Hiraoka Kimitake

Hiraoka Kimitake
Yukio Mishima 1956

Mishima Yukio (jap. 三島 由紀夫; * 14. Januar 1925 in Tokio als Hiraoka Kimitake (平岡 公威); † 25. November 1970 ebenda) war ein japanischer Schriftsteller und politischer Aktivist. Mishima schrieb Romane, Schauspiele, Erzählungen sowie Gedichte und ein Libretto. Er ist sowohl bekannt für seine nihilistische Nachkriegsliteratur als auch für die außergewöhnlichen Umstände seines Suizids.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Mishima Yukio bei der Einschulung 1931

Mishima wurde unter dem Namen Hiraoka Kimitake als Sohn von Hiraoka Azusa, Abgeordneter des Fischereiministeriums im Landwirtschaftsministerium, und Hiraoka Shizue (geborene Hara) geboren. Seine frühe Kindheit wurde stark von seiner Großmutter Natsu geprägt, die Mishima von seiner Familie trennte und sein Interesse für das Kabuki-Theater weckte. Natsu verbot Mishima Sport und den Umgang mit anderen Jungen seines Alters, sodass er viel Zeit alleine oder mit seinen Cousinen verbrachte.

Mit zwölf Jahren kam Mishima wieder zu seiner Familie zurück und entwickelte eine enge Beziehung zu seiner Mutter. Sein Vater drillte ihn mit militärischer Disziplin. Er fing an, eigene Texte zu schreiben und Werke von Oscar Wilde und Rainer Maria Rilke zu studieren. Mishima besuchte Gakushuin, eine staatliche elitäre Schule, auf der er einer literarischen Gesellschaft angehörte. Diesen Umstand verdankte er Natsu, die darauf bestand, dass er diese Schule besuchte, während seine Eltern dem eher ablehnend gegenüberstanden.

Laufbahn als Schriftsteller

Da bei Mishima irrtümlich Tuberkulose diagnostiziert wurde, musste er im Zweiten Weltkrieg keinen Militärdienst leisten. Er beendete die Universität von Tokio 1947 mit einem Abschluss in Jura.

Zunächst arbeitete er im Finanzministerium, kündigte aber innerhalb eines Jahres, um mehr Zeit zum Schreiben zu haben. Als Schriftsteller wurde er bekannt durch seinen rhetorischen Stil, fein entwickelte Kompositionen und einen reichen Wortschatz.

1949 schrieb er Kamen no Kokuhaku (auf deutsch Geständnis einer Maske), einen autobiographischen Roman, der seine Homosexualität zum Thema einer unprätentiösen, ehrlichen und poetischen Analyse machte.

In seinem wichtigsten Aufsatz Bunka Bōeiron (文化防衛論, dt. „Verteidigung einer Kultur“) argumentierte Mishima 1968, dass der Tennō, der Kaiser von Japan, die Quelle der japanischen Kultur sei und die Verteidigung des japanischen Kaisers somit auch eine Verteidigung der japanischen Kultur sei. Er formierte eine Privatarmee, die Tatenokai (Schildgesellschaft), um den Kaiser zu beschützen. Sein Roman Nach dem Bankett handelt von der politischen Klasse Japans in den 1950er Jahren.

Während der 1960er Jahre schrieb Mishima einige seiner erfolgreichsten und kritisch anerkanntesten Erzählungen und trat auch in Spielfilmen auf. Er wurde mehrfach als möglicher Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt. Mit Yūkoku (憂国) drehte er einen Film im -Stil, der auf seinem gleichnamigen Buch basiert und in dem er den Marineoffizier Takeyama spielt, der nach einem gescheiterten politischen Plan von seiner Frau Reiko Abschied nimmt und Seppuku (ritualisierten Selbstmord) begeht.

Restaurationsversuch und Selbstmord

Am 25. November 1970 nahm Mishima mit anderen Mitgliedern der Tatenokai in Tokio den diensthabenden Kommandanten der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte als Geisel und betrat im Beisein von Reportern den Balkon des Hauptquartiers. Er hielt eine Rede, in der er die Armee zur Besetzung des Parlamentes und zu einer aktiven Verteidigung des Kaisers aufrief. Sein Appell blieb jedoch auf Grund des Desinteresses der Soldaten folgenlos. Unmittelbar danach begingen Mishima und einer seiner Kameraden Seppuku, wobei Mishima sich von seinem engsten Vertrauten als Kaishaku-Nin sekundieren ließ.

