Hutaufstand

Hutaufstand
Madrider Hutaufstand von Francisco de Goya.

Der Madrider Hutaufstand (auch Aufstand der Hüte; span. Motín de Madrid, Motín de Esquilache, oder Motín contra Esquilache oder Motín de Aranjuez) war ein unblutiger Aufstand im Jahre 1766 in Spanien gegen den Marquis de Esquilache, Minister (rey alcalde) unter König Karl III..

Vordergründiger Anlass war das am 10. März erlassene Verbot der Regierung, in Madrid den runden, breitkrempigen Hut (sombrero redondo) und den traditionellen langen Mantel (capa larga) zu tragen. Stattdessen wurde der Dreispitz und der französische kurze Mantel für Männer vorgeschrieben. Bei Missachtung drohten Geldstrafe und Kerker. Vorgeblich sollte diese Kleidung verhindern, dass Verbrecher unter dem Schutz dieser Kleidung unerkannt ihre Taten begingen. Auch glaubte der „aufgeklärte“ Monarch Karl III. wahrscheinlich, durch Verbot der im übrigen Europa als altmodisch empfundenen Kleidung, den Anschein des gesellschaftlichen Fortschritts zu erwecken (Darin nicht unähnlich anderen Herrschern von Peter dem Großen über Reza Khan und Atatürk zu Mao Zedong und anderen). Ein weiterer Grund mag die Neigung des bourbonischen Königs italienischer Abstammung zur französischen Kultur gewesen sein.

Namengebend war Leopoldo de Gregorio, Marquis de Esquilache, der die Kleidernorm initiierte und deren Durchsetzung durchführte. Er gehörte zu dem zahlreichen italienischen Gefolge, das der König von Sizilien mitbrachte, als er 1759 nach Madrid kam, um sein Amt anzutreten. Der neue König erkannte schnell die Rückständigkeit seines neuen Landes und versuchte, gemeinsam mit seinen Italienern die Verhältnisse zu verbessern. Er förderte Handel und Industrie, schaffte veraltete Gesetze ab und führte Reformen ein, die zwar meist durchaus sinnvoll waren, aber mit großer Arroganz und Unkenntnis der Verhältnisse durchgeführt wurden. Als etwa den Madridern verboten wurde, ihren Abfall zum Fenster hinauszuwerfen, jedoch ohne dass eine Alternative angeboten wurde, und die Madrider sich darüber beklagten, verglich der König sie mit „Kindern, die schreien, wenn ihre Gesichter gewaschen werden“.

Das Krisenpotential wurde verstärkt durch die Brotkrise, unter der die einfache Bevölkerung litt. Karl III. war gezwungen, den von seinem Bruder Ferdinand VI. hinterlassenen Haushalt durch Verschlechterung der Münzen zu sanieren. Der Versuch, nach Vorbild der Gallikanischen Kirche auch die spanische Kirche aus der Abhängigkeit vom Papst zu lösen, führte zu Konflikten mit der Geistlichkeit, vor allem mit den besonders romtreuen Jesuiten. Viele spanische Adelige passten sich den neuen Verhältnissen an, während die anderen umso verbissener an den alten Formen festhielten, was sie auch durch ihre Kleidung demonstrierten.

In dieser brisanten Lage kam die neue Kleidervorschrift unter fadenscheinigem Vorwand. Der Aufstand brach 13 Tage nach dem Verbot am Palmsonntag (23. März) aus und breitete sich von Madrid rasch aus. „Muera Esquilache!“ (Stirb Esquilache!) und „Muera el mal gobierno!“ (Tod der schlechten Regierung) hieß es bald im ganzen Land. Es wird geschätzt, dass sich am Ende 50.000 Menschen daran beteiligten. Der König floh nach Aranjuez und überließ die Regierung dem Minister Pedro Pablo Aranda. Die Truppen konnten die Autorität der Staatsmacht nicht wiederherstellen. Nur dem Eingreifen zweier Jesuiten, Padre Osma und Padre Cueva, war es zu verdanken, dass die Aufständischen gegen kleinere Zugeständnisse und die Entlassung von Esquilache nachgaben.

