Altsüdarabische Sprache

Altsüdarabische Sprache
Altsüdarabisch

Gesprochen in

heutiger Jemen, Oman, Saudi-Arabien
Sprecher (ausgestorben)
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache von (ausgestorben)

Die altsüdarabische Sprache (veraltet Himjarische Sprache, auch Sayhadisch) ist eine ausgestorbene Sprache, die vom 9. Jh. v. Chr. bis zum 6. Jh. n. Chr. im Süden der arabischen Halbinsel, vor allem im Jemen, überliefert ist. Sie gehört zu den semitischen Sprachen. Das Altsüdarabische wurde im frühen 7. Jahrhundert n. Chr. offenbar mit der Einführung des Islams im Jahre 630 vom Arabischen verdrängt; die letzte datierte Inschrift stammt aber schon aus dem Jahr 669 der himjarischen Ära (etwa 554 n. Chr.) Es ist jedoch nicht unmöglich, dass das Altsüdarabische als gesprochene Sprache schon im 4. Jahrhundert n. Chr. ausstarb.[1]

Inhaltsverzeichnis

Sprachverwandtschaft

Das Altsüdarabische gehört ebenso wie etwa das Klassisch-Arabische und Hebräische zu den semitischen Sprachen, einem Zweig der afroasiatischen Sprachfamilie. Da die interne Klassifikation der semitischen Sprachen nicht gesichert ist, gibt es auch verschiedene Ansichten dazu, wie das Altsüdarabische innerhalb dieser Sprachfamilie einzuordnen ist. Das traditionelle Modell rechnet das Altsüdarabische zusammen mit dem Arabischen, den neusüdarabischen Sprachen und den äthiosemitischen Sprachen zum südsemitischen Zweig.[2] Die neusüdarabischen Sprachen stehen trotz des Namens nicht in direkter Nachfolge des Altsüdarabischen. Lange ging man davon aus, das äthiopische Ge'ez sei direkt aus dem Altsüdarabischen entstanden, diese Ansicht ist aber mittlerweile widerlegt. Neuere Forschungsergebnisse legen indes nahe, dass das Altsüdarabische nicht zu den südsemitischen Sprachen zu zählen ist, sondern zusammen mit dem Arabischen und den nordwestsemitischen Sprachen (u. A. Hebräisch, Aramäisch) den zentralsemitischen Zweig bildet.[3] Das deutlichste Merkmal, das das Altsüdarabische von den anderen semitischen Sprachen abgrenzt, ist das determinierende Suffix n, das sich in dieser Verwendung in keiner anderen semitischen Sprache findet.

Dialekte

Die südarabischen Reiche und Dialekte um 100 n. Chr.

Das Altsüdarabische war keine einheitliche Sprache; aufgrund der Unzulänglichkeiten der altsüdarabischen Schrift sind aber möglicherweise viele Unterschiede unbekannt. Im einzelnen sind folgende Dialekte (bzw. Sprachen) überliefert (die Jahreszahlen richten sich nach der „Langen Chronologie“, vgl. Altes Südarabien):

  • Sabäisch: Sprache des Reiches Saba und des späteren Himyar; sehr gut belegt, ca. 6000 Inschriften
    • Altsabäisch: 8. bis 2. Jh. v. Chr.
    • Mittelsabäisch: 1. Jh. v. Chr. bis 4. Jh. n. Chr. (am stärksten belegt)[4]
      • Amiritisch/Haramisch: Sprache der Gebiete nördlich von Ma'in
      • Zentralsabäisch: Sprache der Inschriften aus dem sabäischen Kernland
      • Südsabäisch: Sprache der Inschriften aus Radman und Himyar
      • „Pseudo-Sabäisch“: Belegt in Nadschran und Umgebung
    • Spätsabäisch: 5. und 6. Jh. n. Chr.
  • Minäisch (auch Madhabisch): Sprache der Stadtstaaten im Dschauf − außer Haram − bzw. des späteren Flächenstaates Ma'in (8. bis 2. Jh. v. Chr.) Inschriften auch außerhalb von Ma'in in den Handelskolonien Dedan und Mada'in Salih, in Ägypten und auch Delos. (ca. 500 Inschriften)
  • Qatabanisch: Sprache des Reiches Qataban 5. Jh. v. Chr. bis 2. Jh. n. Chr. (knapp 2000 Inschriften)
    • Ausanisch: Sprache des Reiches Ausan, sehr schwach belegt (ca. 25 Inschriften, 8. Jh. v. Chr. sowie 1. Jh. v. Chr. bis 1. Jh. n. Chr.). Unterscheidet sich nicht erkennbar vom Qatabanischen.
    • Andere Varietäten, wie die Sprache des Stammes Radman
  • Hadramitisch (hadramautisch): Sprache von Hadramaut, zusätzlich eine Inschrift von der griechischen Insel Delos. 5. Jh. v. Chr. bis 4. Jh. n. Chr. (ca. 1000 Inschriften)