Aus der Biographie von Henry Scott Stokes geht hervor, dass Mishima seinen Suizid bereits einige Jahre im Voraus geplant hatte und sein Todestag ihm bereits ein Jahr zuvor bekannt war. Sein Glaube an eine Erfolgsabsicht bezüglich der Restauration des Kaiserreiches kann daher in Frage gestellt werden. Ob der Suizid nun politisch, künstlerisch oder ein Doppelsuizid aus Liebe war, lässt sich nicht mehr zweifelsfrei nachvollziehen. Eine politische Komponente hatte er dadurch, dass er im Zentrum der militärischen Streitmacht in Tokio geschah, künstlerisch kann er als pathetische Aufführung eines Dramas oder als heroischer Doppelsuizid mit dem Geliebten verstanden werden. Mishima sagte 1968 in einem Interview, „dass Seppuku nicht immer eine Niederlage bedeutet, sondern dich auch gewinnen lassen kann“.

Weitere Entwicklung

Seit 1972 veranstaltet die rechtsextreme japanische Gruppierung Issuikai zusammen mit anderen rechtsextremen Gruppen am Grab von Mishima jährlich ein Heldengedenktreffen.

1985 drehte der US-amerikanische Regisseur Paul Schrader unter dem Titel Mishima einen Film über Yukio Mishimas Leben (Musik: Philip Glass).

Die Tatenokai wurde laut einem Bericht der japanischen Tageszeitung Yomiuri Shimbun im November 2005 wiederbelebt.

Mishimas Kinder leben und arbeiten nach einem Bericht des NHK vom 30. Mai 2007 in nichtliterarischen Berufen in Japan und auf den Philippinen.

Werke (Auswahl)

  • 仮面の告白 Kamen no Kokuhaku (deutsch: Geständnis einer Maske, 1949). Deutsche Übersetzung (von der englischen Übersetzung von Meredith Weatherby) von Helmut Hilzheimer, Rowohlt Verlag GmbH, 1964. ISBN 3-499-15652-0
  • 愛の渇き Ai no Kawaki (deutsch: Liebesdurst, 1950). Deutsche Übersetzung von Josef Bohaczek, Insel Verlag, 2000. ISBN 3-458-17010-3
  • 禁色 Kinjiki (englisch: Forbidden Colors, 1954). Englische Übersetzung von Alfred H. Marks; Secker & Warburg, 1968 (Band 1), Berkley Publishing, 1974 (Band 2). (siehe auch: Butō)
  • 潮騒 Shiosai (englisch: The Sound of Waves, 1954). Englische Übersetzung von Meredith Weatherby, Alfred A. Knopf, 1956.
  • Der Jüngling, der Gedichte schrieb [oder auch Der Junge, der Gedichte schrieb]. Kurzgeschichte, 50 Seiten. Streng limitierte und autorisierte Ausgabe, Bonn 1976.
  • Die sieben Brücken [oder Die Brückenprobe], 1958. Veröffentlicht in der Merian Ausgabe Tokyo vom 2. Februar 1972, Heft 2/XXV
  • 金閣寺 Kinkakuji (1956; deutsch: Der Tempelbrand, 1961). Erschienen bei List, München (siehe auch: Kinkaku-ji)
  • 宴の後 Utage no Ato (deutsch: Nach dem Bankett, 1960). Englische Übersetzung von Donald Keene, Alfred A. Knopf, 1963.
  • 午後の曳航 Gogo no Eiko (englisch: The Sailor Who Fell from Grace with the Sea, 1963). Englische Übersetzung von John Nathan, Alfred A. Knopf, 1965. Deutsche Übersetzung von Sachiko Yatsushiro, 1970
  • Bearbeitung: Das verratene Meer (1986-1989; revidiert 1992). Musikdrama in 2 Akten. Libretto: Hans-Ulrich Treichel. Musik: Hans Werner Henze. UA 5. Mai 1990 Berlin (Deutsche Oper). Neufassung: Gogo No Eiko (2003; revidiert 2005). UA 15. Oktober 2003 Tokio (Suntory Hall). UA (revidierte Fassung) 26. August 2006 Salzburg (Festspiele)
  • Madame de Sade. Rowohlt Verlag, 1965. Deutsche Übersetzung: Kai Molvig. Deutscher Text nach der jap. Vorlage für die Uraufführung am 14. November 1965 in Tokyo.
  • Zu einer Ethik der Tat. Einführung in das Hagakure. Tokyo, 1967. Hanser Verlag 1987.
  • 太陽と鉄 Taiyō to Tetsu (englisch: Sun and Steel, 1968). Englische Übersetzung von John Bester, ISBN 4-7700-2903-9
  • 豊穣の海 Hōjō no Umi (deutsch: Das Meer der Fruchtbarkeit, 1964-70), bestehend aus den vier Romanen:
    1. 春の雪 Haru no Yuki (deutsch: Schnee im Frühling). Deutsche Übersetzung aus dem Japanischen von Siegfried Schaarschmidt, Carl Hanser Verlag, 1985. ISBN 3-446-14395-5
    2. 奔馬 Homba (deutsch: Unter dem Sturmgott). Deutsche Übersetzung aus dem Japanischen von Siegfried Schaarschmidt, Carl Hanser Verlag, 1986. ISBN 3-446-14628-8
    3. 暁の寺 Akatsuki no Tera (deutsch: Der Tempel der Morgendämmerung). Deutsche Übersetzung aus dem Japanischen von Siegfried Schaarschmidt, Carl Hanser Verlag, 1987. ISBN 3-446-14614-8
    4. 天人五衰 Tennin Gosui (deutsch: Die Todesmale des Engels). Deutsche Übersetzung aus dem Japanischen von Siegfried Schaarschmidt, Carl Hanser Verlag, 1988. ISBN 3-446-14615-6
  • Gesammelte Erzählungen. Rowohlt, 1971. ISBN 3-498-09280-4