Esquilache verließ über Cartagena das Land und schiffte sich nach Neapel ein. Später wurde er spanischer Botschafter in Venedig. Dieses Amt behielt er bis zu seinem Tod 1785. Obwohl er den Jesuiten seine Rettung verdankte, konnte der König den Verdacht nicht loswerden, dass diese die eigentlichen Urheber des Aufstands gewesen seien. 1767 wurde der Jesuitenorden in Spanien verboten. Karl III. hat maßgeblichen Anteil an der Auflösung des Ordens durch Papst Clemens XIV. im Jahre 1773.

Eine Szene, in der die demonstrierende Menge durch einen Jesuiten in Zaum gehalten wurde, hat Goya in seinem Bild El motín de Esquilache (vermutlich 1767) festgehalten.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Madrider Hutaufstand — von Francisco de Goya. Der Madrider Hutaufstand (auch Aufstand der Hüte; span. Motín de Madrid, Motín de Esquilache, oder Motín contra Esquilache oder Motín de Aranjuez) war ein unblutiger Aufstand im Jahre 1766 in Spanien gegen den Marquis de… …   Deutsch Wikipedia

  • 1766 — Portal Geschichte | Portal Biografien | Aktuelle Ereignisse | Jahreskalender ◄ | 17. Jahrhundert | 18. Jahrhundert | 19. Jahrhundert | ► ◄ | 1730er | 1740er | 1750er | 1760er | 1770er | 1780er | 1790er | ► ◄◄ | ◄ | 1762 | 1763 | 1764 | 17 …   Deutsch Wikipedia

  • Aufstand der Hüte — Madrider Hutaufstand von Francisco de Goya. Der Madrider Hutaufstand (auch Aufstand der Hüte; span. Motín de Madrid, Motín de Esquilache, oder Motín contra Esquilache oder Motín de Aranjuez) war ein unblutiger Aufstand im Jahre 1766 in Spanien… …   Deutsch Wikipedia

  • 23. März — Der 23. März ist der 82. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 83. in Schaltjahren), somit bleiben 283 Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage Februar · März · April 1 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Jesuitenverbot — Mit Jesuitenverbot wird insbesondere der in der katholischen Kirchengeschichte einzigartige Vorgang bezeichnet, bei dem der Papst Clemens XIV. 1773 den stärksten Orden aufhob und dem Papsttum damit eine wichtige Stütze raubte. Daneben sind noch… …   Deutsch Wikipedia

  • 10. März — Der 10. März ist der 69. Tag des Gregorianischen Kalenders (der 70. in Schaltjahren), somit bleiben noch 296 Tage bis zum Jahresende. Historische Jahrestage Februar · März · April 1 2 …   Deutsch Wikipedia

  • Jakob Baegert — Stark verwitterte Grabplatte Jakob Baegerts in Neustadt an der Weinstraße (2010): P. JACOBUS BAEGERT S.J., OBIIT DIE 29. SEPT. 1772 Christoph Johannes Jakob Baegert, auch: Begert (* 22. Dezember 1717 in Schlettstadt; † 29. September 1772 in… …   Deutsch Wikipedia

  • Jesuiten — Il Gesù in Rom, Mutterkirche des Jesuitenordens Als Jesuiten werden die Mitglieder der katholischen Ordensgemeinschaft Gesellschaft Jesu (Societas Jesu, Ordenskürzel: SJ) bezeichnet, die am 15. August 1534 von einem Freundeskreis um Ignatius von… …   Deutsch Wikipedia

  • Aufhebung des Jesuitenordens — Marquês de Pombal „Ausweisung der Jesuiten“ von Louis Michel van Loo und Claude Joseph Vernet, 1766. Befindet sich im Museu da Cidade de Lisboa. Die Aufhebung des Jesuitenordens erfolgte 1773 durch Papst Clemens XIV. auf Druck der Könige von… …   Deutsch Wikipedia

  • Jerónimo Grimaldi — Pablo Jerónimo Grimaldi y Pallavicini (* 1710 in Genua; † 1. Oktober 1789) war ein spanischer Diplomat. Inhaltsverzeichnis …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”