Von diesen Dialekten ist das Sabäische eine sog. h-Sprache, die anderen s-Sprachen, da das Sabäische im Pronomen der 3. Person und im Kausativpräfix ein h zeigt, wo die anderen Sprachen ein s1 zeigen. Insgesamt ist das Qatabanische eine archaische Sprache, während das Sabäische in Morphologie und Syntax und das Hadramautische im Lautsystem am weitesten entwickelt ist.

Überlieferung

Sabäische Weiheinschrift an Almaqah

Das Altsüdarabische wurde mit der altsüdarabischen Schrift, einem vom phönizischen Alphabet abstammenden Konsonantenalphabet, geschrieben. Die Anzahl der erhaltenen Inschriften ist verglichen mit anderen Teilen der antiken Welt, beispielsweise Palästina, sehr hoch, angeblich sind 10.000 Inschriften erhalten[1]; der sabäische Wortschatz umfasst ca. 2500 Wörter.[5] Die Inschriften lassen sich nach Schreibmaterial und Inhalt in folgende Gruppen einteilen:

  1. Steininschriften
    1. Votivinschriften, enthalten oft auch historische Berichte über Ereignisse, die zu einer Widmung führten.
    2. Bauinschriften: nennen Name des Bauherrn und u. U. auch historische Umstände
    3. Gesetze und Verordnungen
    4. Protokolle und Urkunden
    5. Sühne- und Bußinschriften
    6. Felsgraffiti
  2. literarische Texte: Falls solche Texte jemals in größerer Zahl vorhanden waren, sind sie fast vollständig verloren
  3. Inschriften auf Holzzylindern (nur mittelsabäisch und hadramitisch)[6]
    1. private Texte
    2. Verträge und Anordnungen
  4. Inschriften auf Gebrauchsgegenständen

Für die Steininschriften ist eine sehr formelhafte, aber auch präzise Ausdrucksweise kennzeichnend; die in einer kursiven Form der Schrift niedergeschriebenen Holzinschriften dagegen haben einen weniger formelhaften Stil.

Forschungsgeschichte und Didaktik

Eduard Glaser (1855–1908)

Zwar waren in Europa schon seit dem 18. Jahrhundert Inschriften aus dem alten Südarabien bekannt, doch gelang erst Wilhelm Gesenius (1786-1842) und seinem Schüler Emil Rödiger in den Jahren 1841/42 unabhängig voneinander ein großer Teil der Entzifferung der altsüdarabischen Schrift. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts brachten dann Joseph Halévy und Eduard Glaser hunderte altsüdarabische Inschriften, Papierabdrücke und Kopien nach Europa. Auf Basis dieses großen Materials legte Fritz Hommel bereits 1893 eine Chrestomathie und den Versuch einer Grammatik vor. Nach ihm gelangen insbesondere dem Sabäisten Nikolaus Rhodokanakis weitere wesentliche Fortschritte beim Verständnis des Altsüdarabischen. Ein völlig neuer Bereich altsüdarabischer Schrift und Schriftlichkeit eröfnnete sich seit den 1970er Jahren durch den Fund von mit einem Stift und in sabäischer Sprache beschriebenen Holzzylindern. Die unbekannte Schrift und zahlreiche unverständliche Wörter stellten die Sabäistik vor neue Probleme, und bis heute sind die Holzzylinder nicht vollständig verständlich.

