Homo faber – Ein Bericht

Homo faber – Ein Bericht

Homo faber. Ein Bericht ist der Titel eines 1957 erschienenen Romans von Max Frisch. Die Hauptfigur, der erfolgreiche Maschinenbauingenieur Walter Faber, geht unwissentlich eine Liebesbeziehung zu seiner eigenen Tochter Elisabeth ein, die jedoch ein tragisches Ende nimmt. Im Laufe des Romans muss Faber durch verschiedene unvorhersehbare Ereignisse innerhalb weniger Monate feststellen, dass seine technische Weltsicht nicht ausreichend für die Erfassung der Wirklichkeit ist und ihn viel Lebensgenuss gekostet hat. 1991 wurde der Roman von Volker Schlöndorff (Filmtitel: Homo Faber) verfilmt.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Roman beginnt mit dem verspäteten Abflug der „Super-Constellation“ aus New York. Während des Fluges lernt Faber den jungen Herbert Hencke kennen, den Bruder seines früheren Studienfreundes Joachim und späteren Ehemannes seiner Jugendliebe Hanna, die ihn in Anspielung auf seine Technikgläubigkeit (siehe den Begriff Homo faber in der philosophischen Anthropologie) „Homo Faber“ nannte.

Unerwartet kommt es zu einem erheblichen Materialschaden am Triebwerk der Propellermaschine, auf der sich Walter befindet. Aus diesem Grund ist der Pilot gezwungen, eine Notlandung einzuleiten, die sich mitten in der Wüste ereignet, wobei Faber es aber den Umständen entsprechend gut geht.

Er entschließt sich kurzfristig seine Reise nach Caracas zu verschieben, um Herbert bei der Suche nach Joachim zu begleiten. Nach einer Irrfahrt durch den Dschungel Mittelamerikas finden sie Joachim erhängt auf seiner Plantage. Nachdem Herbert sich entschlossen hat zu bleiben, reist Faber allein nach New York zurück, wo er sich noch einmal mit seiner Geliebten Ivy trifft. Genervt von ihrem Heiratswunsch, entschließt er sich kurzfristig per Schiff nach Europa zu reisen. Durch Zufall kann er einen Bordplatz ergattern. Auf dem Schiff lernt er die junge Elisabeth, von ihm Sabeth genannt, kennen und ein Liebesverhältnis entwickelt sich. In Paris angekommen, nimmt sich Faber ein paar Tage Urlaub. Er besucht mehrmals den Louvre in der Hoffnung, Sabeth wiederzutreffen. Als dies geschieht, beschließt Faber spontan, sie auf ihrer Heimreise nach Athen und zu ihrer Mutter zu begleiten. Sie unternehmen eine romantische Bildungsreise durch Südfrankreich, Italien und Griechenland. In Avignon ist er durch das Erlebnis einer Mondfinsternis so überwältigt, dass er sich von seinen Gefühlen leiten lässt und mit Sabeth schläft. Faber, der ansonsten die ganze Welt durch Technik erklären und sie somit bewältigen kann, scheitert an der einfachsten Rechnung: die Jahre von der Geburt Hannas Kindes bis zu Sabeths Alter zu zählen, und dadurch zu erkennen, was dem Leser längst bekannt ist, dass Sabeth seine eigene Tochter ist.

Im Jahre 1935 bekam Faber eine Stelle als Ingenieur in Bagdad angeboten, gleichzeitig teilte Hanna ihm mit, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Er reagierte sehr verhalten darauf. Aus diesem Grund lehnte Hanna eine standesamtliche Trauung ab. Faber führt ihr Verhalten im Nachhinein darauf zurück, dass er von „deinem“ Kind und nicht von „unserem“ sprach. Letztlich einigten sie sich auf einen Schwangerschaftsabbruch, Hanna hielt sich jedoch nicht an diese Vereinbarung und brachte Elisabeth zur Welt, ohne Faber darüber in Kenntnis zu setzen. Sie heiratete Joachim, den sie durch Faber kennengelernt hatte.