Literatur

  • Barakei (Killed by Roses). Photos von Eikoh Hosoe, Shueisha, Tokyo, 1963. Vorwort und Model: Yukio Mishima. Neuauflage 1984 mit einem Nachwort von Mark Holborn.
  • Hijiya-Kirschnereit, Irmela: Mishimas Yukios Roman Kyoko-no ie. Versuch einer intratextuellen Analyse. Verlag Otto Harrassowitz, 1976. ISBN 3-447-01788-0
  • Nagisa Oshima: Die Ahnung der Freiheit. Darin findet sich ein guter Aufsatz über Yukio Mishima: Mishima oder Der geometrische Ort eines Mangels an politischem Bewußtsein. Verlag Klaus Wagenbach, 1982. ISBN 3-8031-3511-7
  • Marguerite Yourcenar: Mishima oder die Vision der Leere, französisch 1980, deutsch München, 1985
  • Hans Eppendorfer: Der Magnolienkaiser: Nachdenken über Yukio Mishima. Reinbek: Rowohlt, 1987
  • Hijiya-Kirschnereit, Irmela: Was heißt Japanische Literatur verstehen? Im Buch gibt es ein Kapitel: Thomas Manns Novelle Der Tod in Venedig und Mishima Yukios Roman Kinjiki. Ein Vergleich. edition suhrkamp, 1990. ISBN 3-518-11608-8
  • Roy Starrs: Deadly Dialectics: Sex, Violence, and Nihilism in the World of Yukio Mishima, University of Hawaii Press, 1994
  • Lisette Gebhardt / Uwe Schmitt: Mishima meldet sich zurück. Bericht über die Entdeckung bisher unbekannter Texte des Autors Yukio Mishima. („Mishima no ikai karano kikan“), Tōkyō 1996
  • Jerry S. Piven: The madness and perversion of Yukio Mishima. Westport, Conn. : Praeger, 2004
  • Henry Scott-Stokes: The life and death of Yukio Mishima. New York, First print 1974. Deutsche Ausgabe 1986: Yukio Mishima. Leben und Tod.

Siehe auch

Weblinks

Anmerkung: Bei diesem Artikel wird der Familienname vor den Eigennamen der Person gesetzt. Dies ist die übliche Reihenfolge im Japanischen. Mishima ist hier somit der Familienname, Yukio ist der Eigenname.

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