Holitscher

Holitscher
Arthur Holitscher

Arthur Holitscher (* 22. August 1869 in Pest; † 14. Oktober 1941 in Genf) war ein Reiseschriftsteller, Essayist, Romancier und Dramatiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Holitscher stammte aus einer großbürgerlichen, jüdischen Kaufmannsfamilie und erhielt bei einem Hauslehrer Unterricht in Deutsch sowie Religionsunterricht bei einem Rabbiner. Seine Eltern waren der Budapester Großkaufmann Eduard Holitscher (ca. 1839–1899) und dessen Nichte (Tochter seiner Schwester) Hermine Altstädter (1849–1912). Durch seine Mutter, die ihn für einen "Nichtsnutz" hielt, erfuhr er von Anbeginn an Ablehnung. Er selbst sah sich immer als Österreicher oder Deutscher, aber nicht als ungarischer Jude. Nach seiner Reifeprüfung wurde er auf Wunsch seiner Eltern in Budapest, Fiume und Wien Bankangestellter. Diesen Beruf gab er nach sechs Jahren wieder auf.

Ab 1890 begann er kleine Erzählungen, Novelletten im Stile der deutschen Naturalisten zu schreiben. Sein Interesse galt Gerhart Hauptmann, Arno Holz und Johannes Schlaf.

Paris und München

Beeinflusst durch seine persönliche und literarische Bekanntschaft mit Pariser Anarchisten und seiner Lektüre Hamsuns wurde Holitscher ab 1895 freier Schriftsteller in Paris. Hier fühlte er sich sehr einsam. Im Herbst 1895 übernahm der Münchner Verleger Albert Langen seinen ersten Roman Weiße Liebe. 1896 zog Holitscher deshalb nach München und wurde Redakteur für Langens Zeitschrift Simplicissimus. 1907 übersiedelte er nach Berlin und wurde Lektor bei Cassirer.

Reisen und Exil

Als Reiseschriftsteller ging er zuerst in die USA, im Auftrag Samuel Fischers (mit Fischer hatte er seit 1907 einen Dauerkontrakt, den dieser nach der Bücherverbrennung kündigte). Aus dieser Reise entstand sein berühmtestes Werk Amerika Heute und Morgen. Mit diesem Buch gelang ihm 1912 der schriftstellerische Durchbruch. Franz Kafka soll daraus manche Einzelheiten für seinen Roman Amerika entlehnt haben.

1933 kamen Holitschers Bücher auf die Liste der „auszumerzenden Literatur“ und wurden verbrannt. Er floh nach Paris und später nach Genf. Ab 1939 lebte er verarmt und verlassen in einem Quartier der Heilsarmee in Genf, wo er am 14. Oktober 1941 im Alter von 72 Jahren starb. Die Grabrede auf ihn hielt Robert Musil.

Werke

  • Leidende Menschen, Novelle, 1893
  • Weiße Liebe, Roman, 1896
  • Der vergiftete Brunnen, Roman in 3 Büchern, 1900
  • An die Schönheit, 1897
  • Das sentimentale Abenteuer, 1901
  • Von der Wollust und dem Tode, 1902
  • Charles Baudelaire, 1904
  • Leben mit Menschen, 1910
  • Der Golem. Ghettolegende in drei Aufzügen, 1908
  • Worauf wartest du?, Roman, 1910
  • Amerika Heute und Morgen, Reiseerlebnisse, 1912
  • Geschichten aus zwei Welten, 1914
  • In England - Ostpreußen - Südösterreich. Gesehenes und Gehörtes, 1915
  • Das amerikanische Gesicht, 1916
  • Bruder Wurm, 1918
  • O. Wilde: Ballade des Zuchthauses zu Reading, Übersetzung, 1918
  • Schlafwandler, Erzählung 1919
  • Adela Bourkes Begegnung, Roman, 1920
  • Ideale an Wochentagen, 1920
  • Drei Monate in Sowjet-Russland, 1921
  • Gesang an Palästina, 1922
  • Stromab die Hungerwolga, 1922
  • Reise durch das jüdische Palästina, 1922
  • Ekstatische Geschichten, 1923
  • Frans Masereel, mit Stefan Zweig, 1923
  • Lebensgeschichte eines Rebellen. Meine Erinnerungen, 2 Bände, 1924
  • Das Theater im revolutionären Russland, 1924
  • Der Narrenbaedeker. Aufzeichnungen aus Paris und London, 1925
  • Ravachol und die Pariser Anarchisten, 1925
  • Das unruhige Asien. Reise durch Indien - China - Japan, 1926
  • Mein Leben in dieser Zeit (1907 - 1927), 1928
  • Reisen, 1928
  • Es geschah in Moskau, Roman, 1929
  • Wiedersehn mit Amerika, 1930
  • Es geschieht in Berlin, Roman, 1931
  • Ein Mensch ganz frei, Roman, 1931