Die inzestuöse Liebesgeschichte schlägt um in eine „Schicksalstragödie“, als Elisabeth am Strand in Griechenland von einer Schlange gebissen wird, vor dem zur Hilfe eilenden nackten Vater zurückweicht und rücklings über eine Böschung fällt. Mit einer bewusstlosen Tochter im Arm kehrt Faber nach Athen zurück, trifft dort auf Hanna und erfährt schließlich, dass Sabeth seine Tochter ist. Nachdem Sabeth kurz darauf im Krankenhaus einer nichtdiagnostizierten Hirnblutung erliegt, entschließt sich Faber seinen Job zu kündigen, um bei Hanna zu bleiben und sie zu heiraten. Er unternimmt eine letzte große Reise. In New York kündigt er seine Wohnung und besucht abermals Herbert in Guatemala. Auf seiner Rückreise nach Athen legt er einen viertägigen Stopp in Havanna ein, wo er noch einmal von Lebenslust ergriffen wird, aber auch den Tod zu akzeptieren lernt, trifft in Zürich seinen ehemaligen Professor O., der vom Tode gezeichnet ist und möchte die Firma von Herbert in Düsseldorf über die Entwicklung auf der Plantage informieren. Diese letzte große Reise Fabers ist überschattet von seiner Trauer um den Tod seiner Tochter und der wachsenden Ahnung seines eigenen Todes. Sein Magenleiden, das sich im Laufe des Romans immer öfter bemerkbar macht, entpuppt sich als Magenkrebs. In Athen unterzieht sich Faber einer Operation, an deren Morgen Fabers Bericht abbricht. Laut Volker Schlöndorff ist Fabers Tod die von Max Frisch intendierte Interpretation.

Frisch setzt sich in seinem Werk mit mehreren Themen auseinander, so zum einen mit dem Konflikt zwischen Mensch und Maschine bzw. Natur und Technik. Dabei kritisiert er den Typ des Homo faber, der in den 50er Jahren als Leitbild für zweckrationales Rollenverhalten stand. Ebenfalls ein wichtiges Thema, welches sich wie ein roter Faden durch Frischs Werk zieht, ist die Identitätsproblematik. Dabei geht es um das alttestamentarische Gebot „Du sollst dir kein Bildnis machen“, was Frisch auch auf den Menschen überträgt. Sowohl Hanna als auch Faber selbst bedienen das rollenfixierte Klischee ihres eigenen Geschlechts. Sie machen sich ein „Bildnis“ von sich und dem anderen. Dadurch werden sie zu Gefangenen ihrer jeweiligen Rolle (Konflikt Mann – Frau). Deshalb verfehlen sie das wirkliche Leben und scheitern letztlich an ihrer eigenen Existenz. Weitere Themen sind Amerika (Neue Welt) gegen Europa (Alte Welt) und die Vergänglichkeit des Lebens bzw. das Akzeptieren des Todes.

Vorgeschichte

In der Vorgeschichte, die durch Einschübe in die „eigentliche“ Geschichte integriert ist, erhält der Leser wichtige Informationen über Hanna und Elisabeth, wobei die Angaben über Faber selbst knapp bleiben. Chronologisch gesehen beschreibt die Vorgeschichte den Zeitraum von 1933 - 1956. Des Weiteren erfährt der Leser, dass Faber seit 1956 für die UNESCO als Maschinenbauingenieur tätig ist und seit ca. 1946 in New York wohnt.

Hauptgeschichte

Frisch lässt den Ich-Erzähler Walter Faber rückblickend über die merkwürdige Verkettung von Ereignissen in den letzten fünf Monaten seines Lebens berichten.