Im deutschsprachigen Raum wird Altsüdarabisch im Rahmen der Semitistik unterrichtet, ohne dass es dafür eigene Lehrstühle gibt. Das Erlernen des Altsüdarabischen setzt Kenntnisse wenigstens einer anderen semitischen Sprache voraus, da das Erlernen der Eigenheiten des Semitischen eine weniger fragmentarisch erhaltene Sprache erfordert. Gewöhnlich wird eine Einführung in die Grammatik des Altsüdarabischen gegeben, daran schließt sich die Lektüre einiger längerer Texte an.

Lautsystem

Das Altsüdarabische besaß mit 29 konsonantischen Phonemen das reichste Konsonantensystem des Semitischen (nach Nebes/Stein 2004; die Buchstaben in Klammern geben die Transkription):

  Bilabial Dental Alveolar Postalveolar Palatal Velar Uvular Pharyngal Glottal
 nichtemph.  emphatisch  nichtemph.  emphatisch
Plosive stl.       t () ()     k () q ()   ʔ ( ʾ)
sth. b ()     d ()       g ()      
Frikative stl. f () θ () () s (s3 / ś) () ʃ (s1 / s)   x ()   ħ () h ()
sth.   ð ()   z ()       ɣ (ġ)   ʕ (ˀ)  
Nasale m ()     n ()              
Laterale       l ()          
Vibranten       r ()              
Approximanten w ()           j ( y)        
laterale Frikative stl.     ɬ (s2 / š) ɬˀ ()

In der Frühzeit der Sabäistik wurde das Altsüdarabische mit dem hebräischen Alphabet umschrieben[7]. Strittig ist die Transkription der alveolaren bzw. postalveolaren Frikative; nach großen Unsicherheiten in der Frühzeit der Sabäistik setzte sich die von dem Corpus Inscriptionum Semiticarum, Nikolaus Rhodokanakis und Anderen gewählte Transkription durch, bis A. F. L. Beeston stattdessen die Bezeichnung durch s plus Index 1-3 vorschlug. Letztere Bezeichnung hat sich hauptsächlich im englischen Sprachraum durchgesetzt, während z. B. im deutschen Sprachraum die älteren Transkriptionszeichen, die in der obigen Tabelle ebenfalls berücksichtigt wurden, weiterhin verbreitet sind.

Im Laufe der Sprachgeschichte zeigten sich besonders im Hadramitischen einzelne Lautveränderungen, die jedoch eher selten auftreten:

  • ʿ wurde teilweise durch ʾ ersetzt
  • wurde zu
  • wurde teilweise zu s3 (vgl. Schreibungen wie tlmy für „Ptolemaios“ (minäisch))
  • Im Spätsabäischen fielen s1 und s3 zu grafischem s1 zusammen
  • n kann an einen folgenden Konsonanten assimiliert werden, vergleiche ʾnfs1 „Seelen“ > ʾfs1

Da die altsüdarabische Schrift Vokale nicht kennzeichnet, sind detaillierte Aussagen über die Vokale des Altsüdarabischen nicht möglich. Umschreibungen altsüdarabischer Namen vor allem im Griechischen legen indes nahe, dass das Altsüdarabische wie das Protosemitische und das Arabische die Vokale a, i und u besaß. So erscheint der Name krb-ʾl im Akkadischen als Karib-ʾil-u und im Griechischen als Chariba-el. Die Monophthongisierung von aw zu ō wird durch Varianten wie ywm und ym „Tag“ (vergleiche arabisch yawm), Ḥḍrmwt / Ḥḍrmt / griechisch Chatramot „Hadramaut“ nahegelegt. Da jedoch nur sehr wenige Wörter vokalisiert überliefert sind, sind vokalisierte Formen altsüdarabischer Namen hypothetisch und teilweise willkürlich.

