Hyperhydrose

Hyperhydrose
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Klassifikation nach ICD-10
R61.- Hyperhidrose
R61.0 Hyperhidrose, umschrieben
R61.1 Hyperhidrose, generalisiert
R61.9 Hyperhidrose, nicht näher bezeichnet
  • Nachtschweiß
  • Übermäßiges Schwitzen
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Als Hyperhidrose, grch. ὑπέρ (hypér) «noch mehr», «über» «über ... hinaus» und ἱδρώς (hidrós) «Schweiß» [1], wird eine übermäßige Schweißproduktion bezeichnet, die generalisiert oder lokal auftreten kann. Das Gegenteil ist eine Anhidrose.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Hyperhidrose der Hand

Schwitzen hat eine lebenswichtige Funktion für unseren Organismus. Es dient der Regulation der Körpertemperatur und kühlt nicht nur die Haut, sondern auch das Innere des Körpers ab. Ca. 1–2% der Menschen in Deutschland leiden unter der Krankheit Hyperhidrose, bei der der Körper unabhängig von Wärme oder Kälte, Tages- oder Jahreszeit übermäßig und unkontrollierbar viel Schweiß produziert.

Was übermäßigen Schweiß darstellt, ist seitens der Betroffenen vom Leidensausmaß abhängig und damit der subjektiven Einschätzung unterworfen. Für wissenschaftliche Zwecke wird als Hyperhidrose die Produktion von 100 mg Schweiß innerhalb von 5 Minuten in einer Achselhöhle definiert.

Örtlich begrenzt tritt die Hyperhidrose hauptsächlich zu 60% an den Handflächen oder Fußsohlen, zu 40% in den Achselhöhlen, zu 10% am Kopf (vornehmlich der Stirn) und selten an anderen Körperstellen auf.

Ursachen

Lokale Hyperhidrose

Die Ursache örtlich begrenzter Schweißneigung ist in aller Regel noch nicht näher erforscht und unbekannt.

Eine Ausnahme bildet die örtlich begrenzte Schweißbildung aufgrund gustatorischer Reize beim Frey-Syndrom (Lucja Frey, Neurologin, 1889–1942, Lemberg), das aufgrund einer Fehlfunktion des Nervus auriculotemporalis zustande kommt.

Generalisierte Hyperhidrose

Eine gesteigerte generelle Schweißproduktion kann verschiedene Ursachen haben, so dass hier eine Abklärung nötig ist.

Auslöser einer generalisierten Hyperhidrose ohne eigenen Krankheitswert können körperliche Anstrengung und das Schwitzen während des Abfieberns sein – beide im Sinne der Regulation der Körpertemperatur (Thermoregulation). Die bei Körperarbeit entstehende Wärme wird durch eine Erhöhung der Schweißproduktion abgeführt, beim Abfiebern entspricht die aktuelle Körperkerntemperatur (noch) nicht dem geforderten Sollwert, so dass auch hier die überschüssige Wärme an die Außenwelt abgegeben werden muss.

Mögliche Gründe für ein generalisiertes übermäßiges Schwitzen sind:

Als nächtliche Hyperhidrosis (Nachtschweiß) bezeichnet man ein übermäßiges Schwitzen während des Schlafes, das als mögliches Zeichen einer systemischen Erkrankung wie einer Kollagenose, eines Lymphoms oder einer Tuberkulose ernst genommen werden sollte. Aber auch hier gilt, dass es schwierig ist, zwischen einem Schwitzen ohne und mit Krankheitswert zu unterscheiden. Als ein recht zuverlässiges Kriterium hierfür gilt, ob der Schlaf in seiner Qualität deutlich beeinträchtigt wird und man z.B. in der Nacht aufstehen muss, um Wäsche oder gar Bettlaken zu wechseln.

Folge einer Hyperhidrose kann eine Trichomycosis palmellina, die Besiedelung der Sekundärbehaarung durch saprophytäre Corynebacterien, sein.

Bromhidrose

Als Bromhidrose oder Bromhidrosis wird ein übelriechender Schweiß bezeichnet, der Betroffene häufig unter hoher psychischer Belastung in die soziale Ausgrenzung (Stigmatisierung) führt und von jenem Körpergeruch abgegrenzt werden muss, der bei verschiedenen Aminosäurestoffwechselstörungen entstehen kann.