Fabers Bildnis von sich und der Welt

  1. Rationalist:„Ich glaube nicht an Fügung und Schicksal, als Techniker bin ich gewohnt, mit den Formeln der Wahrscheinlichkeit zu rechnen.[...] Ich brauche, um das Unwahrscheinliche als Erfahrungstatsache gelten zu lassen, keinerlei Mystik, Mathematik genügt mir.“
    (Homo faber, S. 22 Suhrkamp BasisBibliothek-Ausgabe)
  2. Abneigung gegenüber der Natur, die sich seiner Beherrschung durch Technik entzieht:
    „Ich fühle mich nicht wohl, wenn unrasiert; nicht wegen der Leute, sondern meinetwegen. Ich habe das Gefühl, ich werde etwas wie eine Pflanze, wenn ich nicht rasiert bin…“ (S. 27)
  3. Der Mensch als Mangel- und sterbendes Wesen:
    „Ich habe sie immer gefürchtet; was man auch dagegen tut: ihre Verwitterung. Überhaupt der ganze Mensch! – als Konstruktion möglich, aber das Material ist verfehlt: Fleisch ist kein Material, sondern ein Fluch.“ (S. 171)
  4. Bindungsunfähigkeit:
    „Ich kannte ihre Vorwürfe und hatte sie satt. Dass ich grundsätzlich nicht heirate, das hatte ich oft genug gesagt, zumindest durchblicken lassen, zuletzt aber auch gesagt, und zwar auf dem Flugplatz, als wir drei Stunden lang auf diese Super-Constellation hatten warten müssen. Ivy hatte sogar geweint, somit gehört, was ich sagte.“ (S. 31)
  5. Abschätziges Frauenbild:
    Sein negatives Frauenbild verdeutlicht sich in seiner abwertenden Naturbeschreibung (zum Beispiel „Monatsblut“ für die Farbe eines Tümpels im Morgenrot)
    Des Weiteren unterstellt er Frauen den „Automatismus der Instinkte“, welchen er als das komplette Gegenteil des menschlich-rationalen Denkens sieht. Faber, der sich selbst als Anhänger der zweiten Denkweise sieht, wertet somit die aus seiner Sicht durch Frauen symbolisierte weibliche Naturverbundenheit kategorisch ab.
  6. Der „Homo Faber“:
    Bezeichnung von Hanna für ihn. Zudem Hauptthema des Romans. Frisch kritisiert die Reduzierung der Welt auf Technik und die ungleiche Behandlung von Mann und Frau.

Fabers Wandlung: „Mein Entschluß, anders zu leben“

Man kann eine Wandlung Fabers im Laufe des Romans feststellen, die vor allem an der sprachlichen Gestaltung sichtbar wird. Anfangs berichtet Faber in Erzählblöcken, die linear aufeinander folgen und aufgefasste Gegebenheiten wiedergeben. Faber ist ein einfacher Protokollant, der sachlich und durchaus genau seinen „Bericht“ erstattet. Er verfasst alles in einer eindimensionalen Sprache, die den Anschein geben soll, nur auf expliziten Gegebenheiten zu beruhen. Jedoch merkt man immer wieder, dass Faber eigentlich ein empfindsamer und nachdenklicher Protagonist ist, beispielsweise wenn er bestreiten will, dass in schwarzen Agaven „schwarze Seelen“ zu erkennen sind, wie es andere Menschen meinen würden. Kaum gesteht er sich jedoch ein, dass es Schönheit in der Natur oder Schicksal geben könnte, versucht er die Gedanken durch rationale Überlegungen im Gebiet der Stochastik u.a. zu unterbinden. Es gelingt ihm jedoch nicht, einen vollständig sachlichen Bericht zu schreiben, oftmals unterbrechen Einschübe seiner Gedanken den Erzählfluss.

In seinen Prinzipien lässt sich eine gewisse Diskontinuität entdecken. Auf der einen Seite lehnt er gegenüber Ivy das Heiraten ab, auf der anderen wünscht er sich gegen Ende, Hanna zu heiraten.