Morphologie

Personalpronomina

Es existierten Pronominalsuffixe und unabhängige bzw. absolute Pronomina; letztere sind nur im Sabäischen belegt. Die Personalpronomina lauten − soweit bekannt − im einzelnen:

Pronominalsuffixe Unabhängige Pronomina
Sabäisch Andere Dialekte Sabäisch
Singular 1. Person -n   ʾn
2. Person m. -k -k ʾnt; ʾt
2. Person f. -k    
3. Person m. -hw, h -s1w(w), s1 h(w)ʾ
3. Person f. -h, hw -s1, -s1yw (qataban.), -(yw), -s3(yw) (hadram.) hʾ
Dual 2. Person -kmy ʾtmy  
3. Person com. -hmy -s1mn (min.), -s1my (qataban.; hadram.) hmy
3. Person m.   -s1m(y)n (hadram.)  
Plural 1. Person -n    
2. Person m. -kmw   ʾntmw
2. Person f.      
3. Person m. -hm(w) -s1m hmw
3. Person f. -hn -s1n hn

Die Pronominalsuffixe dienen an Verben und Präpositionen angehängt als Objektspronomina: qtl-hmw „er tötete sie“, mr-hmy tʾlb „Taʾlab schenkte ihnen beiden“, ʿm-s1mn „mit ihnen beiden“. An Substantive angehängt können sie ein Besitzverhältnis ausdrücken: ʿbd-hw „sein Diener“, bhn-s1w „seine Söhne“.

Die absoluten Pronomina dienten als Subjekt von Nominal- und Verbalsätzen: mrʾ ʾt „du bist Herr“ (Nominalsatz); hmw f-mdw „sie dankten“ (Verbalsatz).

Substantiv

Kasus, Numerus, Genus

Die Substantive des Altsüdarabischen unterscheiden die beiden Genera Maskulinum und Femininum, letzteres wird dabei im Singular mit der Endung –t gekennzeichnet: bʿl „Herr'“ (m.), bʿlt „Herrin“ (f.), hgr „Stadt“ (m.), fnwt „Kanal“ (f.). Es besitzt die drei Numeri Singular, Dual und Plural. Der Singular wird ohne Veränderung des Stammes gebildet, der Plural dagegen kann auf verschiedene Weisen, die bei ein und demselben Wort variieren können, gebildet werden:

  • Innere („gebrochene“) Plurale: Sie sind wie im Arabischen sehr häufig.
    • ʾ-Präfix: ʾbyt „Häuser“ zu byt „Haus“
    • t-Suffix: besonders häufig bei Worten mit m-Präfix: mfdt „Türme“ zu mfd „Turm“.
    • Kombinationen: beispielsweise ʾ–Präfix und t-Suffix: ʾḫrft „Jahre“ zu ḫrf „Jahr“, ʾbytt „Häuser“ zu byt „Haus“.
    • ohne äußeres Bildungsmerkmal: fnw „Kanäle“ zu fnwt (f.) „Kanal“
    • w-/y-Infix: ḫrwf / ḫryf / ḫryft „Jahre“ zu ḫrf „Jahr“ vor. **Reduplikationsplurale sind im Altsüdarabischen selten belegt: ʾlʾlt „Götter“ zu ʾl „Gott“.
  • Äußere („gesunde“) Plurale: Im Maskulinum ist ihre Endung je nach Status (siehe unten) unterschiedlich; im Femininum lautet die Endung -(h)t, was vermutlich *-āt wiedergibt: Minäisch ʾn-ht „Frauen“ zu ʾn-t „Frau“.

Der Dual ist im Altsüdarabischen schon in der Aufgabe begriffen; seine Endungen hängen vom Status ab: ḫrf-n „zwei Jahre“ (Status indeterminatus) zu ḫrf „Jahr“.

