Hydruntum

Hydruntum
Otranto
Otranto (Italien)
DMS
Otranto
Staat: Italien
Region: Apulien
Provinz: Lecce (LE)
Koordinaten: 40° 9′ N, 18° 29′ O40.1518.48333333333315Koordinaten: 40° 9′ 0″ N, 18° 29′ 0″ O
Höhe: 15 m s.l.m.
Fläche: 76 km²
Einwohner: 5.494 (2006)
Bevölkerungsdichte: 72 Einw./km²
Postleitzahl: 73028
Vorwahl: 0836
ISTAT-Nummer: 075057
Demonym: Idruntini oder Otrantini
Schutzpatron: Beati Martiri Idruntini
Website: Otranto

Otranto [ˈɔːtranto] ist eine Hafenstadt in der Provinz Lecce in Apulien, Italien.

Inhaltsverzeichnis

Lage und Daten

Die Stadt liegt am südlichen Ende der Ostküste Italiens auf der Halbinsel Salento, etwa 35 Kilometer südöstlich von Lecce. Die Meerenge, die der Stadt vorgelagert ist, wird als Straße von Otranto bezeichnet. In Otranto leben 5494 Einwohner (Stand am 31. März 2006). Haupteinnahmequelle ist der sommerliche Tourismus sowie die Landwirtschaft. Der früher in der Umgebung blühende Menschen- und Zigarettenschmuggel hat erheblich an Bedeutung verloren; auch die sonst in Apulien häufig zu findenden Mafia-Familien treten nur noch wenig öffentlich in Erscheinung.[1]

Geschichte

Archäologische Funde zeigen, dass Otranto bereits in der späten Bronzezeit besiedelt war. Um 1000 v.Chr. ließen sich hier Messapier nieder, die in der ganzen Region zahlreiche Städte gründeten. Otranto wurde Bestandteil der Magna Graecia und nach der Eroberung Süditaliens durch die Römer als Hydruntum ein wichtiger Verbindungshafen zum Epirus. Nach dem Niedergang Roms gehörte es zum Byzantinischen Reich, wurde aber um 1070 von den Normannen erobert, die die Stadt stark befestigten und die 1088 n. Chr. geweihte Kathedrale errichteten. Durch die Verheiratung von Heinrich VI., dem Sohn von Kaiser Friedrich Barbarossa, mit Konstanze von Sizilien im Jahre 1186 und der Krönung Heinrichs zum König von Sizilien in Palermo 1194 gelangte Otranto unter die Herrschaft der Staufer und nach deren Untergang schließlich in die Hände von Ferdinand I. von Aragón, König von Neapel von 1458 bis 1494.

1480 eroberten osmanische Türken Otranto als erste Ortschaft auf italienischem Boden. Die Gründe für den Angriff auf die Stadt waren einerseits wahrscheinlich strategischer Natur - sie liegt der damals bereits von den Türken eingenommenen Ostküste der Adria am nächsten und verfügte über einen guten Hafen -, andererseits aber auch das Ziel der Ausbreitung des Islam in Italien. Obendrein betrachtete sich der Sultan in Konstantinopel als legitimer Herrscher des ehemaligen Byzantinischen Reiches, zu dem Otranto gehört hatte.

1481 wurde die Stadt jedoch nach längerer Belagerung wieder von christlichen Streitkräften unter der Führung von Alfons II., dem Sohn und späteren Nachfolger von Ferdinand I., eingenommen. Die Übergabe erfolgte kampflos, da den Türken zuvor bei Verhandlungen freier Abzug gewährleistet worden war. Im Jahr 1481 war Sultan Mehmet II. gestorben, die osmanische Führung konzentrierte sich auf die Thronfolge in Konstantinopel. Da die türkische Besatzung in Otranto keine Verstärkungen mehr erhalten hatte, besteht in der historischen Diskussion auch die Vermutung, es habe sich bei dem Angriff auf die Stadt lediglich um ein Ablenkungsmanöver gehandelt, möglicherweise auch um einen symbolischen Entlastungsangriff zugunsten des Nasriden-Sultanats in Spanien (zeitgleich hatte die letzte kastilisch-aragonesische Kampagne gegen Granada begonnen, die Nasriden hatten Hilfegesuche an die Osmanen geschickt, und Otranto gehörte zum aragonesischen Königreich Neapel).

