Hirudinea

Hirudinea
Dieser Artikel befasst sich mit den zu den Ringelwürmern gehörenden Egeln (Hirudinea); der Begriff „Egel“ wird daneben auch als Wortelement zur Bezeichnung verschiedener Gattungen der Saugwürmer (Trematoda) verwendet.
Hirudinea

Hirudinea

Systematik
Überstamm: Urmünder (Protostomia)
Überstamm: Lophotrochozoen (Lophotrochozoa)
Stamm: Ringelwürmer (Annelida)
Klasse: Gürtelwürmer (Clitellata)
Ordnung: Hirudinea
Wissenschaftlicher Name
Hirudinea
Lamarck 1818
Unterordnungen
  • Acanthobdellida
  • Branchiobdellida
  • Hirudinida (Euhirudinida)

Die Egel (Hirudinea) sind eine der beiden Ordnungen der Gürtelwürmer (Clitellata), die ihrerseits zu den Ringelwürmern gehören. Sie umfassen rund 300 Arten, die zu drei Unterordnungen gehören.[1]

Inhaltsverzeichnis

Körpermerkmale

Egel sind sehr spezialisierte, abgeleitete Ringelwürmer. Egel haben eine feste Anzahl von Segmenten, die je nach Unterordnung variiert (Branchiobdellida 15, Acanthobdellida 29, Euhirudinea 32). Nach der Bildung des hinteren Saugnapfs entstehen keine weiteren Segmente mehr, sodass deren Anzahl mit zunehmendem Alter nicht anwächst. Die Saugnäpfe sind Zusammenschlüsse von mehreren Segmenten; sie sind sehr muskulös und drüsenreich. Die Coelomsäcke, die bei ursprünglichen Ringelwürmern in jedem Segment vorkommen, werden nur noch embryonal angelegt und sind beim Adulttier aufgelöst. Übrig bleibt nur ein Kanalsystem. Die Sekundärringelung verwischt zusätzlich die ursprüngliche Segmentierung. Das namengebende Kennzeichen der Gürtelwürmer (Clitellata), das Clitellum, ist bei den Egeln nur während der Fortpflanzung zu sehen. Der Darm bildet bei den parasitischen Arten große Blindsäcke aus, in denen Blut gespeichert und verdaut wird.

Verbreitung

Egel sind auf der ganzen Welt verbreitet, leben aber überwiegend im Wasser, die meisten im Süßwasser, nur wenige im Meer. Manche sind gute Schwimmer, andere können nicht schwimmen (z.B. der Schneckenegel). Viele Arten benötigen relativ sauberes Wasser als Lebensraum; der Hundeegel (Erpobdella) kommt aber auch noch in mäßig belastetem Wasser vor. Landegel finden sich vor allem in tropischen Wäldern.

Ernährung

Die Ernährung ist bei den drei Unterordnungen unterschiedlich: Die Acanthobdellida (Borstenegel; nur eine Art bekannt) parasitieren auf Süßwasserfischen. Die rund 150 Arten der Branchiobdellida ernähren sich wahrscheinlich überwiegend von Kleinalgen und Kleintieren, die sie auf der Oberfläche ihrer Wirtstiere finden; einige Arten sind allerdings parasitisch. Die Hirudinida, zu denen auch der Medizinische Blutegel gehört, ernähren sich teilweise parasitisch von Körperflüssigkeiten, teilweise als Räuber. Ein Beispiel für einen Räuber ist der Hundeegel (Erpobdella octoculata), unser häufigster einheimischer Egel, der sich von Insektenlarven, kleineren Würmern oder auch Artgenossen ernährt. Der ebenfalls weit verbreitete Große Schneckenegel (Glossiphonia complanata) ernährt sich entweder räuberisch oder aber parasitisch von Weichtieren (Süßwasserschnecken und -muscheln).

Der Medizinische Blutegel dickt aufgenommenes Blut noch während des Saugens ein; das Wasser wird über die Haut ausgeschieden. Das gesaugte Blut wird im Körper des Egels mit Hilfe von Bakterien konserviert, der Blutegel muss danach bis zu einem Jahr lang keine Nahrung mehr aufnehmen.

Medizinischer Blutegel

Blutegel (schematisch):
(a) Kopf des Blutegels mit aufgeschnittener Mundhöhle, K die drei Kiefer; (b) eine Kieferplatte mit ihren Zähnen am Rand
Blutegel im Biberteich, Ontario
Egel der Gattung Haemopis
an einer Furt in den Wiener Donauauen

Seit Jahrhunderten sind Blutegel bekannt wegen ihrer Verwendung in der Medizin zur Behandlung verschiedener Erkrankungen. Zur Blutegelbehandlung eignet sich der natürlich in Europa, Nordafrika und Kleinasien vorkommende Hirudo medicinalis sowie der aus Ungarn stammende Hirudo officinalis (Hirudo verbana).[2]

Außerhalb des Wassers bewegt sich der Medizinische Blutegel mit Hilfe von zwei Saugnäpfen an den Körperenden fort. Erwachsene Tiere werden ausgestreckt bis zu 15 cm lang und bei hellem Licht ist eine Rückenzeichnung zu erkennen. Hirudo medicinalis hat eine bräunliche bis olivgrüne Farbe, rötliche Streifen auf dem Rücken und schwarze Flecken auf dem Bauch. Der Ungarische Blutegel besitzt jedoch einen grünen Bauch. Blutegel sind langlebig: Sie werden erst mit drei Jahren geschlechtsreif und über 30 Jahre alt.