Das Altsüdarabische kannte mit Sicherheit eine Kasusflexion, die durch vokalische Endungen gebildet wurde, weshalb sie in der Schrift nicht erkennbar ist; jedoch haben sich Spuren in der Schreibung v.a. des Status Constructus erhalten.[8]

Status

Wie andere semitische Sprachen auch kannte das altsüdarabische Substantiv mehrere Status, die je nach Genus und Numerus durch unterschiedliche Endungen gebildet wurden: (Formen des Sabäischen; im Hadramitischen und Minäischen findet sich in bestimmten Formen vor den Endungen ein h):

  Stat. constr. Stat. indet. Stat. det.
Maskulinum Singular - -m -n
Dual - / -y -n -nhn
Äußerer Plural -w / -y -n -nhn
Femininum Singular -t -tm -tn
Dual -ty -tn -tnhn
Äußerer Plural -t -tm -tn

Die drei Status haben unterschiedliche syntajtische und semantische Funktionen:

  • Status indeterminatus: er markiert das unbestimmte Substantiv: lm-m „(irgend)eine Statue“.
  • Status determinatus: er markiert das determinierte Substantiv: lm-n „die Statue“, (hadramitisch) br-hn „das Meer“.
  • Status constructus: er tritt ein, wenn das Substantiv mit einem Genitiv, einem Relativsatz oder einem Personalsuffix verbunden ist:
    • Mit Pronominalsuffix: (sabäisch) ʿbd-hw „sein Diener“, (qatabanisch) bn-s1ww „seine Söhne“
    • Mit nominalem Genitiv: (hadramitisch) gnʾhy myfʾt „die beiden Mauern von Maifa'at“, mlky s1bʾ „die beiden Könige von Saba“
    • Mit Relativsatz: kl 1 s1bʾt 2 w-byʾ 3 w-tqdmt 4 s1bʾy5 w-bʾ6 tqdmn7 mrʾy-hmw8 „alle1 Expeditionen2, Schlachten3 und Angriffe4, die ihre zwei Herren8 leiteten5, schlugen6 und anführten7“ (die Substantive im Status constructus sind hierkursiv gedruckt)

Verb

Konjugation

Wie die anderen westsemitischen Sprachen auch unterscheidet das Altsüdarabische zwei Arten von finiten Verbformen: Das mit Suffixen konjugierte Perfekt und das mit Präfixen konjugierte Imperfekt. Beim Imperfekt lassen sich zwei Formen unterschieden: eine Kurzform und eine durch n-Suffix gebildete Form (Langform bzw. n-Imperfekt), die allerdings im Qatabanischen und Hadramitischen fehlt. In der Verwendung lassen sich die beiden Imperfektformen nicht exakt trennen. [9] Die Konjugation von Perfekt und Imperfekt lässt sich folgendermaßen zusammenfassen (Aktiv und Passiv lassen sich nicht unterscheiden; Beispielverb fʿl „machen“):

  Perfekt Imperfekt
Kurzform Langform
Singular 1. P. fʿl-k (?)    
2. P. m. fʿl-k    
2. P. f. fʿl-k t-fʿl t-fʿl-n
3. P. m. fʿl y-fʿl y-fʿl-n
3. P. f. fʿl-t t-fʿl t-fʿl-n
Dual 3. P. m. fʿl(-y) y-fʿl-y y-fʿl-nn
3. P. f. fʿl-ty t-fʿl-y t-fʿl-nn
Plural 2. P. m. fʿl-kmw   t-fʿl-nn
3. P. m. fʿl-w y-fʿl-w y-fʿl-nn
3. P. f. fʿl-y, fʿl-n (?) t-fʿl-n(?) t-fʿl-nn(?)

Das Perfekt wird hauptsächlich zur Bezeichnung einer vergangenen Handlung benutzt, nur vor Konditionalsätzen und in Relativsätzen mit konditionalem Nebensinn bezeichnet es eine gegenwärtige Handlung. Beispiel: w-s3ḫly Hlkʾmr w-mʿt „Und Hlkʾmr und mʿt haben sich schuldig bekannt (Dual)“.

