Hypnagoge Phänomene

Hypnagoge Phänomene

Hypnagogie bezeichnet einen Bewusstseinzustand, der beim Einschlafen auftreten kann. Eine Person im hypnagogischen Zustand kann visuelle, auditive und taktile Pseudohalluzinationen erleben, unter Umständen ohne sich bewegen zu können. Obwohl der Person bewusst ist, dass sie halluziniert, kann sie in den meisten Fällen nicht darauf reagieren. Der Begriff wurde im 19. Jahrhundert durch den französischen Psychologen Alfred Maury geprägt.

Vermutlich tritt Hypnagogie dann auf, wenn eine Person beim Einschlafen zu schnell in den REM-Schlaf, die Traumphase, absinkt. Während der REM-Phase blockiert das Gehirn die Glieder (Schlafparalyse), damit man die Bewegungen, die man träumt, nicht auch ausführt. Im Fall einer Hypnagogie ist die Person immer noch bei Bewusstsein – sie träumt, ist aber wach. Diese Tatsache ermöglicht es Klarträumern, bei Wachheit mittels spezieller Techniken einen Traum herbeizuführen.

Ein Weg, um sich aus diesem Zustand zu befreien, ist, einen Sinnesnerv zu reizen, zum Beispiel indem man die Augen bewegt.

Als Hauptursache für Hypnagogie werden Schlafstörungen und Schlafmangel angenommen. Sie kann aber auch Anzeichen einer Narkolepsie oder einer Epilepsie sein. Jedoch tritt sie auch bei gesunden Menschen auf.

Hypnagoge Phänomene

Hypnagoge Phänomene sind vorwiegend visueller Natur, werden darum auch als Visionen bezeichnet. Doch mangelt es nicht an auditiven und haptischen Eindrücken, die sich mit den Bildern oder alleine einstellen können. Vereinzelt werden außerdem auch Geruchs- und Geschmacksempfindungen beschrieben.

Die Bezeichnung hypnagog geht auf den französischen Psychiater Alfred Maury zurück, der (1848) von hallucinations hypnagogiques, d.h. zum Schlaf führenden, sprach.[2] Die traumartigen Erlebnisse in der Aufwachphase wurden von Frederic W. H. Myers später hypnopompe genannt.[3] Diese Trennung hat sich aber nicht allgemein durchgesetzt. In der Tat lässt sich nicht immer unterscheiden, ob die Erscheinungen beim Erwachen oder beim Wiederzurückgleiten in den Schlaf vorkommen.

Der Psychoanalytiker H. Silberer hat die hypnagogischen Zustände eingehend an sich selber beobachtet und sich darin geübt, sie im Gedächtnis festzuhalten, was in der Regel schwierig ist, da sie den Träumen gleich sich der Erinnerung schnell entziehen. Er sieht in ihnen symbolische Ausdrucksformen und unterscheidet drei Gruppen: Die materielle Kategorie, welche Gedanken und Vorstellungen wiedergibt. Die funktionale Kategorie, in der Zustand oder Tätigkeit der Psyche abzeichnen, beispielsweise träge, rasche, leicht, schwer, gehemmt, nachlässig, freudig, furchtlos, zwiespältig, erfolgreich. Beide Kategorien seien häufig verknüpft. In der dritten Kategorie handelt es sich um Bilder, die durch Leibreize ausgelöst werden.[5]

Der Übergang vom Wachsein zum hypnagogen Zustand, vom Gedanken zum Bild, vollzieht sich fließend. Auch wenn das Wachdenken vorwiegend abstrakt ist, wird es im Hintergrund vom anschaulichen Denken begleitet.[6] Es ist ein Doppelspiel der Bilder- und Gedankenwelt (E.Jünger), die sich im Leben selten voneinander absetzen. Die Bilder rollen in der Gedankenflut dahin.[7] Beim Tagträumen nun - nach Schultz-Hencke besser Dösen genannt - gewinnt das bildhafte "Denken" die Oberhand. Die nach außen gerichtete Aufmerksamkeit ist herabgesetzt, das abstrakt Denken aber nicht völlig abgeschaltet. Die Gedanken reihen sich lockerer und ungezielter aneinander, mehr analog als logisch verknüpft. Aus diesem Zustand kann man jederzeit auftauchen. Je näher man dem Schlaf kommt, desto autonomer werden die Bilder. Die Steuerungsmöglichkeit nimmt ab und schwindet schließlich ganz. Man befindet sich jetzt im Zustand der Hypnagogie.

Paravisuelle Phänomene

Gleichzeitig und parallel zu den Bildern kommen hörbare Phänomene auf, die man wie mit fremder Stimme gesprochene Wörter oder Sätze vernimmt. Nicht immer stehen sie inhaltlich in einem eindeutigen Zusammenhang mit dem letzten Gedanken, und ihr Ursprung kann unklar sein. Sie können Tagesgedanken entstammen, sind aber oft sinnlos oder deformiert, oder sie sind Neologismen. Sie werden auch iteriert und lassen an Symptome denken, die für Psychosen typisch sind. Es gibt zwei Arten von Hörphänomenen: konforme, die mit den gleichzeitigen Bildern sinnvoll verbunden sind, und autonome,die, falls sie überhaupt zusammen mit Bildern auftreten, keine Beziehung zu diesen haben. Wort und Bild müssen keinesfalls übereinstimmen. Da Hören und Sehen bei der normalen Wahrnehmung, bevor sie in einem übergeordneten Assoziationscortex zusammengeschaltet werden, getrennt in eigenen Arealen verarbeitet werden, könnte die Dissoziation von Wort und Bild beim Einschlafen, neurophysiologisch gesehen, der Regression auf eine untere Ebene des sensorischen Cortex entsprechen.

Kinetische oder taktile h. PH. sind weitaus seltener. Ernst Jüngers morgendlichen Visionen z.B. geht ein Geschütteltwerden voraus, das sich auch dem Bett mitteilt. Er spricht vom frisson; der ihm den Beweis liefere, in die Vision eingetreten zu sein und in ihr zu verweilen.[8] Von Geschmacksphänomenen und Geruchsphänomenen ist, außer bei Jean Paul, kaum die Rede.[9]

Quellen

  1. Czycholl,D.: Die phantastischen Gesichtserscheinungen. Berlin 2003.
  2. Anders,R.: Wolkenlesen. Greifswald 2003, S.19.
  3. Anders,R.: ebd.,S.19.
  4. Jean Paul: Sämtliche Werke. München/Wien 1985, Lizenzausgabe Darmstadt 2000,II,Bd.2,S.1025.
  5. Silberer,H.: Probleme der Mystik und ihrer Symbolik. Nachdruck Darmstadt 1961,S.149ff.
  6. Schultz-Henke,H.:Traumanalyse in: v.Graevenitz,J.(Herausg.):Bedeutung und Deutung des Traums in der Psychotherapie. Darmstadt 1986,S,242. -
  7. Jünger,E.: Werke. Stuttgart o.J.(1965),Bd.3.Zweites Pariser Tagebuch, 17. März 1943.
  8. Berg,V.: Im Dritten Gang. Notizen zu Ernst Jüngers morgendlichen Visionen. Als Manuskript vervielfältigt, San Lorenzo 2005.
  9. Jean Paul: ebd. S.1035.

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