Hörbücher

Hörbücher

Ein Hörbuch (auch Audiobook oder Audiobuch) ist im engeren Sinne eine Lesung, die auf einem Tonträger (CD, Schallplatte, Kassette) aufgenommen und vertrieben wird. Hörbücher kann man auch im Internet als Datei herunterladen. Neben Lesungen werden auch Hörspiele, Features und Audioguides als Hörbücher veröffentlicht. Sie werden insbesondere von Hörbuchverlagen oder Blindenbüchereien herausgegeben.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Beispiel eines Aufnahmeplatzes für professionelle Lesungen

Die Bezeichnung des Mediums geht auf die erste, 1954 bei der Deutschen Blindenstudienanstalt gegründete Blindenhörbücherei in Marburg zurück. Das Hörbild an sich war auf Tonwalzen oder Wachsplatten gespeichert bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. So inszenierte man 1890 unter dem Titel Die Beschießung von Paris ein zwei Minuten langes Hörbild des Deutsch-Französischen Kriegs. Die Aufzeichnung enthielt neben Marschmusik militärische Kommandos und Schlachtengeräusche. Bereits damals gab es Aufnahmen von Spielszenen, kurzen Lesungen oder humoristischen Einlagen.

Die Entwicklung des Phonographen sowie die ersten marktfähigen Schallplatten von Emil Berliner veränderten die Medienlandschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts (gemeinsam mit der Erfindung des Films und des Radios) enorm. In den 1920er-Jahren entwickelte sich bald ein Publikum für Tonaufzeichnungen, woraufhin die Schallplattenfirmen neben Musikern auch Schriftsteller und Kabarettisten unter Vertrag nahmen. Dichterlesungen von Thomas Mann oder Erich Kästner waren nun nicht mehr an einen Ort oder eine bestimmte Zeit gebunden − man konnte sie zu Hause zu jeder Zeit und beliebig hören.

Nach dem Zweiten Weltkrieg produzierte die Deutsche Grammophon erste Hörbücher. In Zusammenarbeit mit dem Theater entstand 1954 Goethes Faust I. Es folgten Schillers Kabale und Liebe, Jedermann von Hugo von Hofmannsthal oder Samuel Becketts Das letzte Band. Die Umsatzbeteiligung am Buchmarkt war in den folgenden Jahrzehnten noch gering.

1972 kam es zur ersten Kooperation mit den Rundfunkanstalten, die den Hörbuch- bzw. Hörspielproduktionen beachtliche Quellen an Archivaufnahmen zur Verfügung stellen konnten. Die avantgardistischen Hörbuchreihen der Deutschen Grammophon, des Luchterhand Verlags und der ARD scheiterten wegen finanziellen Misserfolgs, legten aber für das Zusammenwirken von Plattenfirmen, Buchverlagen und Rundfunkanstalten den entscheidenden Grundstein.

Ende der 1970er-Jahre löste die Hörkassette die Sprechplatte als Trägermedium ab. Aber auch in den 1980er-Jahren war der Markt noch nicht reif für Hörbucheditionen und so musste u. a. die 1987 gegründete Reihe des Rowohlt Verlags, Literatur für Kopfhörer, eingestellt werden. Zwar hatte Erich Schumm den ersten reinen Hörbuchverlag in Deutschland bereits 1978 gegründet, doch erst ab 1990 gelang es dem Goldmann Verlag zusammen mit dem WDR, Krimihörspiele in einer Auflage von bis zu 30.000 Exemplaren zu veröffentlichen und dem Hörbuch den lang erhofften Durchbruch zu verschaffen.[1]

In der Folge entstanden immer mehr Kleinverlage, die sich nun auch kunstvollen Produktionen erfolgreich widmen konnten. Mitte der 1990er-Jahre ersetzte die CD die Hörkassette als Tonträger. 1993 schlossen sich mehrere bekannte belletristische Verlage zusammen (unter anderem Suhrkamp, Hanser, Rowohlt) und gründeten den Hörverlag (DHV) in München, der mit einem Jahresumsatz von 16 Mio. Euro (2005) neben dem Berliner Audioverlag (DAV) die führende Position innerhalb der Hörbuchverlage einnimmt.[2]

Gerade bei den großen Verlagen besteht die Tendenz, das Hörbuch als reine Zweitverwertung, im Sinne des Merchandising zu verstehen. Die wird damit begründet, dass die Werbeetats der Verlage nicht ausreichen, um ein Produkt allein als Hörbuch zu bewerben. Aufwändige Produktionen, die über eine reine Lesung hinausgehen, kommen daher in der Regel nur als Übernahmen aus den Rundfunkanstalten ins Programm.

Marktentwicklung

Nachdem das Hörbuch lange Zeit eine Domäne des Schallplattenhandels war, konnte sich die Verlagsbranche seit Beginn der 1990er-Jahre in gewaltigem Umfang am Vertrieb des Mediums beteiligen. Diverse Hörbuchverlage entstanden. Mittlerweile legen viele Buchverlage Wert darauf, an einer Hörbuchreihe beteiligt zu sein oder eine eigene Produktion zu starten. Das Internet hat auch die Vertriebswege für auditive Kommunikationsmittel verändert. Verlage richten Portale ein, die gewünschte „Bücher“ direkt auf den MP3-Player laden lassen. Allerdings befürchten die Verlage, wie auch die Musik- und Filmunternehmen, eine illegale Verbreitung ihrer Werke. 2005 gründeten die Arbeitskreise Hörbuchverlage und Elektronisches Publizieren im Börsenverein des Deutschen Buchhandels die AG Piraterie, um gegen Urheberrechtsverletzer im Internet vorzugehen.