Das Imperfekt bezeichnet gewöhnlich die Gleichzeitigkeit zu einem vorher genannten Ereignis oder einfach die Gegenwart oder Zukunft. Es lassen sich vier durch Präfixe gebildete Modi unterscheiden:

  1. Indikativ: er hat in den meisten Dialekten kein besonderes Merkmal, nur im Qatabanischen und selten im Minäischen wird er durch ein Präfix b gebildet: b-y-s2 "er handelt" (qatabanisch). Mit perfektischer Bedeutung: w-y-qr zydʾl b-wrh tr „Und Zaid'il starb im Monat Hathor“ (minäisch).
  2. Präkativ: er lautet l-yfʿln / l-fʿlnn (ohne y-) und drückt Wünsche aus: w-l-y-mrn-hw ʾlmqhwAlmaqahu möge ihm gewähren“.
  3. Jussiv: er hat die Form l-yfʿl und steht für indirekte Befehle: l-yʾt „so soll es kommen“ (Sabäisch).
  4. Vetitiv: ʾl yfʿl. Er dient zum Ausdruck negativer Befehle: w-ʾl y-hwfd ʿlbm „Und keine ʿilb-Bäume dürfen hier gepflanzt werden“.

Abgeleitete Stämme

Von Verben lassen sich durch Veränderung der konsonantischen Wurzel verschiedene abgeleitete Stämme bilden, die mit diesem hinsichtlich ihrer Bedeutung in Bezug stehen. Im Altsüdarabischen sind sechs solcher Stämme belegt. Beispiele:

  • qny „bekommen“ > hqny (sabäisch) / s1qny (andere Dialekte) „opfern, spenden“
  • qwm „anordnen“ > hqm (sabäisch) / s1qm (andere Dialekte) „anordnen“, tqwmw „bezeugen“

Syntax

Die Satzstellung des Altsüdarabischen ist nicht exakt geregelt: der erste Satz einer Inschrift hat immer die Satzstellung (Partikel - ) Subjekt – Prädikat (SV), die anderen Hauptsätze einer Inschrift werden durch w- "und" eingeleitet und haben – wie die Nebensätze – gewöhnlich die Stellung Prädikat – Subjekt (VS). Das Prädikat kann dabei durch f- eingeleitet werden.[10]

Beispiele:

Am Inschriftenanfang; SVO
s1ʿdʾl w-rʾbʾl s3lʾ w-sqny ʿtr kl ġw
Subjekt 3. Person Plural Perfekt "und" – 3. Person Plural Perfekt Indirektes Objekt Direktes Objekt
S1ʿdʾl und Rʾbʾl haben dargebracht und haben geweiht dem Athtar die ganze Ausbesserung
"S1ʿdʾl und Rʾbʾl haben dem Athtar die ganze Ausbesserung dargebracht und geweiht"
Durch w eingeleitet; SVO
w-ʾws1ʾl f-md mqm ʾlmqh
"und"-Subjekt "und" - 3. Person Sg. Perfekt Objekt
und Awsil und er dankte der Macht Almaqahs
"Und Awsil dankte der Macht Almaqahs"


Neben Sätzen mit verbalem Prädikat kennt das Altsüdarabische auch Nominalsätze, deren Prädikat ein Substantiv, Adjektiv oder eine Präpositionalphrase sein kann; das Subjekt steht meistens voran:

Durch "w" eingeleiteter Nominalsatz
w-n-m wtfn mdqm
"und"-Attribut Subjekt mit Nunation Prädikat mit Mimation
Und dieser die Übergabeurkunde bindend
Und diese Übergabeurkunde ist bindend.

