ISO/IEC 15504

ISO/IEC 15504

SPICE (Software Process Improvement and Capability Determination) oder ISO/IEC 15504 ist ein internationaler Standard zur Durchführung von Bewertungen (Assessments) von Unternehmensprozessen mit Schwerpunkt auf der Softwareentwicklung. Er wurde 1998 als Technischer Report (TR) in einer Vorversion verabschiedet und im März 2006 durch den aktuellen internationalen Standard (IS) ersetzt. Dieser besteht zur Zeit (2007) aus fünf Teilen, von denen jedoch nur der 2. Teil normativen Charakter hat; die anderen Teile dienen lediglich als Beispiele, Erläuterung und Information.

Die Verbesserung von Prozessen der eigenen Organisation (Process Improvement) einerseits und die Bestimmung der Prozessfähigkeit von Lieferanten (Capability Determination) andererseits bilden die Kernpunkte dieser Norm. Als Prozess werden hier „Zusammenhängende Aktivitäten zur Transformation von Eingangsprodukten in Ausgangsprodukte“ definiert. Im Gegensatz zu konkurrierenden Standards wie CMMI definiert SPICE bisher (2007) noch keine Methoden zur Bewertung kompletter Projekte, Abteilungen oder Unternehmen.

Prozess-Assessments werden anhand des zweidimensionalen Referenz- und Assessment-Modells durchgeführt. Die „Prozess-Dimension“ auf der einen Seite dient zur Kennzeichnung und Auswahl der im Assessment zu untersuchenden Prozesse, die „Reifegrad-Dimension“ auf der anderen Seite dient der Bestimmung und Bewertung ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit.

Im nicht mehr gültigen Technischen Report war die Prozess-Dimension in fünf Kategorien aufgeteilt: „Kunden-Lieferanten-Prozesse“, „Entwicklungsprozesse“, „Unterstützende Prozesse“, „Managementprozesse“ und „Organisationsprozesse“. Insgesamt 40 Prozesse waren diesen fünf Prozesskategorien zugeordnet und jeweils durch auszuführende Aktivitäten und Ergebnisse beschrieben. SPICE stützte sich dabei auf ISO/IEC 12207 – Prozesse im Software-Lebenszyklus.

Der Internationale Standard (IS) dagegen formuliert Anforderungen an Prozessreferenzmodelle (PRM), mit denen Prozesse beschrieben werden, sowie an Prozessassessmentmodelle (PAM), die darauf aufbauend Bewertungskriterien und -methoden für diese Prozesse enthalten. Auf diese Weise werden weder verbindliche Prozesse definiert, noch die Bewertungskriterien dafür festgeschrieben, sondern lediglich grundlegende Anforderungen an solche Modelle beschrieben. In Teil 5 des IS wird ein solches PAM basierend auf der weiterentwickelten ISO/IEC 12207 – Prozesse im Software-Lebenszyklus (als PRM) exemplarisch definiert.

Als Alternative zum PRM aus ISO/IEC 12207 und zum PAM in Teil 5 der Norm hat sich in der deutschen Automobilindustrie Automotive SPICE etabliert. Dieser Standard basiert ebenfalls auf ISO/IEC 12207, definiert jedoch jeweils ein eigenes PRM und PAM, die zum verbindlichen Teil 2 von SPICE konform sind.

Ein Teil 6 der Norm ist in Bearbeitung, in dem ein Prozessassessmentmodell für Systemprozesse auf Basis der ISO 15288 entwickelt wird. Im ebenfalls noch in Bearbeitung befindlichen Teil 7 geht es um die Prozessreife von Organisationen – ein Konzept, das es bisher nur für CMMI gab.

Die Reifegrad-Dimension besteht aus den sechs Reifegradstufen „unvollständig“, „durchgeführt“, „gesteuert“, „etabliert“, „vorhersagbar“ und „optimierend“ (vergleiche dazu Aufbau CMM). Diese treffen Aussagen über die Leistungsfähigkeit der in der Prozess-Dimension beschriebenen Prozesse. Den einzelnen Stufen sind die Aktivitäten zugeordnet, die dazu führen, dass die Ergebnisse systematisch erarbeitet und am Ende des Prozesses in der definierten Qualität vorliegen.

Den Reifegradstufen sind insgesamt neun Prozessattribute zugeordnet. Diese werden jeweils durch die ihnen zugeordneten grundlegenden Managementaktivitäten beschrieben und dienen der Beurteilung der Prozesse. Der Reifegrad wird für jeden Prozess einzeln bestimmt. Es wird nicht nur die Existenz einer Prozessaktivität beurteilt, sondern auch die adäquate Durchführung der Aktivität bewertet. Die Bewertung jedes Prozessattributs erfolgt anhand einer vierstufigen Skala („nicht erfüllt“: 0% - 15%, „teilweise erfüllt“: >15% - 50%, „weitgehend erfüllt“: >50% - 85%, „vollständig erfüllt“: >85% - 100%). Während der Bewertung muss objektiv nachgewiesen werden, dass die Anforderungen auf der entsprechenden Stufe erfüllt werden. Dieses erfolgt zum Beispiel anhand von Arbeitsprodukten, welche als Ergebnisse aus den Prozessen hervorgehen, oder durch Aussagen der Prozessausführenden in Interviews.

Für die Auswertung des Assessments werden die Prozess- und die Reifegraddimension zusammengeführt. Hierbei werden für jeden untersuchten Prozess Bewertungen in Form der Erfüllungsgrade der neun Prozessattribute ermittelt, woraus sich der Reifegrad für diesen Prozess ergibt. In der Gesamtheit aller untersuchten Prozesse ergibt sich daraus ein Stärken-Schwächen-Profil, aus dem Verbesserungspotenziale erkennbar werden. Die Beschreibungen des jeweils nächst höheren Reifegrades zeigen Möglichkeiten zur Verbesserung der Prozesse auf.

ISO/IEC 15504 beschreibt im Teil 2 die Verantwortlichkeiten der Assessoren. Die dafür notwendige Qualifikation kann durch eine entsprechende Zertifizierung nachgewiesen werden. Im deutschsprachigen Raum existieren dafür zwei Qualifizierungsschemas: iNTACS (International Assessor Certification Scheme) und INTRSA (International Registration Scheme for Assessors).

Siehe auch

Literatur

  • Klaus Hörmann, Lars Dittmann, Bernd Hindel, Markus Müller: SPICE in der Praxis. Interpretationshilfe für Anwender und Assessoren. dpunkt Verlag, Heidelberg 2006, ISBN 3-89864-341-7. 
  • Markus Müller, Klaus Hörmann, Lars Dittmann, Jörg Zimmer: Automotive SPICE in der Praxis. Interpretationshilfe für Anwender und Assessoren. dpunkt Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3898644693. 
  • Han van Loon: Process Assessment and Improvement. A theoretical guide for beginners (in Englisch). Springer, 2004, ISBN 0-387-23182-X. 

Weblinks


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