- I like America and America likes me
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Plakat: Dokumentation zur Aktion (externer Weblink)
I like America and America likes Me war eine Aktion des deutschen Künstlers Joseph Beuys, die vom 21. bis zum 25. Mai 1974 in der Galerie René Block in New York stattfand.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Multiple (externer Weblink)
Im Mai 1974 gelang es dem Galeristen und Freund René Block, der bereits über zehn Jahre mit Beuys zusammenarbeitete, ihn zu der Eröffnung seiner Galerie im Künstlerviertel Soho in Manhattan nach New York zu holen. Die Galerie befand sich in der 409 West Broadway, im Schatten der Zwillingstürme des World Trade Centers, die Joseph Beuys im selben Jahr auf einer Postkarte als Multiple angelegt, mit handschriftlichem Zusatz versehen und mit dem Titel „Cosmos und Damian“, benannt nach den beiden Heiligen Cosmas und Damian, veröffentlicht hatte.
Mythologischer Hintergrund
Der Kojote gehört zu einer in Nordamerika heimischen Hundeart, die einer kleineren Ausgabe eines Wolfs ähnelt. Von den nordamerikanischen Ureinwohnern wird der Kojote als ein heiliges Tier verehrt und spielt im Schöpfungsmythos der Ureinwohner Nordamerikas eine aktive Rolle in der Entstehung der Welt. Heute ist das Tier vom Aussterben bedroht.
Beuys nahm das Tier in seine Aktion auf, weil er in ihm die elementaren Kräfte sah, die die einstigen spirituellen Energien der Indianer, aber auch deren Vertreibung, Umsiedlung oder Ermordung definierten und deren Bewusstsein unterdessen in einem technologisierten und kommerzialisierten amerikanischen Alltag und dem darin fehlenden Dialog zwischen den Ureinwohnern und den ehemals europäischen Siedlern verloren gegangen sei.
Joseph Beuys äußerte sich dazu so: „Warum ich mit Tieren arbeite, um unsichtbare Kräfte auszudrücken? - Sie können diese Energien sehr deutlich machen, wenn Sie ein anderes, längst vergessenes Reich betreten, indem unermeßliche Kräfte als große Persönlichkeiten überleben. Und wenn ich versuche, mit diesen spirituellen Wesen in ihrer Gesamtheit wie mit Tieren zu sprechen, wirft das die Frage auf, ob nicht jeder mit höheren Wesen, diesen Geistwesen und Gottheiten sprechen kann...Das Chakra des Kojoten ist so mächtig, dass es kein Mensch versteht oder was es für die Zukunft der Menschheit bedeutet...Ich glaube, ich hatte Kontakt mit dem psychologisch wunden Punkt der USA: Der Verteilung der Energien: Das amerikanische Trauma mit den Indianern, dem 'Roten Mann'. Man könnte sagen, dass noch eine Rechnung mit dem Kojoten zu begleichen ist, erst dann ist dieses Trauma vorbei.” [1]
Kultureller Hintergrund
Die Aktion „I like America and America likes Me“ fiel in eine Zeit, in der die nordamerikanische Bevölkerung besonders durch die Nachwirkungen der Ölkrise des Jahres 1973 als auch durch die Watergate-Affäre beeinflusst war. Der kriegerische Konflikt oder wie Beuys es nannte, „das Amerikanische Trauma“, zwischen den nordamerikanischen Ureinwohnern und den ehemals europäischen Eroberern dauerte seit dem ersten Krieg im Jahr 1622 um Jamestown im heutigen Bundesstaat Virginia bis ins letzte Jahrhundert an; im Februar 1973 besetzten Mitglieder der indianischen Widerstandsorganisation American Indian Movement zusammen mit Sympathisanten aus der Pine-Ridge-Reservation die Ortschaft Wounded Knee und riefen die unabhängige Oglala-Nation aus.