Im Laufe der Handlung gelingt es Faber immer weniger, seine Gefühle zu unterdrücken und auf seiner Rolle als Techniker zu beharren. Seine Erlebnisse in Kuba bringen ihm ein bisher völlig neues Verhältnis zur Umwelt. Er entdeckt die Schönheit in ihr und seine Scheu gegenüber den Mitmenschen verschwindet, er streichelt beispielsweise einen kleinen Jungen. Allgemein kann man sagen, dass er in Kuba, dessen Einwohner er aufgrund ihrer unbeschwerten Art sehr achtet, sein Leben zu genießen lernt. So beendet er auch sein Filmen, da er sich nun auf seine geistigen Erinnerungen stützen kann, die er vorher bildlich mit seiner Kamera festhalten musste. Bei der Filmvorführung in Düsseldorf gesteht er sich alle Emotionen ein, die er für Sabeth hatte. Letztlich bemerkt Faber, dass sein technischer Blick auf die Welt dieser nie gerecht wurde und sie nie vollständig erfassen konnte.

Zwar ändert Faber sein Leben und verändert sich letztlich dadurch auch selbst, jedoch war der Kern seiner Persönlichkeit von Anfang an vorhanden. Er war immer schon gefühlvoll. Möglicherweise ist sein Erkalten durch die plötzliche Trennung von Hanna zu erklären, die ihn sehr verletzt und dazu veranlasst hat, sich keiner Frau mehr zu öffnen. Die Ereignisse führen jedoch zu einem Abbau dieser Schutzmauer und sein wahres Ich kommt wieder zum Vorschein.

Aufbau

Zeitebenen

  • Die ältere Vergangenheit des Erzählers (1933-1956), die durch stark raffende Rückblenden vor allem in der „ersten Station“ aufgerollt wird.
  • Die jüngere Vergangenheit des Erzählers: Die „erste Station“ verfasst Faber bereits krank im Hotelzimmer in Caracas (Erzählzeit: 21. Juni – 8. Juli). Darin rekonstruiert er die Ereignisse vom verspäteten Abflug in NY bis zum Tod Sabeths (erzählte Zeit: 1. April – 4. Juni).
  • Die Ereignisse nach dem Tod Sabeths. Die „zweite Station“ entsteht, während Faber mit Magenkrebs in Athen im Krankenhaus liegt (Erzählzeit: ab 19. Juli, erzählte Zeit: 8. Juni – 16. Juli sowie Tagebuch)

Mythisches Vorspiel

Max Frisch paraphrasiert in Homo faber das Nekyia-Motiv in drei Episoden, die der eigentlichen Handlung vorangestellt sind. Der Protagonist und Ich-Erzähler wird an den Tod gemahnt (Ohnmacht auf der Flughafen-Toilette), gerät in Todesgefahr (überstandener Flugzeugabsturz) und findet nach einer gespenstischen Anreise durch den unwegsamen Regenwald Mittelamerikas seinen Jugendfreund in dessen Plantagen-Baracke erhängt durch Suizid. Nach diesem Vorspiel beginnt die Haupthandlung.

Figuren

Hanna Piper, geb. Landsberg

Hanna ist eine aus München stammende Halbjüdin. Sie studiert Kunstgeschichte in Zürich, ist mit Faber befreundet und wird 1935 von ihm schwanger. 1936 heiratet sie Joachim Hencke, kurz darauf wird ihre Tochter Elisabeth geboren. Wenig später trennt sich Hanna wieder von Joachim und geht nach Paris. Vor dem deutschen Einmarsch in Frankreich flieht sie nach England, wird englische Staatsbürgerin und heiratet kurz nach dem Krieg den deutschen Kommunisten Piper. 1953 lässt sie sich wieder scheiden und arbeitet seitdem als selbstständige Archäologin in Athen.

Hanna hat also immer wieder Männer-Beziehungen, will jedoch unabhängig von den Männern sein. Sabeth sieht sie immer als ihre eigene Tochter an, an deren Erziehung sie niemanden teilhaben lässt, was später oft zum Streit mit Faber führt, besonders während Sabeths Krankenhausaufenthalt. Hannas Einstellung, ein Kind brauche keinen Vater, weist egoistische Züge auf.