Nach einer wechselvollen Geschichte, die gekennzeichnet ist durch den Rückgang der Bevölkerung nach weiteren Türkeneinfällen, der Ausdehnung von Sumpfgebieten und damit einhergehend der Malaria sowie der steigenden Bedeutung von Handelsstädten wie Bari und Brindisi, die Handel und Gewerbe in Otranto beeinträchtigten, begann im 20. Jahrhundert mit der Trockenlegung von Sümpfen ein erneuter Aufschwung der Stadt. In den letzten beiden Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts hat sie sich zu einem beliebten Touristenort gewandelt, der besonders im Juli und August frequentiert wird.

Sehenswürdigkeiten

Festung von Otranto
Otranto, Blick von der Bastione dei Pelasgi

Hauptanziehungspunkte der Stadt sind die Kathedrale mit den Mosaiken (1163-1165), die Festung Castello Aragonese sowie die kleine byzantinische Kirche San Pietro und das Hypogaeum von Torre Pinta.

Vor allem die von einer mächtigen Stadtmauer umschlossene Altstadt ist im Sommer eine Hauptattraktion; am Samstag Abend ist sie der Treffpunkt der gesamten Umgebung Otrantos. Sonntag Nachmittag wird die Uferstraße von der Porta Terra an für den Durchgangsverkehr gesperrt und für die Otrantiner Familien reserviert, die dort entlang flanieren ("Passeggio").

Santa Annunziata

In der Kunstgeschichte ist Otranto berühmt wegen der Krypta und der Bodenmosaike seiner Kathedrale Santa Annunziata. Die Kirche wurde 1080 als lateinische Bischofskirche begonnen. Die Krypta ist für alle Krypten Apuliens vorbildlich geworden. Die Oberkirche wurde im 12. Jh. vollendet, spätestens 1163. In diesem Jahr begann Meister Pantaleone, ein apulischer Mönch, sein Bodenmosaik. Es ist nicht unbedingt das Beste seiner Art in der Qualität der Darstellung, aber es ist das in seiner Gesamtheit am besten erhaltene.

Das Bodenmosaik bedeckt eine Fläche von 57 x 28m, also 1596 m². Es wird geschätzt, dass es aus insgesamt 10 Mio. Mosaiksteinen besteht. Pantaleone galt in seinem Heimatkloster San Nicola di Casole als jemand, der es versteht, die griechischen und nordischen Mythen zu deuten und ihren geheimnisvollen Beziehungen zu den christlichen Geschichten und Gleichnissen eine künstlerische Gestalt zu geben. Insgesamt sind in diesem Mosaik über 700 einzelne „Geschichten“ miteinander verwoben.

Die 800 Märtyrer von Otranto

Kathedrale

Eine weitere Sehenswürdigkeit innerhalb der Kathedrale sind die "800 Märtyrer von Otranto", deren Gebeine dort aufbewahrt sind. Es handelt sich allerdings nur um einen Teil von diesen; weitere Überreste befinden sich heute in Neapel und in Venedig. Die traditionelle Überlieferung besagt, dass die Türken, als sie im Jahre 1480 Otranto eroberten, die Bewohner vor die Wahl stellten, entweder ihrem christlichen Glauben abzuschwören oder zu sterben. 800 männliche Einwohner zogen den Tod durch Enthauptung vor. Ihre Leichen wurden von den Türken auf offenem Felde liegen gelassen, wo sie, wie die Legende berichtet, Monate später völlig unversehrt von den christlichen Streitkräften aufgefunden wurden, die zur Rückeroberung der Stadt heranrückten.

An dieser Version ist jedoch verschiedentlich Kritik laut geworden: Von türkischer Seite wurde angeführt, es habe keine Massenhinrichtung gegeben, die Gebeine stammten von den Gefallenen der Kämpfe [2]. Dafür sprechen Verletzungen an den in der Kathedrale aufbewahrten Knochen, die als Kampfspuren gedeutet werden können. Besonders auffällig ist etwa ein Schädel, in den ein Pfeil eingedrungen ist.- Grundsätzlich sei auch festzuhalten, dass Andersgläubige, die unter türkische Herrschaft gerieten, einer besonderen Steuerregelung unterlagen, jedoch nicht hingerichtet wurden (Dschizya).