Das Indianerbild der Deutschen war indes vorwiegend durch Literatur, wie zum Beispiel die Winnetou-Romane eines Karl May und deren Verfilmungen oder durch Hollywood-Western geprägt. Im 19. Jahrhundert waren Indianer auch im Rahmen von Völkerschauen ausgestellt oder im Zoo der Öffentlichkeit vorgeführt worden.
Ablauf der Aktion
Szene während der Aktion (externer Weblink)
Die Aktion begann mit dem Abflug in Düsseldorf und endete mit der Ankunft in Düsseldorf. Am John F. Kennedy Airport angekommen, ließ sich Beuys komplett in Filz einwickeln, weil, wie er sagte, „er nichts von Amerika sehen und von der Außenwelt isoliert sein wolle”. Anschließend wurde er von einem Ambulanzwagen in die Galerie gefahren, wo er in einem Raum der Galerie mehrere Tage mit einem Kojoten namens „Little John” verbringen wollte. Bei der Aktion spielte Beuys mit dem Koyoten, ließ sich, verkleidet wie ein Schäfer mit Hirtenstock und Filzumhang, den Mantel von dem Tier herunterreißen und stapelte während der Aktion die Ausgaben der Tageszeitung Wall Street Journal. Das ausgelegte Stroh, vorgesehen für den Koyoten, wurde nicht angenommen. Das Tier machte es sich lieber auf den Zeitungen gemütlich, wobei es ab und an auf dieselben pinkelte. Für Beuys blieben nur noch das Stroh, die Filzbahnen, der besagte Hirtenstock und eine Triangel, die er hin und wieder betätigte. Der anfangs aggressiv-verängstigte Koyote gewann während der Aktion zunehmend an Vertrauen, so dass sich eine Beziehung zwischen Mensch und Tier aufbaute. Zum Abschied drückte Beuys den Präriewolf an sich und verstreute das Stroh, auf dem sich die beiden das Lager geteilt hatten, im Raum. Anschließend ließ sich der Künstler erneut in Filz einwickeln und wurde im Krankenwagen zum Flughafen zurückgebracht, ohne dass er, mit Ausnahme auf den Kojoten, die Wall Street Journals und auf diesen Raum, auch nur einen einzigen Blick auf Amerika geworfen hatte. Beuys sagte später, dass er außer diesem Koyoten nichts habe sehen wollen, weil dieses von den Weißen verhasste Tier auch als ein Engel angesehen werden könne.[2]
Rezeption
Ausschnitte der Aktion wurden von Herbert Wietz auf 16mm-Film aufgezeichnet („I like America and America likes Me“. One week's performance on the occasion of the opening of the René Block Gallery, New York, May 1974, 16mm, s/w, 37 min., Produktion by Galerie René Block und Helmut Wietz – VHS, 1981). Den in Farbe gedrehten Film ließ Beuys in schwarzweiß umkopieren, nicht nur um ihm eine stärkere plastische Gestalt zu verleihen, „sondern um vor allem die spirituelle Seite der Aktion zu betonen.“[3]
Vom 3. November bis zum 28. Dezember 1979 folgte die Ausstellung, „Aus Berlin: Neues vom Kojoten“ in der Galerie Ronald Feldman Fine Arts in New York, sowie ein offene Diskussionsrunde in der Great Hall der Cooper Union am 7 Januar 1979.[4] Im Jahre 1979 folgte auch die erste Retrospektive seines Schaffens im Guggenheim-Museum in New York.
