- Indianersommer
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Mit Indian Summer bezeichnet man jene Zeit im Spätsommer und Frühherbst in Kanada und den Neuenglandstaaten, aber auch in Teilen Alaskas und dem Mittleren Westen der Vereinigten Staaten bis nach Süden, die durch das lebhafte Farbenspiel der Wälder charakterisiert ist. Eine Vielzahl von Blattfärbungen von Grün, Gelb, Orange, Rot, Braun und Ocker ist dabei oft mit einem oft strahlend blauen Himmel und einem erneuten Anstieg der Temperaturen auf teilweise über 20 °C verbunden. Diese Kombination von angenehmen Wetter und Farbschauspiel nutzen Einheimische wie eine signifikante Anzahl von Touristen zu Spaziergängen, Wanderungen und Urlaubsreisen in Landschaften mit besonders ausgeprägten derartigen Naturschauspielen, insbesondere entlang der Küstenlinien der Nordenglandstaaten und Ostkanada und sowie der Großen Seen.
Im anglo-amerikanischen Sprachraum wird etwas stärker der Indian Summer als warme Herbstperiode, ähnlich dem deutschen „Altweibersommer“, von der herbstlichen Blattfärbung, die fall foliage oder umgangssprachlich schlicht foliage (abgeleitet vom lateinischen folium = Blatt) und dem lokalen Tourismus, den Leaf peepers unterschieden.
Die stärkere Wahrnehmung des farbenprächtigen Schauspiels ist auch auf die deutlich höhere Anzahl von Baumarten in Nordamerika (über 800 Arten, darunter 70 Eichenarten) gegenüber West und Westeuropa (51 Baumarten, darunter drei Eichen)[1] wie auch die Nord-Süd verlaufenden Gebirgsketten zurückzuführen.
Inhaltsverzeichnis
Etymologie
Der Indianersommer ist eine dem deutschen Altweibersommer vergleichbare temporäre Wetterlage. Interpretationen des Namens beziehen sich auf die zu dieser Jahreszeit stattfindenden Jagdaktivitäten wie auch letzte kriegerische Attacken vor der Wintersaison. Das Trügerische des letzten Sommeranscheins vor dem Wintereinbruch wurde auch den nordamerikanischen Indianern als Charaktereigenschaft zugeschrieben. Eine sehr spezielle Theorie bezieht sich auf die gesamte warme Jahreszeit in der Schiffe von den Großen Seen sicher von und nach Indien fahren konnten. In dieser Zeit konnten die Schiffe auch mehr Güter laden, die Bezeichnung 'I.S.' im Sinne von 'Indischer Sommer' hätte die entsprechend höhere Ladelinie auf Schiffsrümpfen gekennzeichnet.[2]
Positive Assoziationen und romantische Verklärungen finden sich unter anderem bei Nathaniel Hawthorne bereits Mitte des 19. Jahrhunderts[3]
In der Zeit wurden seitens der Indianer auch Waldbrände angelegt, um dem Wild weniger Deckung zu gewähren und entsprechende Brachflächen nutzen zu können.[4] Sagenhafte volksetymologische Deutungen, welche besondere Indianermythen um den Indian Summer ranken, sind dem speziellen Indianerbild im deutschen Sprachraum zu verdanken.
Zeitlich-geographischer Verlauf der Umfärbung der Blätter
Normalerweise verfärben sich die Blätter zuerst im Norden und in Gebirgslagen. An Berghängen Kanadas und in Alaska beginnt die Foliage bereits im August. Sie schreitet dann kontinuierlich, je nach Wetterlage aber auch sprunghaft, nach Süden voran. Der typische Indian Summer beginnt in Kanada und Alaska und verbreitet sich danach über fast die gesamten Vereinigten Staaten nach Süden, vor allem jedoch über die US-Bundesstaaten Maine, New Hampshire und Vermont, Massachusetts, Rhode Island bis nach Connecticut.
Der Indian Summer ist und war entlang der bereits im 18. Jahrhundert vielfach besiedelten und befahrenen Großen Seen und entlang der Küsten Neuenglands nachzuverfolgen und wahrzunehmen.
Selbst um Dallas im Staat Texas ist der Indian Summer im November, zwar weniger ausgeprägt, aber dennoch zu beobachten. Im Allgemeinen erreicht er seinen Höhepunkt zwischen Anfang Oktober im Norden und dem späten Oktober im Süden. Je nach Witterung können sich die Zeiträume aber verschieben. Starke Kälte und ein früh einsetzender Nachtfrost beschleunigen die Laubfärbung, ein warmer und sonniger Spätsommer verlangsamt den Prozess.
Jeder Staat Neuenglands hat während der Foliage seine eigenen Farben, allerdings wird behauptet, die intensivste Färbung fände man in Vermont. Die ausgedehnten Wälder mit ihrer vielfältigen Mischung aus Laubbäumen glühen in allen Farben. Im Green Mountain State, so der werbewirksame Beiname Vermonts, gibt es im späten September und im Oktober kaum noch ein grünes Blatt. Der Zucker-Ahorn, dessen Blätter sich rot, orange und gold verfärben, ist einer der häufigsten Bäume Neuenglands. Dessen Verbreitung sorgt für das einzigartige, leuchtende Scharlachrot in den Laubwäldern, ein Farbspektrum, das in dieser Vielfalt und Leuchtkraft in europäischen Wäldern nicht zu finden ist. Der altdeutsche Begriff Altweibersommer, der sich auf die von bestimmten Spinnenarten gewobenen Sprungfäden bezieht, hat mit dem Indian Summer daher lediglich die milden Temperaturen gemeinsam.