Durch den übertriebenen Einsatz medizinischer Blutegel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die natürlichen Blutegelbestände stark verringert. Mittlerweile sind medizinische Blutegel in Europa nur noch in wenigen Gebieten in ihrer natürlichen Umgebung zu finden und stehen beispielsweise in Deutschland und der Schweiz unter Naturschutz.

Obwohl Blutegel Zwitter sind, benötigen sie einerseits einen Geschlechtspartner und andererseits Blut, um sich fortzupflanzen und Jungtiere zu produzieren. Nach der Paarung werden bis zu 20 Eier außerhalb vom Wasser abgelegt und in Kokons eingesponnen. Nach dem Schlüpfen ernähren sich die jungen Blutegel von kleinen Wirbellosen, die sie fressen oder aussaugen; sie saugen jedoch auch an Fröschen.

Blutegel saugen sich an der Haut von Tieren fest, um dann die Haut (mit Hilfe eines natürlichen Schmerzmittels in ihrem Speichel) schmerzfrei aufzubeißen. Mit ihren Beißwerkzeugen durchdringen sie selbst dickes Rinderfell in wenigen Sekunden. Anschließend kann ein Egel in etwa 30 Minuten bis zum Fünffachen seines Körpergewichts an Blut saugen.

Medizinisches und Alternativmedizinisches

Blutegel sondern über den Speichel etwa 20 verschiedene Substanzen in die Wunde ab, darunter die Blutgerinnungshemmer Hirudin und Calin. Aus diesen Stoffen ergibt sich auch eine der wichtigsten medizinischen Heilwirkungen des Blutegels, in Verbindung mit der entzündungshemmenden Wirkung von Eglin. Eglin kann Entzündungen und Schmerzen lindern (z.B. bei Arthrose). Allerdings ist die exakte Wirkung aller anderen Stoffe noch nicht bekannt. Nach Erreichen der Sättigung fällt der Blutegel von selbst von seinem Opfer ab.

Für die Herstellung von Sportsalben, welche Hirudin als Wirkstoff verwenden, werden Blutegel verwendet. Es gibt auch Pflege-Kosmetika, zu Förderung der Hautdurchblutung, mit Blutegelspeichelextrakten. Der Speichel wird gewonnen ohne die Tiere zu töten.

Eine Behandlung ist in der Alternativmedizin bei folgenden Beschwerden bekannt:
Blutgerinnsel und Blutergüssen, Krampfadern, Venenentzündungen, Gefäßverkalkungen, Rheuma und Gelenkabnutzungen (wie Arthrosen), Muskelkrämpfen, Zerrungen und Verstauchungen, Rücken- und Kopfschmerzen, Menstruationsbeschwerden und Ohrgeräuschen.

Darüber hinaus haben Forscher von der Universität Duisburg-Essen nachweisen können, dass Blutegel die mit der Gelenkentzündung Arthritis einhergehenden Schmerzen im Fingergelenk deutlich effektiver lindern als herkömmliche Schmerzmittel[3]. Auch Gelenkentzündungen des Knies lassen sich mit Blutegeln erfolgreich behandeln.

Artenschutz

Der medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis) steht in Deutschland, der Schweiz und den meisten Ländern Europas unter Naturschutz. Ohne CITES-Bewilligung dürfen Wildegel nicht gesammelt werden.

Einzelnachweise

  1. W. Westheide (2007): Clitellata, Gürtelwürmer. In: W. Westheide & R. Rieger: Spezielle Zoologie, Teil 1: Einzeller und Wirbellose Tiere, 2. Aufl., Elsevier-Spektrum München.
  2. [1]
  3. A Michalsen, R Lüdtke, O Cesur, D Afra, F Musial, M Baecker, M Fink, G Dobos: Effectiveness of leech therapy in women with symptomatic arthrosis of the first carpometacarpal joint: A randomized controlled trial. Pain 2008: in press. [2]

Allgemeine Literatur zu Blutegeln

  • Claudia und Karla Moser: „So hilft Ihnen die Blutegel-Therapie“, Haug Verlag, Stuttgart 2002, ISBN 3-8304-2072-2
  • Karl A. F. Otto: Der medicinische Blutegel. Voigt, Weimar 1835 (Digitalisat)
  • Fritz Jauker und Wolfgang Clauss: Blutsauger in der Forschung, in: Biologie in unserer Zeit 33 (1), S. 29 - 35 (2003), ISSN 0045-205X
  • Andreas Michalsen und Manfred Roth (Hrsg.): Blutegeltherapie, Karl-F. Haug-Verlag, Stuttgart 2006, 145 S., 52 Abb., ISBN 3-8304-7169-6  unter Mitarbeit von M. Aurich, M. Blessmann, P. -*Flecken, J. Graf, U. Groß, R. Schmelzle, U. Storck, E. Wittke-Michalsen von Prof. Dobos

Bildergalerie

Angriff eines Egels auf eine Wegschnecke und deren Verteidigung in der morastigen Übergangszone zwischen Ufer und Schilfgürtel eines Sees. Der Egel verankert sich mit seinem hinteren Ende an der Schnecke. Diese versucht sich zu schützen, indem sie sich zusammenzieht. Der Egel sucht nun mit der Mundöffnung nach einem Angriffspunkt und saugt. Nach der Begegnung lässt der Egel von der Schnecke ab. Später setzt sich die Schnecke wieder in Bewegung.

Weblinks


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