Die Projekte, bis Anfang der 1990er-Jahre überwiegend Kinder- und Jugendliteratur, bedienen jegliches Genre. Neben der anspruchsvollen Autorenlesung hat auch ein exotisches Lexikon der überflüssigen Dinge einen Markt. In den USA und Großbritannien sind mittlerweile auch batteriegetriebene Hörbücher mit Abspielfunktion und Kopfhörern auf dem Markt, wobei die Audiodateien kopiergeschützt sind. Besonders große Erfolge werden mit Texten erzielt, die eine bekannte Persönlichkeit vorträgt. Das Hörbuch lässt so die alte Tradition des Erzählens wieder aufblühen und verschafft der Lesung eine unverhoffte Renaissance.

Downloadmarkt

Der Verband Bitkom sieht das Herunterladen als rasant wachsenden Nischenmarkt für Hörbücher. Man erwartet für das Jahr 2007 wieder 20 Prozent Wachstum. Beispiel: Die Ende 2004 eingerichtete Download-Plattform audible.de verdreifachte ihren Umsatz von 2005 auf 2006 und verkaufte Mitte 2007 das millionste Hörbuch (sie bietet aktuell mehr als 25.000 Titel an, darunter 6.000 deutschsprachige (Stand Dez. 2007) und baut mittelfristig auf Mobilfunkanwendungen.

Neben audible.de und iTunes Store bieten auch einige kleinere Plattformen Hörbücher an, wie etwa soforthoeren.de mit 4000 DRM-freien Titeln (Stand Juni 2008) oder Vorleser.net mit etwa 500 kostenlosen Hörbüchern (Stand Juni 2008).

Besonders Psychothriller und Fantasy, auch Sachbücher sind – und zwar überwiegend von Männern – gefragter als im stationären Handel.

Hörbüchereien

Eine besondere Zuhörerschaft für die „gesprochenen Bücher“ bilden blinde oder sehbehinderte Menschen. Seit 1954 stellen Hörbüchereien einem geschlossenen Benutzerkreis Hörbücher beziehungsweise Hörspiele zur Verfügung. Dabei muss die Aufnahme solcher Texte sprechkünstlerisch an die Bedürfnisse von Blinden angeglichen werden und von qualifizierten Sprechern und Tontechnikern ausgeführt werden. Besonders Altersblinde, die die Blindenschrift-Fähigkeit nicht mehr erlernt haben oder Lesebehinderte, denen es schwer fällt, ein gedrucktes Buch selbstständig zu handhaben, kommen als Nutzer dieser Bibliotheken in Frage.

Auszeichnungen

Seit 1997 veröffentlicht hr2, das Kulturprogramm des Hessischen Rundfunks (hr), monatlich die Hörbuchbestenliste. Eine Jury aus Persönlichkeiten des kulturellen Lebens wählt jeweils unter den Neuerscheinungen diejenigen aus, die sie für besonders hörenswert hält. Zum Jahresende mündet diese Auswahlliste in die Bekanntgabe eines Hörbuch des Jahres. Monatlich ausgezeichnet werden sowohl Hörbücher für Erwachsene als auch für Kinder. Ähnlich wie vergleichbare „Bestenlisten“ für Druckwerke soll auch die Hörbuchbestenliste potentiellen Käufern von „Literatur für die Ohren“ eine bessere Übersicht über qualitätsvolle Produktionen ermöglichen. Eine weitere bekannte Auszeichnung ist der Deutscher Hörbuchpreis, den der WDR seit 2003 verleiht.

Seit Januar 2008 gibt es, den vom Bundesverband Musikindustrie eingeführten Hörbuch-Award. Dieser wird für 100.000 verkaufte Hörbücher verliehen.[3]

Sonstiges

  • In Zusammenarbeit mit dem hr läuft auch als Hörbuch im Zug ein monatlich wechselndes Programm, das sich unter anderm an Jahreszeiten oder Weihnachten orientiert (bisweilen sogar rollender Uraufführungssalon ist): Geschichten in 15-20 Minuten-Portionen (wegen der mittleren Zugverweildauer von 1,5 Stunden).
  • Vom Hörbuch abzugrenzen ist die Hörzeitung

Literatur

  • Severin Corsten u. a. (Hrsg.): Lexikon des gesamten Buchwesens. Band IV. 2. Auflage. Anton Hiersemann, Stuttgart 1995. ISBN 3-7772-8527-7
  • Stefan Köhler: Hörspiel und Hörbuch. Mediale Entwicklung von der Weimarer Republik bis zur Gegenwart. Tectum-Verlag, Marburg 2005. ISBN 3-8288-8932-8
  • Ursula Rautenberg (Hrsg.): Reclams Sachlexikon des Buches. Reclam, Stuttgart 2003. ISBN 3-15-010542-0
  • Erhard Schütz u. a. (Hrsg.): Das BuchMarktBuch. Der Literaturbetrieb in Grundbegriffen. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2005. ISBN 3-499-55672-3
  • Börsenverein des Deutschen Buchhandels/ Arbeitskreis Hörbuchverlage:pdf-Downloads zum Thema Hörbuch.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Erhard Schütz u. a. (Hrsg.): DasBuchMarktBuch. Der Literaturbetrieb in Grundbegriffen. Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg 2005, ISBN 3-499-55672-3, S. 139 f.
  2. Hörbuchmarkt: Vom Nischenprodukt zum Massenmedium
  3. Neue Awards des Bundesverbandes Musikindustrie

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