Chemisch-biologische Ursachen für die Umfärbung der Blätter
Im Herbst leiten die Laubgehölze mit abnehmender Tageslänge die aktive Umfärbung der Blätter ein, indem sie deren Proteine abbauen und wertvolle Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat in Speichergeweben bis zur nächsten Wachstumsperiode zwischenlagern. Ein Recycling der Blattfarbstoffe findet allerdings nicht statt. Das grüne Chlorophyll wird zu farblosen Formen umgebaut und in den Vakuolen der Zellen angereichert, sodass auch die Chlorophyll-haltigen Proteine der Photosynthese abgebaut werden können.[5] Es gibt so den Blick auf die verbleibenden gelblich-roten Carotinoide frei. Die Logistik der Stoffverlagerung ist im Blatt oft gut erkennbar: Periphere Bereiche verlieren ihr Grün zuerst, entlang der Blattnerven bleibt es länger erhalten.
Bei vielen Arten tritt außerdem eine kräftige Rotfärbung auf. Dafür zeichnet in erster Linie der Farbstoffs Anthocyann verantwortlich, der unter Energieaufwand neu synthetisiert wird. Es werden auch zusätzlich Carotinoide hergestellt. Der Zweck dieses Vorgangs ist unklar, möglicherweise dient die kräftige Färbung zur Abschreckung von Insekten, die ihre Eier auf diesen Pflanzen ablegen wollen,[6] oder auch als Schutzreaktion der noch aktiven Chloroplasten vor zu viel Strahlung. Ungeklärt ist des weiteren, weshalb nordamerikanische Arten tendenziell eine deutlich stärkere Rotfärbung hervorbringen, als ihre europäischen Verwandten.
Tourismus
Nicht nur einheimische Touristen, sondern auch viele Besucher aus Übersee nutzen diese Zeit für Trekking-, Kanu- und Wandertouren. Es ist daher nicht verwunderlich, dass das jährliche Ereignis von der Tourismusbranche seit Anfang der 1990er-Jahre werbewirksam genutzt wird. Pensionen und Hotels sind an den Wochenenden der Foliage ausgebucht und Tagestouristen verstopfen die schönsten Panoramastraßen. Im Herbst haben die Neuenglandstaaten besondere Foliage-Info-Telefone geschaltet, bei denen man sich über den aktuellen Stand und das Fortschreiten der Herbstverfärbung erkundigen kann. Zudem veröffentlichen staatliche Behörden und private Anbieter mehrfach pro Woche aktualisierte Foliage Reports im Internet.
Nachfolgend eine Auswahl der Orte, an denen der Indian Summer besonders gut zu beobachten ist (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- Camden Hills State Park in Maine
- Baxter State Park in Maine
- White Mountain National Forest in New Hampshire
- Green Mountain National Forest in Vermont
- Umgebung von Kingston, Rhode Island
- Litchfield Mountains State Park in Connecticut
Besonders empfehlenswert ist die dreistündige Fahrt von Essex mit der Dampfeisenbahn Valley Railroad nach Chester und zurück mit einem Dampfschiff über den Connecticut River. Auf einer Wanderung auf dem Appalachian Trail, der Neuengland durchquert, lässt sich der Indian Summer zu Fuß erleben.
Indian Summer als Marketingprodukt
Auch die Werbeindustrie hat sich das Ereignis zunutze gemacht. Es existieren zahlreiche Produkte mit dem Namen Indian Summer: Parfüms, Kosmetikserien, sogar komplette Modekollektionen. Es gibt auch einen Comicstrip gleichen Namens, der zur Zeit der Pilgerväter spielt, sowie einen Film von 1997 mit Bill Nighy mit dem Originaltitel Indian Summer (deutscher Titel: Alive & Kicking – Jetzt erst recht).
Siehe auch
Vergleichbare, jedoch lokal unterschiedliche Naturphänomene sind:
Literatur
- Elmar Engel, Roland Kiemle: Indian Summer. Ontarios Wald- und Wasserwildnis einst, jetzt und zum nacherleben. Busse Seewald, Herford 1989, ISBN 978-3512008931.
- Christian Heeb, Klaus Viedebantt: Traumziel Amerika. Maine. Wilde Küste und Indian Summer. Bucher, München 1995, ISBN 978-3765810244.
Einzelnachweise
- ↑ http://www.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d57/57h.htm bzw. Heinz Ellenberg: Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen 1996. Ursache ist der Verlauf der letzten Eiszeiten, in Ostasien und Nordamerika ermöglichten in Nord-Süd-Richtung verlaufende Gebirge ein Ausweichen der Baumarten mit den Klimaveränderungen, was aufgrund etwa der Alpen, Karpaten und Pyrenäen in Europa nicht möglich war.
- ↑ Bill Deedler: Just What Is Indian Summer and Did Indians Really Have Anything to Do with It? National Weather Service Detroit/Pontiac, abgerufen am 30. Dezember 2008
- ↑ „been some of the most delicious Indian-summer weather that I ever experienced, — mild, sweet, perfect days, in which the warm sunshine seemed to embrace …“ aus: Nathaniel Hawthorne, Julian Hawthorne: The Complete Writings of Nathaniel Hawthorne. Houghton, Boston 1900, S. 114 f., 351.
- ↑ Shepard Krech: The Ecological Indian. Myth and History. Norton, New York 1999, ISBN 0393047555
- ↑ Philippe Matile: Biochemistry of Indian summer: physiology of autumnal leaf coloration. In: Experimental Gerontology. 35/2, 2000, S. 145–158
- ↑ W. D. Hamilton, S. P. Brown: Autumn tree colours as a handicap signal. In: Proceedings of the Royal Society B. Band 268, Nr. 1475, 2001, S. 1489–1493
Weblinks
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