Von italienischer Seite wird dagegen gehalten, dass die Massenhinrichtung ein gezielter Terrorakt war, um Angst und Schrecken zu verbreiten und dadurch das Vordringen der Türken zu erleichtern. Tatsächlich führte dieses Vorgehen jedoch zu einer Verschärfung des Widerstandes gegen die türkischen Invasoren und einer Verbindung fast aller relevanten italienischen Streitkräfte.

Ausgewählte Literatur zu diesem speziellen Thema:

  • Otranto 1480. Atti del Convegno internazionale di Studi nel V Centenario della caduta di Otranto ad opera dei Turchi. A cura di Cosimo Damiano Fonseca. Galatina (LE), 1986; 2 voll.
  • I Beati 800 Martiri di Otranto del 1480. Atti del Convegno ecclesiale di Studio nel Quinto Centenario. A cura del Comitato Diocesano per il Quinto Centenario der Beati Martiri di Otranto. Lecce, 1980

Umgebung

Sehenswürdigkeiten in der Umgebung sind:

  • die Alimini-Seen.
  • Valle delle Memorie mit zahlreichen ehemals von Mönchen bewohnten Grotten.
  • Grotta Romanelli mit steinzeitlichen Überresten
  • Grotta Zinzulusa, berühmt wegen ihrer Stalagmiten und Stalaktiten

Verkehr

Der Hafen von Otranto, an der nach der Stadt benannten 70 km breiten Straße von Otranto gelegen, dient hauptsächlich dem Frachtverkehr, wird jedoch auch zunehmend von privaten Seglern angelaufen. Es besteht eine regelmäßige Fährverbindung nach Valona. Eine Privatbahn verbindet Otranto mit Lecce, wo die Züge der italienischen Eisenbahn "Trenitalia" enden. Zu den umliegenden Orten bestehen Busverbindungen.

Literatur

Die folgenden beiden Autoren haben zahlreiche Werke über die Stadt veröffentlicht; hier nur zwei Beispiele:

  • Antonio Antonaci: Hydruntum (Otranto). Galatina, 1954.
  • Grazio Gianfreda: Otranto Nascosta. Lecce, 1997

Weitere Autoren:

  • Hubert Houben (Hrsg.), Otranto nel Medioevo. Tra Bisanzio e l'Occidente, Congedo, Galatina 2007 (Saggi e testi / Università degli studi del Salento, Dipartimento dei beni delle arti e della storia 33), ISBN 9788880867371

Romane (Auswahl):

  • Horace Walpole, The Castle of Otranto, London 1765
  • Maria Corti, L'ora di tutti, Milano 1962, ISBN 88-452-1688-8
  • Roberto Cotroneo: Otranto, Milano 1997, deutsch: Otranto, übersetzt von Burkhart Kroeber, Frankfurt/M. 1998, ISBN 3-458-16922-9

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vergleiche dazu die Analyse im "Dossier Puglia" in "narcomafie", Februar 2008 unter dem Titel:"L'evoluzione pericolosa" http://www.narcomafie.it/articoli_2008/dos1_2_2008.htm. Die Frage des negativen Einflusses der Mafia auf den aufstrebenden Tourismus wurde und wird in den süditalienischen Medien immer wieder thematisiert (siehe zum Beispiel:http://www.nardoweb.it/turismo/tur03.htm). Von Seiten der Mafia gibt es naturgemäß keine öffentlichen Aussagen dazu. Untersuchungen darüber, inwieweit sie auch am Geschäft mit dem wirtschaftlich immer bedeutender werdenden Tourismus in Apulien beteiligt ist und dementsprechend eine Beruhigung der Lage wünscht, um diesen nicht zu beeinträchtigen, liegen bisher nicht vor. Die genannte Analyse in "narcomafie" warnt jedoch vor einer zunehmenden Durchdringung des ökonomisch-politischen Raums durch mafiose Strukturen.
  2. Nejat Diyarbakirli, Les Turcs et l'occident au XVéme siécle, in: Fonseca, Otranto 1480 (siehe Literatur), Seite 25

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