Nebensätze

Das Altsüdarabische verfügt über vielfältige Mittel zur Bildung von Nebensätzen durch unterschiedliche Konjunktionen:

Hauptsatz mit anschließendem Objektsatz
Hauptsatz Nebensatz
w-y-s1mʿ-w k-nblw hmw ʾgrn b-ʿbr ʾzb bs2t
"und"-3. P. Pl. Imperfekt Konjunktion – 3. P. Pl. Perfekt Attribut Subjekt Präposition Präpositionalobjekt
Und sie hörten dass sandten diese Nadschraniten zu abessinische Stämme
Und sie hörten, dass diese Nadschraniten (eine Delegation) zu den abessinischen Stämmen gesandt hatten.
Konditionalsatz mit Nachsatz
Nebensatz Nachsatz
w-hmy hfnk f-tʿlmn b-hmy
"und" - Konjunktion 2. Person Sg. Perfekt "dann" - Imperativ Pronominalphrase
Und wenn du sendetest und unterschreibe auf sie
Und wenn du (sie) sendest, unterschreibe sie.

Relativsätze

Das Altsüdarabische unterscheidet zwei Arten von Relativsätzen: unabhängige und abhängige (d. h. adjektisch / attributive). Die unabhängigen Relativsätze werden mit dem Relativpronomen - oder ʾl und dem indeklinablen mn und deren Formen bzw. Komposita eingeleitet:

Relativsatz nach mn-mw
mn-mw -ys2ʾmn ʿbdm f-ʾw ʾmtm
"wer" - Enklitikum Relativpronomen – 3. Person Singular n-Imperfekt Obj. – Mimation "und" – "oder" Obj. - Mimation
Wer kauft einen Sklaven oder eine Sklavin
Wer einen Sklaven oder eine Sklavin kauft[...]

Attributive Relativsätze können eingeleitet (syndetisch) oder uneingeleitet (asyndetisch) sein:

Syndetischer Relativsatz (Qataban.) mit nominalem Prädikat
Hauptsatz Relativsatz
n mfdn yr m b-s2hd gnʾ hgrsm
Demonstrativpronomen Subjekt mit Nunation Relativpronomen Präposition Präpositionalobjekt Attribut mit Pron. Suffix 3. P. Pl. m.
dieser der Turm yr welcher gegenüber Mauer ihre Stadt
...dieser Turm yr, der gegenüber der Mauer ihrer Stadt (sich befindet).

Wortschatz

Der Wortschatz des Altsüdarabischen ist aufgrund der Verschiedenartigkeit der Inschriftengattungen verhältnismäßig vielfältig, steht jedoch im Bereich des Semitischen recht isoliert, was seine Erschließung erschwert. Selbst anhand der nahe verwandten Sprachen wie dem Ge'ez und dem klassischen Arabischen lässt sich nur ein Teil des altsüdarabischen Wortschatzes erschließen, ein nicht geringer Teil muss aus dem Textkontext erschlossen werden, und einige Wörter bleiben unverständlich. Hingegen finden sich viele Wörter aus der Landwirtschaft und der Bewässerungstechnik in Werken jemenitischer Gelehrten aus dem Mittelalter und teilweise auch in den modernen jemenitischen Dialekten wieder. Fremde Lehnwörter sind im Altsüdarabischen rar, lediglich griechische und aramäische Worte fanden in der rahmanistischen, christlichen und jüdischen Periode (5. bis 7. Jahrhundert n. Chr.) Eingang in südarabische Inschriften, wie z. B. qls1-n aus griechisch ἐκκλησία „Kirche“, das sich im arabischen al-Qillīs als Bezeichnung der von Abraha errichteten Kirche in Sanaa erhalten hat.[11]