Hanna ist sehr emanzipiert und entspricht nicht dem Stereotypen von Fabers Frauenbild. Nach Sabeths Tod verfällt sie in eine Stimmung, die einer Maschine sehr ähnlich ist. Schweigend kommt sie immer wieder in das Zimmer des kranken Fabers. Nur kurz nach dem Tod Sabeths offenbart sie ihre Gefühle, indem sie auf Faber mit Fäusten einschlägt. Sie selbst empfindet ihr Leben als verpfuscht, was Faber jedoch auf Grund ihrer Intelligenz und ihres beruflichen Erfolges zurückweist. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Erwartungen an das Leben und an das Glück sehr unterschiedlich aussehen. Faber sieht in ihr die Karrierefrau von morgen, übersieht dabei aber, dass das Leben eines Menschen nicht auf dessen beruflichen Erfolg zu reduzieren ist. Hanna hingegen erkennt, dass sie nie wirklich glücklich war. Sie hatte Pech mit den Männern, hat sie vielleicht teilweise gar selbst vertrieben (beispielsweise Joachim, der sich aufgrund ihrer Sterilisation letztendlich von ihr trennte) und sieht nun den einzigen Pol des Glücks in ihrem Leben (Elisabeth) von sich gehen.

Elisabeth Piper

Sabeth ist die Tochter von Hanna und Walter. Ihr richtiger Name ist Elisabeth, jedoch nennt ihre Mutter sie „Elsbeth“ während Faber sie „Sabeth“ ruft. Sie ist fröhlich und optimistisch. Sie kann sich im Gegensatz zu Faber an natürlichen Dingen erfreuen, zeigt aber auch technisches Interesse. Sie hat viele Interessen, ist klug, gebildet und offen für Neues. Positiv fällt auf, dass sie eine gewisse Vorstellungskraft und Fantasie besitzt und diese auslebt, ohne den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie interessiert sich sehr für die alten Ruinen in den italienischen Städten und versucht Walter von deren Schönheit zu überzeugen. Dies gelingt ihr allerdings nur mäßig.

Faber sieht in ihr ein naives Kind, welchem er überlegen ist und welches so in ihm einen Beschützerinstinkt weckt. Außerdem vergleicht er seine Jugendliebe Hanna, beziehungsweise ihre Handlungsweisen und Charakterzüge mit denen von Sabeth, was zugleich eine Vorausdeutung auf ein späteres Wiedersehen mit ihr ist. Neben Hanna ist sie auch die Einzige, die zu ihm und seiner von Technik bestimmten Welt durchdringen kann.

Ivy

Das 26jährige Mannequin Ivy, verheiratet mit einem Beamten in Washington, ist Fabers Geliebte, zu der er ein oberflächliches Verhältnis unterhält: „Ivy war Mannequin, sie wählte eine Wagenfarbe, die zu ihrem Lippenstift passte.“ Seine Beziehung zu ihr ist rein funktional. „Ihr Name ‚Ivy‘ heißt Efeu, und so heißen für mich eigentlich alle Frauen.“ (S. 91) Diese Einstellung zeigt zweierlei: die Frau als gesellschaftliches Schmuckwerk des Mannes, aber auch als Sumpfgewächs (vgl. S. 18), das den Mann mehr und mehr umklammert: „Ich kannte nur ihren ewigen Vorwurf, dass ich überhaupt keinen Geschmack habe und dass ich sie nicht heirate.“ (S. 31) Ivy liest seine Hand und weint „als sie von meiner kurzen Lebenslinie redete.“ (S. 61) Ivy reagiert oft sehr emotional, was Faber jedoch kalt lässt. Faber unternimmt mehrere Fluchtversuche, um Ivy loszuwerden, und beendet die Beziehung schließlich per Brief während seines Aufenthaltes in der Wüste. Allerdings will Ivy diese Entscheidung nicht wahrhaben und schafft es ein letztes Mal Faber um den Finger zu wickeln, bevor er schließlich mit dem Schiff nach Europa flieht. Ivy symbolisiert außerdem eine „typische“ Vertreterin des „American way of life“, welcher sich besonders darin manifestiert, dass sie sehr künstlich und wenig natürlich schön ist – ganz im Gegensatz zu Hanna und Sabeth.