Literatur

  • Braese, Stephan: Deutsche Blicke auf "Sowjet-Russland". Die Moskau-Berichte Arthur Holitschers und Walter Benjamins. In: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 24 (1995), S. 117-147.
  • Bruchmann, Marianne: Arthur Holitscher. Dissertation. Graz 1972.
  • Chobot, Manfred: Arthur Holitscher (1869-1941). In: Literatur und Kritik 5 (2004), S. 99-111.
  • Fähnders, Walter: "Es geschah in Moskau" von Arthur Holitscher. In: Europa. Stadt. Reisende. Blicke auf Reisetexte 1918-1945. Hrsg. von Walter Fähnders, Wolfgang Klein, Nils Plath. Aisthesis, Bielefeld 2006, S. 85-106.
  • Fingerhut, Karlheinz: Erlebtes und Erlesenes – Arthur Holitschers und Franz Kafkas Amerika-Darstellungen. In: Diskussion Deutsch 20 (1989), S. 337-355.
  • Fleck: Amerika, Heute und Morgen. Reiseerlebnisse. In: Weltwirtschaftliches Archiv 1 (1913), S. 228-230. Online einsehbar unter: [IDDOC=19103]
  • Goldschmidt, Alfons: Holitscher und Dreiser. In: Die Weltbühne 25 (1929), S. 282-284.
  • Greuner, Ruth: Gegenspieler. Profile linksbürgerlicher Publizisten aus Kaiserreich und Weimarer Republik. Buchverlag Der Morgen, Berlin 1968.
  • Grossmann, Stefan: Arthur Holitscher. Der Leninist. In: Das Tagebuch (8. Januar 1921), S. 334-336.
  • Grubitz, Christoph: Die Wirklichkeit der großen Stadt 1924. Holitschers und Masereels „Narrenbaedeker“: Ein Denkbild. In: Paris? Paris! Bilder der französischen Metropole in der nicht-fiktionalen deutschsprachigen Prosa zwischen Hermann Bahr und Joseph Roth. Hrsg. von Gerhard R. Kaiser und Erika Tunner. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 2002, S. 199-217.
  • Hermand, Jost: Produktive Lektüre: Oskar Maria Grafs handschriftliche Randbemerkungen zu Arthur Holitschers Drei Monate in Sowjet-Rußland. In: Monatshefte für deutschen Unterricht, deutsche Sprache und Literatur 4 (1995), S. 420-430.
  • Herrmann, Klaus: Bekenntnisse zu Arthur Holitscher. In: Die Neue Bücherschau. Eine kritische Schriftenfolge. Dichtung, Kritik, Grafik 5 (1927), S. 205-212.
  • Hertling, Viktoria: Quer durch: Von Dwinger bis Kisch. Berichte und Reportagen über die Sowjetunion aus der Epoche der Weimarer Republik. Verlag Anton Hain Meisenheim, Königstein 1982.
  • Herzog, Andreas: ‚Writing Culture‘ – Poetik und Politik. Arthur Holitschers Das unruhige Asien. In: KulturPoetik 1 (2006), S. 20-37.
  • Mattenklott, Gert: Zeit in Holz geschnitten. Arthur Holitscher und Franz Masereel. In: Neue Rundschau 2/3 (1986), S. 125-142.
  • Rusing, Hans-Peter: Quellenforschung als Interpretation: Holitschers und Soukups Reiseberichte über Amerika und Kafkas Roman „Der Verschollene“. In: Modern Austrian Literature 2 (1987), S. 1-38.
  • Szász, Ferenc: Rilke und Arthur Holitscher. In: Blätter der Rilke-Gesellschaft 23 (2000), S. 65-77.
  • Seifert, Heribert: „Ein weises Kind geht durch die Welt“ Die Reisen des Arthur Holitscher. In: Neue Deutsche Hefte 1 (1984), S. 48-62.
  • Tucholsky, Kurt: Amerika heute und morgen. In: Vorwärts (8. November 1912). Online einsehbar unter: [1]
  • Tucholsky, Kurt (unter dem Pseudonym „Paul Panter“): Lebensgeschichte eines Rebellen. In: Weltbühne 26 (1925), S. 966. Online einsehbar unter: [2]
  • Weidermann, Volker: Das Buch der verbrannten Bücher. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008, S. 105-110. ISBN 978-3-462-03962-7.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • HOLITSCHER, ARTHUR — (1869–1941), German novelist and essayist. Born in Budapest, Holitscher worked as a bank clerk for six years, before fleeing to Paris in 1895, where his literary career took off. After the publication of his symbolist novel Weisse Liebe, ein… …   Encyclopedia of Judaism