Die ungewöhnliche Aktion mit dem Kojoten verschaffte dem Künstler in Folge den Nimbus des Schamanischen. Das eher spielerische Zwiegespräch mit dem wilden Tier, der Filzumhang, der Krummstab und das rituelle Gebaren an sich boten das medienwirksame Bild eines „Heiligen Mannes“. Im Jahre 1978 fügte die Künstlerin Lili Fischer einem Artikel über „Schamanen“ ein Foto bei, das Joseph Beuys in seiner New Yorker Aktion zeigte.[5] Von Anhängern, Interpreten und Kritikern wurden zuweilen auch die älteren Tier-Aktionen von Beuys, so „wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ (1965) und „Titus Andronicus / Iphigenie“ (1969), nachträglich als so genannte schamanische Aktionen wahrgenommen und bekamen eine Bedeutung beigemessen für „die seelischen Bereiche, die empfänglich für Mythen, Magie, Riten und schamanistischen Zauber sind“, wie der Beuys-Interpret Heiner Stachelhaus 1988 bemerkte.[6] Der Kunsthistoriker Uwe M. Schneede, der die Aktionen als Kern des Beuys'schen Werks ansah, betonte 2001 den „nomadischen Habitus“ in I like America and America likes me, worin er ein Abbild des Lebens- und Kunstprinzips der Moderne erkannte: das der Bewegung.[7]
Literatur
- Götz Adriani, Winfried Konnertz und Karin Thomas: Joseph Beuys. Dumont, Köln 1994, ISBN 3-7701-3321-8
- Monika Angerbauer-Rau: Beuys Kompass: ein Lexikon zu den Gesprächen von Joseph Beuys. Dumont, Köln 1998 , ISBN 3-7701-4378-7
- Joseph Beuys: Energy Plan for the Western Man, Writings by and Interviews with the Artist, Compiled by Carin Kuoni. Four Walls Eight Windows, New York 1990, ISBN 0-941423-44-1
- Caroline Tisdall: Joseph Beuys, Coyote. Schirmer/Mosel, München, 2008, ISBN 978-3-8296-0396-6
- Uwe M. Schneede: Joseph Beuys. Die Aktionen. Kommentiertes Werkverzeichnis mit fotografischen Dokumentationen. Hatje, Ostfildern bei Stuttgart 1984, ISBN 3-7757-0450-7
Weblinks
Artikel:
- Tamara Tolnai Joseph Beuys und seine Aktion Coyote; I like America and America likes Me
- Essay von David Levi Strauss aus seinem Buch Between dog & wolf, Essays on Art and Politics (engl.)
- New York Times Zeitungsbericht "Joseph Beuys at the Feldman Gallery" vom 31. Oktober, 1986 (engl.)
Bilder, Video- und Audio-Aufnahmen:
- "I like America and America likes Me": Die Videodokumentation "Healing the Western Mind" von Katrin Jacobs zeigt einen glücklichen Kojoten im Filz
- Tate Modern - Joseph Beuys Past Exhibitions
Einzelnachweise
- ↑ Freie Übersetzung vom Original in Carin Kuoni, Energy Plan for the Western Man: Joseph Beuys in America, Four Walls Eight Windows, NYC, 1990, Seite 141-144: „Why do I work with animals to express invisible powers? - You can make these energies very clear if you enter another kingdom that people have forgotten, and where vast powers survive as big personalities. And when I try to speak with the spiritual existences of this totality if animals, the question arises of whether one could not speak with these higher existences too, with these deities and elemental spirits...The spirit of the coyote is so mighty that human being cannot understand what it is, or what it can do for humankind in the future.“. .. „I believe I made contact with the psychological trauma point of the United States' energy constellation: the whole American trauma with the Indian, the Red Man. You could say that a reckoning has to be made with the coyote, and only then can this trauma be lifted.“
- ↑ Vgl. Adriani/ Konnertz/ Thomas: Joseph Beuys. Dumont, Köln 1994, S. 141 ff.
- ↑ Eugen Blume: Joseph Beuys. I like America and America likes Me. In: Pamela Kort/ Max Hollein (Hrsg.): I like America. Fiktionen des Wilden Westens. Schirn Kunsthalle Frankfurt, Prestel, München/ Berlin/ london/ New York 2006, S. 359
- ↑ Ronald Feldman Fine Arts Galerie [1]
- ↑ Lili Fischer: Schamanen. In: Kunstforum International, Band 25, 1/1978; S. 54 ff.
- ↑ Heiner Stachelhaus: Joseph Beuys. Claasen, Düsseldorf 1988, S. 94
- ↑ Uwe M. Schneede: Die Geschichte der Kunst im 20. Jahrhundert. Von den Avantgarden bis zur Gegenwart. München 2001, S. 240
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