Therapie

Es gibt eine Vielzahl von symptomatischen Behandlungsmöglichkeiten, um übermäßiges Schwitzen zu reduzieren. Das Grundprinzip aller ist entweder das Deaktivieren der Schweißdrüsen oder das Verstopfen der Schweißkanäle.

  • Es gibt mehrere Medikamente mit unterschiedlichem Erfolg. Die Klasse der Anticholinergika hat gezeigt, dass sie die Hyperhidrose signifikant reduziert. Zugelassen für die Behandlung der Hyperhidrose sind Methantheliniumbromid und Bornaprinhydrochlorid. Für Menthantheliniumbromid bestehen Studienergebnisse über eine signifikante Schweißreduktion bei gleichzeitig guter Verträglichkeit. Im Gegensatz zu Bornaprin wirkt Methantheliniumbromid nicht über das zentrale Nervensystem, wodurch auch keine gravierenden Nebenwirkungen, außer der bekannten Mundtrockenheit, zu erwarten sind. Bei Bornaprin können Nebenwirkungen hierbei Schläfrigkeit, Übelkeit, Benommenheit und Mundtrockenheit sein. Naturheilkundlich werden Tabletten mit Salbei-Extrakt oder große Mengen Salbei-Tee verwendet.
  • Endoskopische transthorakale Sympathektomie (ETS): Diese minimal invasive Operation, die unter Vollnarkose durchgeführt wird, bessert die Symptome wohl signifikant, sollte allerdings aufgrund der möglichen Komplikationen (Pneumothorax, Horner-Syndrom, kompensatorisches Schwitzen anderer Hautareale, Rücken, Bauch, Schritt teilweise halbseitig) nur in ansonsten therapieresistenten Fällen durchgeführt werden. Insbesondere das kompensatorische Schwitzen, welches fast nicht behandelbar ist, ist eine sehr ernst zu nehmende Erscheinung. Verschiedene Studien berichten von einer Rückfallquote von 60%–90%.[2][3][4] Bei der Sympathektomie werden Nervenganglien des sympathischen Grenzstrangs nahe der Brustwirbelsäule mittels Hochfrequenzstrom zerstört bzw. der Grenzstrang durchtrennt oder abgeklemmt (Clipping). Damit lässt sich in der Großzahl der Patienten eine Hyperhidrose der Hände und des Gesichts, oft auch der Achselhöhlen, erfolgreich behandeln. Eine Behandlung der Füße erfordert eine Nervenblockade nahe der Lendenwirbel. Diese aufwändigere Operation erfordert eine Öffnung der Bauchhöhle und birgt hohe Risiken (beispielsweise Impotenz).
  • Subkutane Schweißdrüsensaugkürettage (operativer Eingriff unter örtlicher Betäubung): Im Achselbereich kann durch Absaugen der Schweißdrüsen die Hyperhidrose beseitigt werden. Die Wirkung kann nach einigen Jahren nachlassen, da die Nervenenden teilweise wieder die verbliebenen Schweißdrüsen erreichen und die Schweißdrüsen wieder mit der Schweißabsonderung beginnen. Die Erfolgsquote liegt bei 70–80%.
  • Lokale Schweißdrüsenexzision (operativer Eingriff): Das betroffene Hautareal wird mitsamt den Schweißdrüsen entfernt. Es treten häufig Wundheilungsstörungen auf, die Narbenbildung kann die Beweglichkeit der betroffenen Körperstellen beeinträchtigen, und es entstehen große sichtbare Narben. Hinzu ist das Ausschneiden des kompletten schwitzenden Areals oft nicht möglich. Diese Behandlungsmethode wird heutzutage nicht mehr verwendet.
  • Aluminiumchlorid-Behandlung: Aluminiumchlorid wird in den meisten Antitranspirantien verwendet, aber Menschen, die an Hyperhidrose leiden, brauchen eine viel höhere Konzentration. Die Aluminiumsalze dringen in die Schweißkanäle, verbinden sich mit dem dortigen Keratin und verstopfen damit die Drüsenausführungsgänge. Je nach Anwendungsgebiet existieren Rezepturen mit unterschiedlichen Konzentrationen des Aluminiumchlorids in der Lösung (üblicherweise 10–20%), die in der Apotheke erhältlich sind. Die Lösung wird vor dem Schlafen auf die schwitzenden Körperstellen aufgetragen, da es nachts zu einer geringeren Schweißbildung kommt und die Lösung nicht ausgeschwitzt wird. Nach einer Woche täglichen Gebrauchs ist es ausreichend die Behandlung 1–2 Mal pro Woche zu wiederholen. Ziel ist die dauerhafte Rückbildung der Schweißdrüsen, so dass die Therapie schließlich eingestellt werden kann. Nebenwirkungen sind Juckreiz bei sensibler Haut und Hautirritationen. Außerdem kann sich die Kleidung verfärben. Die Erfolgsquote der Therapie mit Aluminiumchlorid liegt bei 95%.[5]