  • Holitscher — Họlitscher,   Arthur, österreichischer Schriftsteller, * Budapest 22. 8. 1869, ✝ Genf 14. 10. 1941; war Kaufmann, Bankbeamter und Journalist, ab 1907 Verlagslektor in Berlin; vorübergehend Anhänger des Kommunismus. Neben literatur und… …   Universal-Lexikon

  • Arthur Holitscher — (* 22. August 1869 in Pest; † 14. Oktober 1941 in Genf) war ein Reiseschriftsteller, Essayist, Romancier und Dramatiker. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1.1 Paris und München 1.2 Reisen und Exil …   Deutsch Wikipedia

  • Amerika (Roman) — Der Verschollene ist neben Das Schloss und Der Process einer der drei unvollendeten Romane von Franz Kafka, entstanden zwischen 1911 und 1914, und 1927 von seinem Freund und Herausgeber Max Brod postum veröffentlicht. In den frühen Ausgaben wurde …   Deutsch Wikipedia

  • Count Richard Nikolaus von Coudenhove-Kalergi — Count Richard Nikolaus Eijiro von Coudenhove Kalergi (German: Richard Nikolaus Eijiro Graf Coudenhove Kalergi , Japanese: nihongo2|1=リヒャルト・ニコラウス・栄次郎・クーデンホーフ=カレルギー) (Tokyo, November 16, 1894 Schruns, Vorarlberg, July 27, 1972) was an Austrian… …   Wikipedia

  • Golem (disambiguation) — A golem is an artificial animated being in medieval and Jewish folklore. Golem or The Golem may also refer to: Contents 1 In literature 2 In music 3 …   Wikipedia

  • Außenseiter der Gesellschaft. Die Verbrechen der Gegenwart — ist eine literarische Reihe mit reportageartigen Darstellungen von Kriminalfällen und Kriminalprozessen, die Rudolf Leonhard 1924/25 im Berliner Verlag Die Schmiede herausgegeben hat. Insgesamt sind 14 Texte in dieser Reihe erschienen (die zum… …   Deutsch Wikipedia

  • Cafe Stefanie — Das Café Stefanie war an der Wende zum 20. Jahrhundert ein Künstlerlokal in München an der Ecke Amalienstraße/Theresienstraße in der Maxvorstadt. Es war ein Treffpunkt für die Schwabinger Bohème und lag in der Nähe der Kabaretts Simplicissimus… …   Deutsch Wikipedia

  • Der Verschollene — ist neben Das Schloss und Der Process einer der drei unvollendeten Romane von Franz Kafka, entstanden zwischen 1911 und 1914 und 1927 von seinem Freund und Herausgeber Max Brod postum veröffentlicht. In den frühen Ausgaben wurde der Roman unter… …   Deutsch Wikipedia

  • Der vergiftete Brunnen — ist ein 1900 erschienener Roman des literarischen Jugendstils in drei Büchern von Arthur Holitscher. Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt 2 Kritik 3 Beispiele aus dem Text …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”