Hockeyschlägerkurve

Hockeyschlägerkurve
Die Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur während der letzten 1.000 Jahre, nach verschiedenen Quellen rekonstruiert und seit dem 19. Jahrhundert direkt gemessen. Enthalten ist auch die ursprüngliche Rekonstruktion von Michael Mann aus dem Jahr 1999 (blau).

Der Begriff Hockeyschläger-Diagramm bezeichnet das Ergebnis einer 1999 veröffentlichten wissenschaftlichen Untersuchung von Michael E. Mann, Raymond S. Bradley und Malcolm K. Hughes zur globalen Erwärmung.[1] Das in der Studie veröffentlichte Diagramm stellt den Temperaturverlauf der Erde während der vergangenen tausend Jahre dar und ähnelt im Verlauf einem Hockeyschläger. Die Grafik wurde auch in den 2001 herausgekommenen Dritten Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) aufgenommen, wo sie einen Teil der Argumentationsgrundlage darstellte. In Presseberichten über den Sachstandsbericht wurde die Grafik oft als Illustration verwendet.

Im aktuellen Vierten Sachstandsbericht wird die Arbeit erwähnt, spielt aber weder in den Inhalten noch in der Berichterstattung darüber eine wichtige Rolle.

Inhaltsverzeichnis

Klimadaten

Für die Erstellung des Diagramms wurde eine große Zahl verfügbarer Klimadaten der letzten Jahrhunderte zusammengefasst, unter anderem Messdaten von Wetterstationen, aber auch bestimmte indirekte Klimadaten aus Sedimenten, Bohrkern-Untersuchungen des Polareises oder Daten aus der Bristlecone-Pines-Chronologie. Das Ergebnis war ein Diagramm, das über lange Zeit einen relativ gleichmäßigen Temperaturverlauf zeigte und erst ab dem 20. Jahrhundert einen deutlichen Anstieg der Temperatur dokumentierte. Die Ähnlichkeit dieser Kurve mit der Form eines Schlägers für Eis- oder Rasen-Hockey führte schnell zu ihrem einprägsamen Namen.

Das Diagramm traf auf ein breites Medieninteresse und war insofern bedeutsam, als es den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur offenkundig darzustellen schien. Hierdurch unterstützte es die These der massiven Aufheizung der Erdatmosphäre durch menschliche Einwirkung innerhalb der letzten Jahrhunderte, deren Ursache insbesondere in der Verbrennung fossiler Energieträger gesehen wird mit der Folge einer weltweiten Erhöhung der Kohlendioxidkonzentration.

Kontroverse

Seit seiner Veröffentlichung waren die Methoden und damit auch die Ergebnisse des Hockeyschläger-Diagramms ein in der Wissenschaft und der Öffentlichkeit stark diskutiertes Thema, es wurde daher von verschiedenen Wissenschaftlern überprüft. Besonders Steven McIntyre und Ross McKitrick, Wissenschaftler des Department of Economics der University of Guelph in Toronto, Kanada analysierten das statistische Verfahren zur Gewinnung des Hockeyschläger-Diagramms und kritisierten es grundlegend.

So zeigten sich Fehler in der computerbasierten Auswertung der Basisdaten, auf denen das charakterische Diagramm beruhte. Insbesondere sollten die benutzten Mittelungsroutinen aus Programmbibliotheken implementierungsbedingt erst ab dem Jahr 1902 korrekte Ergebnisse liefern können. Auch zeigten Versuche zur Überprüfung des Programms nach der Monte-Carlo-Methode mit mehreren statistisch gleichverteilten Eingangsdatensätzen, dass auch diese unter Umständen zur bereits bekannten Hockeyschlägerform mutierten. Hinzu kämen noch Softwarefehler, die zur Verfälschung der Ergebnisse beitrugen[2].

Nach Auffassung von McIntyre und McKitrick handelt es sich bei der These von Mann um ein statistisches Artefakt.

Während auf der einen Seite die Position vertreten wurde, das Diagramm sei widerlegt, wurde einigen der Kritiken vorschnelles und unausgereiftes Vorgehen vorgehalten. Die Diskussionen über die methodischen Detailfragen wirkten vor allem deshalb so intensiv nach, weil an ihnen ungerechtfertigterweise der Beweis für die Existenz des menschlich verursachten Klimawandels festgemacht wurde.

Demgegenüber haben verschiedene seitdem durchgeführte Rekonstruktionen des Klimas der vergangenen 1.000 Jahre ein dem Hockeyschläger-Diagramm vergleichbares Bild geliefert.[3] Diese neuen Graphen haben den vom ursprünglichen Hockeyschläger-Diagramm und seinen Fehlergrenzen vorgegeben Rahmen der Temperaturentwicklung bislang nicht überschritten.[4]