Joachim Hencke

Joachim Hencke, die einzige Person, die während der Romanhandlung nicht mehr lebt, sondern nur in Rückblenden erwähnt wird, ist Fabers ehemaliger Züricher Studienfreund aus Düsseldorf. Nachdem Faber von Hannas Schwangerschaft erfahren hatte, bat er Joachim (zu dieser Zeit: „Mediziner im Staatsexamen“) um Hilfe bei dem Schwangerschaftsabbruch, wozu es jedoch nicht kam. Hanna trennte sich vorher von Faber und ging eine Heirat mit Joachim ein. Gemeinsam zogen sie Elisabeth groß. Hannas alleiniger Besitzanspruch an das Kind und ihre Sterilisation führten jedoch zur Scheidung und Joachim meldete sich freiwillig zur Wehrmacht. Im Zweiten Weltkrieg geriet er in Gefangenschaft, danach ging er zurück nach Düsseldorf.

Faber hat seit zwanzig Jahren nichts mehr von Joachim gehört, als er auf seinen Bruder Herbert trifft, der ihm von der Plantage in Guatemala erzählt, die Joachim führt. Als die beiden dort ankommen, finden sie Joachim erhängt in seiner Wohnung. Er ist bereits seit mehreren Tagen tot; der Auslöser für seinen Suizid wird jedoch nicht weiter thematisiert und obliegt der Interpretation des Lesers.

Herbert Hencke

Herbert Hencke ist Joachims Bruder; er stammt ebenfalls aus Düsseldorf und trifft während der Flugreise, die zur Notlandung führt, auf Faber.

Er war im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront und ist überzeugt, dass alle Russen von Grund auf böse und nur durch Waffengewalt zu belehren seien. Faber stört sich zunächst an dieser geschwätzigen und einfältigen Art, findet in Herbert schließlich jedoch einen guten Reisebegleiter. Als er erfährt, dass Herbert Joachims Bruder ist und zu eben dem unterwegs ist, folgt er ihm nach Guatemala.

Nachdem Herbert mit Faber seinen erhängten Bruder Joachim gefunden hat, verfällt er in eine Art Schockzustand, beschließt seine Familie und seinen Beruf aufzugeben und das verflossene Leben seines Bruders weiterzuführen, ohne Ziele, ohne Pläne. Der Schockzustand geht über in Resignation und Gleichmut, welche seitdem sein Leben bestimmen.

Herbert und Faber treffen später ein zweites Mal aufeinander, als Faber der Plantage nach Elisabeths Tod einen zweiten Besuch abstattet.

Marcel

Marcel ist ein junger Amerikaner, den Faber und Herbert auf dem Weg zu Joachims Plantage kennenlernen. Er verbringt seine Ferien damit, Kopien von den steinernen Reliefs der Maya-Pyramiden mit Hilfe von Pauspapier und schwarzer Kreide anzufertigen. Marcel ist fest davon überzeugt, dass durch Fotografieren das Bildnis stirbt. Faber kann ihn nicht ernst nehmen – er fühlt sich aber dennoch von Marcel mit seiner eigenen Denk- und Lebensauffassung konfrontiert, da Marcels Weltbild dem seinen entgegengesetzt ist. So zum Beispiel seine kritische Meinung gegenüber der amerikanischen Welt.

Professor O.

Professor O. ist Fabers ehemaliger Professor an der ETH Zürich. Er ist Techniker wie Faber und vertritt die Auffassung, Reisen sei primitiv, es gäbe inzwischen bessere Mittel der Kommunikation; in einigen Jahren würde einem die Technik die Welt ins Wohnzimmer holen, und nur noch Hochzeitspaare reisten durch die Welt. Als Faber ihm in Paris begegnet, ist Professor O. vom Magenkrebs gezeichnet. Faber, der von seiner Krankheit weiß, ist überrascht, dass er überhaupt noch am Leben ist. Professor O. hat für Faber die Funktion eines Todesboten.