Quellen

  1. a b Christian Robin: Südarabien − eine Kultur der Schrift. In: Wilfried Seipel (Hrsg): Jemen - Kunst und Archäologie im Land der Königin von Saba. Mailand 1998. ISBN 3-900325-87-4 (formal falsche ISBN), S. 79 ff.
  2. Vgl. Alice Faber: Genetic Subgrouping of the Semitic Languages. In: Robert Hetzron (Hrsg.): The Semitic Languages. London: Routledge, 1997. S. 3-15. Hier S. 5.
  3. John Huehnergard: Features of Central Semitic. In: biblica et orientalia 48 (2005). S. 155-203. Hier S. 160 f.
  4. Dialekte nach: Peter Stein: Zur Dialektgeographie des Sabäischen. In: Jounal of Semitic Studies XLIX/2. Manchester 2004
  5. Hochrechnung nach Stichproben aus Beeston, Ghul, Müller, Ryckmans: Sabaic Dictionary (siehe Literaturverzeichnis)
  6. Siehe: Ryckmans, Müller, Abdallah 1994; Serguei A. Frantsouzoff: Hadramitic documents written on palm-leaf stalks. In: Proceedings of the Seminar for Arabien Studies, 29 (1999), S. 55-65
  7. diese Methode findet sich noch bei Adolf Grohmann: Handbuch der Altertumswissenschaft, Kulturgeschichte des Alten Orients, Dritter Abschnitt, Vierter Unterabschnitt: Arabien. München 1963
  8. Hierzu: P. Stein: Gibt es Kasus im Sabäischen?, in: N. Nebes (Hrg.): Neue Beiträge zur Semitistik. Erstes Arbeitstreffen der Arbeitsgemeinschaft Semitistik in der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft vom 11. bis 13. September 2000, S. 201-222
  9. Zu Einzelheiten: Norbert Nebes: Verwendung und Funktion der Präfixkonjugation im Sabäischen, in: Norbert Nebes (Hrsg.): Arabia Felix. Beiträge zur Sprache und Kultur des vorislamischen Arabien. Festschrift Walter W. Müller zum 60. Geburtstag. Harrassowitz, Wiesbaden, S. 191-211
  10. Norbert Nebes: Die Konstruktionen mit /FA-/ im Altsüdarabischen. (Veröffentlichungen der Orientalischen Kommission der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz, Nr. 40) Harrassowitz, Wiesbaden 1995
  11. A. F. L. Beeston: Foreign loanwords in Sabaic, in: Norbert Nebes (Hrsg.): Arabia Felix. Beiträge zur Sprache und Kultur des vorislamischen Arabien. Festschrift Walter W. Müller zum 60. Geburtstag. Harrassowitz, Wiesbaden, S. 39-45

Literatur

  • Mounir Arbach: Le madhabien: lexique, onomastique et grammaire d'une langue de l'Arabie méridionale préislamique. (Tomes 1-3) Aix-en-Provence, 1993 (umfasst ein Lexikon, eine Grammatik und eine Liste der Eigennamen des Minäischen)

Grammatiken

  • A. Beeston: Sabaic Grammar, Manchester 1984 ISBN 0-9507885-2-X
  • Maria Höfner: Altsüdarabische Grammatik (Porta Linguarum Orientalium, Band 24) Leipzig, 1943
  • N. Nebes, P. Stein: Ancient South Arabian, in: Roger D. Woodard (Hrsg.): The Ancient Languages of Syria-Palestine and Arabia. Cambridge University Press, Cambridge 2008 ISBN 978-0-521-68498-9 S. 145-178 (neuester grammatischer Überblick mit Bibliographie)

Wörterbücher

  • A.F.L. Beeston, M.A. Ghul, W.W. Müller, J. Ryckmans: Sabaic Dictionary / Dictionnaire sabéen /al-Muʿdscham as-Sabaʾī (Englisch-Französisch-Arabisch) Louvain-la-Neuve, 1982 ISBN 2-8017-0194-7
  • Joan Copeland Biella: Dictionary of Old South Arabic. Sabaean dialect Eisenbrauns, 1982 ISBN 1-57506-919-9
  • S.D. Ricks: Lexicon of Inscriptional Qatabanian (Studia Pohl, 14), Pontificial Biblical Institute, Rom 1989

Texte

  • Alessandra Avanzini: Corpus of South Arabian Inscriptions I-III. Qatabanic, Marginal Qatabanic, Awsanite Inscriptions (Arabia Antica 2) Ed. PLUS, Pisa 2004 ISBN 88-8492-263-1
  • J. Ryckmans, W.W. Müller, Y.M. Abdallah: Textes du Yémen antique. Inscrits sur bois (Institut Orientaliste, Band 43) Institut Orientaliste, Louvain 1994

Weblinks


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