Im Juli 2006 veröffentlichte die Kommission für Energie und Handel des US-Repräsentantenhauses einen Bericht zu aktuellen Untersuchungen über die Publikationen zum Hockeyschläger-Diagramm.[5] Darin werden die Publikationen von Mann als "einigermaßen obskur und unvollständig" beschrieben und die Kritikpunkte der Veröffentlichungen von McIntyre und McKitrick geteilt. Weiter wird ein Netzwerk von 43 Autoren paläoklimatischer Studien mit direkten Verbindungen zu Mann (z.B. per Co-Autorenschaft in Publikationen) beschrieben, welche bisher zitierte "unabhängige Studien" aus Sicht von Kritikern in einem nicht allzu unabhängigem Licht erscheinen lassen. Die Schlussfolgerung dieser Untersuchungen war, dass die These, 1998 soll das heißeste Jahr, die 1990er Jahre aber das heißeste Jahrzehnt der letzten 1.000 Jahre gewesen sein, nicht bestätigt wird. Richard Kerr vom mit kritisierten Wissenschaftsmagazin Science kritisierte seinerseits die Anhörung und attestierte ein anderes Ergebnis als von den Proponenten beabsichtigt und auf der Webseite verlautet.[6]. Gegenstand der Kritik durch McIntyre und McKitrick war auch, dass die Ergebnisse der statistischen R²-Analyse keinesfalls die von Mann angegebenen 0,2-1,0 erreichen, sondern deutlich darunter liegen, was die Aussagekraft der Ergebnisse insgesamt relativieren würde.

In einer Kurzkorrespondenz in der Zeitschrift Nature vom 10. August 2006 bekräftigten Bradley, Hughes und Mann, dass sie in ihrer 1998 veröffentlichen Publikation auf die großen Unsicherheiten und Widersprüche der Daten vor 1400 hingewiesen hätten, welche konkrete Rückschlüsse auf die Temperaturen in der Zeit vor 1400 verhindern.[7] Somit sei die historische Einmaligkeit der Temperaturen der letzten Jahre nach den Autoren Mann, Bradley und Hughes nicht gesichert.

Auf Bitte des National Research Council Reports (NRC) im Jahr 2006 wiederholte Mann et al. seine Klimarekonstruktion der letzten 2000 Jahre unter Verwendung einer stark vergrößerten Menge an Klimaproxies und mehrerer validierter, voneinander unabhängiger Methoden. Im Ergebnis zeigte sich erneut, dass die jüngste Erwärmung eine Anomalie für mindestens die letzten 1300 Jahre darstellt. Berücksichtigte er auch Baumring-Daten, so kann dies mit starken Einschränkungen auch für die letzten 1700 Jahre gelten.[8] Praktisch alle vergleichbaren Arbeiten zur Klimarekonstruktion über diese Zeitspannen greifen jedoch auf dieselben Chronologien zurück und sind daher nicht vollständig voneinander unabhängig.[9] Zudem wurden in bisherigen Veröffentlichungen die Unsicherheiten meist unterschätzt.[10]

Das IPCC nimmt in seinem Vierten Sachstandsbericht an, dass sich innerhalb des als Vergleich genommenen 20. Jahrhunderts (1906–2005) die Temperaturen um 0,74 °C erhöht hat, so dass die Temperatur am Ende des Jahrhunderts deutlich über diesem Durchschnitt gelegen habe.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mann, Michael E., Raymond S. Bradley und Malcolm K. Hughes (1999): Northern Hemisphere Temperatures During the Past Millennium: Inferences, Uncertainties, and Limitations, in: Geophysical Research Letters, Vol. 26, Nr. 6, S. 759–762 (PDF)
  2. "Als sie (erg.: Steve McIntyre und Ross McKitrick) Mann nach großen Schwierigkeiten dazu brachten, ihnen die Daten zu geben, stellte sich heraus, dass er in sein Programm einen Algorithmus integriert hatte, der einen Hockey-Schläger-Graphen produziert, gleichgültig, welche Daten man eingibt. Sogar Nummern aus einem Telefonbuch würden einen Hockeyschläger erzeugen" (Übersetzung aus "The 'consensus' on climate change is a catastrophe in itself", Daily Telegraph, 1. Sept. 2008 [1]
  3. National Research Council (2006): Surface Temperature Reconstructions for the Last 2,000 Years, siehe online
  4. Jones, P.D. und M.E. Mann (2004): Climate Over Past Millennia, in: Review of Geophysics 42, RG2002 (PDF)
  5. http://energycommerce.house.gov/108/home/07142006_Wegman_Report.pdf
  6. Kerr, Richard A. (2006): Politicians Attack, But Evidence for Global Warming Doesn't Wilt, in: Science, 28. Juli, Vol. 313, No. 5786, S. 421, DOI: 10.1126/science.313.5786.421, siehe Zusammenfassung online
  7. Bradley, Hughes and Mann (2006): Authors were clear about hockey-stick uncertainties, in: Nature 442, 627(10 August 2006) online
  8. M. Mann et al: Proxy-based reconstructions of hemispheric and global surface temperature variations over the past two millennia doi:10.1073/pnas.0805721105
  9. IPCC AR4, Chapter 6: Palaeoclimate, p.471: ...these new records are not entirely independent reconstructions inasmuch as there are some predictors (most often tree ring data and particularly in the early centuries) that are common between them... [2]
  10. P.D. Jones, et al., High-resolution palaeoclimatology of the last millennium: a review of current status and future prospects, The Holocene 19,1 (2009) pp. 3–49, doi:10.1177/0959683608098952

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