Bild:Personenkonstellation1.jpg

Chronologie der Ereignisse

Erste Station

1957

24. März Abends: Abflug Fabers aus New York (Die „Hochburg der Technik“)
25.-28. März Notlandung und Aufenthalt in der Wüste Mexikos (Tamaulipas)
29.-30. März Aufenthalt in Campeche
31. März-5. April Aufenthalt in Palenque
9. April Ankunft auf J. Henckes Plantage in Guatemala, ein Tag später (vermutlich) Rückkehr nach Palenque
19. April Faber in Caracas (Venezuela)
21. April Reise nach New York zu Ivy
22.-30. April Schiffsreise von New York nach Le Havre
29. April Fabers 50. Geburtstag auf dem Schiff; letzter Abend an Bord; Heiratsantrag an Sabeth
1. Mai Paris
13.-25. Mai Italienreise mit Sabeth, Überfahrt nach Korinth
13. Mai Mondfinsternis, Erste Übernachtung und intimes Zusammensein
26.-27. Mai Nacht in Akrokorinth
27. Mai mittags: Sabeths Unfall am Strand von Theodohori
27. Mai Aufenthalt in Athen, Wiedersehen mit Hanna, Übernachtung in ihrer Wohnung
28. Mai morgens - mittags: abermals Fahrt nach Theodohori; 14 Uhr: Tod Sabeths durch Hirnblutung
29. Mai Paris

Zweite Station

31.05.-01.06. Faber befindet sich wieder in New York
02.06. Flugreise nach Merida, Weiterfahrt nach Campeche und Palenque. Besuch bei Herbert Hencke auf der Plantage in Guatemala
20.06.-08.07. Aufenthalt in Caracas, ab 21.06. verfasst Faber, während seines Krankenhausaufenthaltes, auf seiner Hermes Baby den ersten Teil des Berichts
09.07.-13.07. Faber in Havanna (Kuba)
15.07. Düsseldorf, Filmvorführung, kurzer Aufenthalt
16.07. Zürich (Schweiz)
18.07. Athen (Symbol der Vergangenheit)
19.07.-21.07. Krankenhaus in Athen, wo Faber den zweiten Berichtteil und Tagebuch (kursiv-druck) schreibt
21.07. 8:05 Uhr: Operation (Faber vermutet, dass er Magenkrebs hat); die Aufzeichnungen (Bericht) brechen ab

Selbstaussagen des Autors

In einem Gespräch mit Schülern äußerte sich Max Frisch zur Rolle Walter Fabers: „Dieser Mann lebt an sich vorbei, weil er einem allgemein angebotenen Image nachläuft, das von ‚Technik‘. Im Grunde ist der ‚Homo Faber‘, dieser Mann, nicht ein Techniker, sondern er ist ein verhinderter Mensch, der von sich selbst ein Bildnis gemacht hat, […] das ihn verhindert, zu sich selber zu kommen.“[1]

Literatur

  • Manfred Eisenbeis: Lektürehilfen Max Frisch, „Homo faber“. 15. Aufl. Stuttgart: Klett, 2003. ISBN 3-12-922306-1
  • Hans Geulen: Max Frischs „Homo faber“. Studien und Interpretationen. Berlin: De Gruyter, 1965.
  • Mona und Gerhard P. Knapp: Max Frisch: Homo faber. Frankfurt am Main: Diesterweg, 1987. ISBN 3-425-06043-0
  • Manfred Leber: Vom modernen Roman zur antiken Tragödie. Interpretation von Max Frischs „Homo faber“. Berlin: De Gruyter, 1990. ISBN 3-11-012240-5.
  • Bernd Matzkowski: Max Frisch: Homo faber. Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 148). Hollfeld: Bange Verlag 2005. ISBN 978-3-8044-1783-0
  • Reinhard Meurer: Max Frisch, „Homo faber“: Interpretation. 3. Aufl. München: Oldenbourg, 2002. ISBN 3-486-88610-X
  • Klaus Müller-Salget: Max Frisch. Homo Faber. Stuttgart: Reclam 2008. ISBN 3-15-016064-2
  • Walter Schmitz (Hrsg.): Frischs Homo Faber. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1983. ISBN 3-518-38528-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zitiert nach: Müller-Salget: Max Frisch. Homo Faber, S. 139

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