  • Hexamethylentetramin (Methenamin): Die Hexamethylentetramin-haltige Salbe wird ein- bis zweimal täglich auf die betroffenen Hautareale aufgetragen. Das durch Hexamethylentetramin in Verbindung mit dem sauren Schweiß produzierte Formaldehyd denaturiert die Proteine im Schweiß und verschließt dadurch die Schweißdrüsen.
  • Glycopyrroniumbromid: In 0,5- bis 3-prozentiger Konzentration zum Auftragen auf die Haut, als Creme oder Roll-on in Apotheken erhältlich.
  • Botulinumtoxin (Botox): Das Gift von Clostridium botulinum, das stärkste bekannte Toxin, wird in extremer Verdünnung intracutan (in die Haut) gespritzt und scheint bei der lokalisierten (axillären und palmaren) Hyperhidrose wirksam zu sein. Es hemmt die Freisetzung von Acetylcholin und damit die Schweißproduktion der cholinerg innervierten Schweißdrüsen. Die Wirkungsdauer ist von Mensch zu Mensch verschieden. Die Wirkung kann bereits nach einem halben Jahr spürbar nachlassen. Es kann nur bei lokalisierten Formen der Hyperhidrose angewendet werden.
  • Iontophorese: Die Hände oder Füße werden in zwei Wannen mit Wasser gelegt. In jeder Wanne ist ein elektrischer Leiter. Die Hände bzw. Füße sind der elektrische Leiter, der den Stromkreis schließt. Die Wirkungsursache der Iontophorese kann bis heute nicht abschließend wissenschaftlich erklärt werden. Gesichert dagegen ist die Wirkung: Sie begrenzt das Maß an freigegebenem Schweiß. Einige Patienten haben gute Ergebnisse erzielt, während andere keine Wirkung bemerkten. Die Prozedur ist bei einigen Patienten schmerzhaft, so dass man bei diesen dann mit niedrigeren Stromstärken beginnt, um die Patienten daran zu gewöhnen. Alternativ steht auch ein Verfahren mit gepulsten Gleichströmen zur Auswahl, welches eine höherer Stromstärke als das Gleichstromverfahren erlaubt. Zur Unterstützung kann auch Glycopyrroniumbromid 0,05- oder 0,1-prozentig in der Iontophoresebehandlung genutzt werden.
  • Ernährungsumstellung: Hyperhidrosis kann sich durch Fettleibigkeit verschlimmern, so dass Gewichtsverlust helfen kann. Jedoch schwitzen die meisten Leute mit Hyperhidrose aufgrund Fettleibigkeit nicht übertrieben.
  • Meditation und Entspannung: Entspannungstechniken sind mit beschränktem Erfolg versucht worden.
  • Hypnose: Hypnose ist mit beschränktem Erfolg verwendet worden.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Wilhelm Gemoll, Karl Vretska: „Griechisch-Deutsches Schul- und Handwörterbuch“, Verlag Hölder-Pichler-Tempsky, 9. Auflage, ISBN 3-209-00108-1
  2. Zusammenfassung der Themen der Ausgabe 2/1996 der Zeitschrift "Swiss Surgery". Stand: 26. Juni 1997. Abgerufen am 19. Juli 2008.
  3. Deutsche Gesellschaft für Thoraxchirurgie: Abstracts der Freien Vorträge zur 14. Jahrestagung (2005), Seite 74. Abgerufen 19. Juli 2008
  4. Angelica Schorre: Nass vor Schweiss ohne Anstrengung. 7. Juni 2006 in saldo 11/2006. Abgerufen 19. Juli 2008
  5. Ergebnisse der operativen Therapie der Hyperhidrosis axillaris im Zeitraum von 1995 – 2000 an der Hautklinik Darmstadt Dissertation (PDF)

Literatur

  • Dietmar Stattkus: Hilfe, ich schwitze! Ursachen Phänomene Therapien. 3. Auflage. BoD, Norderstedt März 2006, ISBN 978-3898112673, S. 177 (Hyperhidrosis und Bromhidrosis). 

Weblinks

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