Ibn Azra

Ibn Azra

Abraham ben Meir ibn Esra (auch Abraham Ben Ezra, Aben Esra, Avenesra oder Ebenesra) (* um 1092 in Tudela, Spanien; † 23. Januar oder 28. Januar 1167) war ein jüdischer Gelehrter und Schriftsteller. Nach ihm ist der Mondkrater Abenezra benannt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sein Leben zerfällt in zwei deutlich unterscheidbare Perioden. Bis 1140 lebte er in Spanien, von wo aus er zahlreiche Reisen nach Marokko, Algerien, Gabes in Tunesien und vielleicht auch Ägypten unternahm. In Spanien befreundete er sich mit Jehuda ha-Levi, bereiste mit ihm die Städte des Landes und begleitete ihn bis nach Nordafrika. Nach 1140 führte Ibn Esra bis zu seinem Tode ein rastloses Wanderleben, schrieb während dieser Zeit die meisten seiner Werke und notierte den Ort ihrer Entstehung. In Rom verfasste er ein Buch über den Aufbau der hebräischen Sprache (Mosnei Leschon Ha-Kodesch), das 1546 in Venedig gedruckt wurde, und übersetzte drei Bücher über die hebräische Grammatik aus dem Arabischen ins Hebräische (1849 veröffentlicht). In Rom scheint Ibn Esra Schwierigkeiten mit Vertretern der jüdischen Gemeinde gehabt zu haben und zog von hier weiter nach Lucca, wo sein Aufenthalt 1145 bezeugt ist. Hier verfasste er Kommentare zu verschiedenen Büchern der Bibel und eine Verteidigungsschrift für Saadia Gaon gegen seinen Schüler Dunasch ben Labrat. Von Lucca zog er weiter nach Mantua und Verona, wo er mathematische und astronomische Werke schrieb. 1147 verließ er Italien und zog in die Provence, besuchte Narbonne und Béziers und ging weiter nach Nordfrankreich (Rouen und Dreux). In Frankreich schrieb er exegetische sowie astrologische Werke. Hier befreundete er sich mit Rabbenu Tam und tauschte mit ihm einige Gedichte aus; in den Tosafot ist eine Frage von Ibn Esra an Rabbenu Tam überliefert. 1158 reiste er nach London und kehrte 1161 nach Narbonne zurück. Der Ort seines Todes ist nicht gesichert; es ist auch möglich, dass er im Alter noch eine Reise ins Heilige Land unternommen hat.

Werk

Ibn Esra hinterließ ein umfangreiches und vielseitiges literarisches Werk, das größtenteils in der zweiten Lebensperiode entstand.

Den wichtigsten und einflussreichsten Teil machen seine bibelexegetischen Schriften aus, die in die rabbinischen Bibelausgaben als Standardkommentare aufgenommen wurden und sich durch eine besondere Gewichtung des Literalsinns auszeichnen, in Exkursen aber auch weitergehende mystische, zahlenexegetische und philosophische Darlegungen bieten. Ibn Esra verfasste Kommentare zum Pentateuch (hierbei zu einem Teil von Genesis und zu Exodus jeweils eine kürzere und eine längere Fassung), zu Jesaja, den zwölf "kleinen" Propheten, den Psalmen, Hiob, den fünf Megillot (Hohelied, Ruth, Klagelieder, Prediger und Esther) und zu Daniel, außerdem heute verlorene Kommentare zu den älteren historischen Büchern (Könige und Samuel). Möglicherweise hat er auch Kommentare zu Jeremia, Ezechiel und den Sprüchen Salomos verfasst, die unter seinem Namen überlieferten Kommentare dieser Art werden ihm heute aber nicht mehr zugeschrieben. Seine Bibelkommentare und verwandten Traktate wie die "Schrift über den Namen" Gottes (Sefer ha-shem) sind neben dem an Avicenna anknüpfenden, in Reimprosa verfassten allegorisch-mystischen Traktat "Lebendiger, Sohn des Wachen" (Haj ben Meqis oder: Chaj ben Meqiz) auch die wichtigsten Quellen für die Kenntnis seiner neuplatonischen Philosophie, da er im engeren Sinn philosophische Schriften nicht verfasst hat.

Unter seinen grammatischen Werken, die die Tradition der in Spanien entstandenen jüdisch-arabischen Grammatiken der hebräischen Sprache, insbesondere Judah ben David Hayyudj, fortsetzen und das Prinzip der dreikonsonantigen Wurzeln in Westeuropa bekannt machten, erlangten vor allem seine "Waage" (Moznajim, 1140, oder: Mosnajim) und das "Buch der Reinheit" (Sefar sahut, 1145, auch: Sefer tzachut), eine Gesamtdarstellung der hebräischen Sprache mit angehängter Metrik, für die nachfolgende Tradition und spätere christliche Hebraistik Bedeutung.

Großen Einfluss hatten auch seine astrologischen, astronomischen und mathematischen Schriften. Das sieben Traktate umfassende Corpus seiner astrologischen Schriften wurde später von einem Juden namens Hagin in altfranzösischer Übersetzung einem pikardischen Schreiber, Obert de Mondidier, diktiert und anschließend von Henri Bates de Malines in die lateinische Sprache übersetzt (1292 abgeschlossen). Unabhängig von dieser ersten lateinischen Fassung wurde die altfranzösische Übersetzung im darauffolgenden Jahr noch einmal von Pietro d'Abano und Anfang des 14. Jahrhunderts erneut von Arnoul de Quinquempoix ins Lateinische übertragen, so dass insgesamt drei lateinische Versionen verbreitet waren. Außerdem entstanden katalanische und mittelenglische Teilübersetzungen, wahrscheinlich jeweils nach der hebräischen Originalfassung. Nur lateinisch überliefert, wahrscheinlich auch von Ibn Esra schon in lateinischer Sprache verfasst, sind seine astronomischen Tabulae pisanae und Fundamenta tabularum, von denen die letzteren in der lateinischen Renaissance zu den wichtigsten Quellen algebraischer und trigonometrischer Kenntnisse gehörten. Hinzu kommen Schriften zum Astrolab, zu Kalenderwesen und historischer Chronologie sowie zu Arithmetik und Zahlentheorie.

Ibn Esra verfasste darüber hinaus zahlreiche religiöse und dann zum Teil in die synagogale Liturgie aufgenommene als auch weltliche Gedichte und führte in den letzteren die Gestalt des wandernden Sängers in die hebräische Poesie ein. Ein Gedicht über das Schachspiel, das als das älteste literarische Zeugnis dieses Spiels in Westeuropa gilt, ist in der Zuschreibung nicht unumstritten.

Ausgaben

  • Abraham ibn Esra: Buch der Einheit. Aus dem Hebräischen übersetzt nebst Parallelstellen und Erläuterungen zur Mathematik Ibn Esras, übers. von Ernst Müller, Welt-Verlag, Berlin 1921. Inhaltsverzeichnis [1]

Literatur

  • Hermann Greive: Studien zum jüdischen Neuplatonismus. Die Religionsphilosophie des Abraham ibn Ezra, de Gruyter, Berlin 1973. ISBN 3-11-004116-2
  • Hermann Greive: Abraham ben Meir ibn Ezra. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 1, de Gruyter, Berlin/New York 1977, ISBN 3-11-006944-X, S. 389–392.

Weblinks


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