln im Einklang mit dieser Ethik wird als wichtiger angesehen als Gebete. Gebete werden jedoch als wichtig angesehen um mit Schutzengeln und befreundeten Geistern in Kontakt zu bleiben. Es gibt keine vorgeschriebenen Gebetsformen. Das Vater Unser gilt als vollkommenes Gebet.

Ein wichtiges Element sind spiritistische Sitzungen, die der geistigen Höherentwicklung, nicht der Vorhersage künftiger Ereignisse, dienen sollen. Die Fähigkeit, Medium zu sein, wird als natürliche menschliche Gabe betrachtet, die jeder hat und entwickelt werden kann. Die besondere Stellung beschränkt sich dabei auf das Wirken in der Séance und entspricht keinem priesterlichen Stand und darf auch nicht gegen Entgelt ausgeübt werden.

Religionshistorisch

Der Kardecianistische Spiritismus nimmt in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Zum einen ist er eines der wenigen Beispiele, an denen beobachtet werden kann, wie aus einem zunächst als Schreibtischprodukt entstandenen schriftlichen Werk eine kultische, sozusagen schamanistische Religion entstehen kann. Zum anderen steht er an einem relativ frühen Punkt der Entwicklung spiritistischer Vorstellungen. Bei späteren Richtungen ist immer von direkter oder indirekter Kenntnis des Werks Kardec auszugehen, so dass man mit einer gewissen Berechtigung von einer „reinen“ Form des Spiritismus sprechen kann, während die anderen Richtungen als Ableger unter Aufnahme anderer Vorstellungen zu betrachten sind.


Werke

Pädagogische Werke:

  • Cours pratique et théorique d'arithmétique (1824)
  • Plan proposé pour l'amélioration de l'éducation publique (1828)
  • Catéchisme grammatical de la langue française (1848)

Spiritistische Werke

  • Das Buch der Geister (Le Livre des Esprits, 1857)
  • Das Buch der Medien (Le Livre des Médiums, 1861)
  • Das Evangelium im Lichte des Spiritismus (L'Évangile selon le Spiritisme, 1864)
  • Himmel und Hölle (Le Ciel et L'Enfer, 1865)
  • Genesis (La Genèse, 1868)

Siehe auch

Weblinks


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