- Inglehart
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Ronald F. Inglehart (* 5. September 1934 in Milwaukee, Wisconsin, USA) ist ein US-amerikanischer Politologe und seit 1978 Professor an der University of Michigan.
Inhaltsverzeichnis
Akademischer Lebenslauf
Bis 1956 studierte Inglehart an der Northwestern University und schloss dort sein Studium mit einem Bachelor ab. Anschließend studierte er bis 1962 im Master-Studiengang an der University of Chicago. In den Jahren 1963/64 absolvierte er schließlich ein Fulbright-Stipendium an der Universität Leiden (Niederlande). 1967 promovierte Inglehart an der University of Chicago. Seit 1978 ist er Professor der Politikwissenschaft an der University of Michigan. Zudem ist er seit 1985 Programmdirektor des Center for Political Studies der University of Michigan.
Weiterhin war Inglehart Gastprofessor an zahlreichen Universitäten: Universität Mannheim; University of Kyoto (Japan); Dōshisha-Universität, Kyoto (Japan); Freie Universität Berlin; Universität Leiden (Niederlande); Academia Sinica, Taipei (Taiwan); Berlin Science Center for Social Research; Universität Rom (Italien)
Sonstige bisherige Tätigkeiten: Mitarbeit beim Euro-Barometer, den World Values Surveys, Herausgebertätigkeit bei mehreren wissenschaftlichen Zeitschriften, wissenschaftlicher Beirat des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung etc.
Lehre
Bekannt wurde Inglehart in den 1970er Jahren durch seine Theorie des Wertewandels. Die Theorie beruht auf der Bedürfnispyramide von Abraham Maslow. Nach diesem Modell bilden die menschlichen Bedürfnisse die "Stufen" einer Pyramide und bauen dieser eindimensionalen Theorie gemäß aufeinander auf. Der Mensch versucht demnach, zuerst die Bedürfnisse der niedrigen Stufen zu befriedigen, bevor die nächsten Stufen Bedeutung erlangen. Wer zum Beispiel in seinem Bedürfnis nach Essen oder Sicherheit frustriert wurde, der wird zuerst diese Bedürfnisse erfüllen wollen. Erst dann wird er nach "höheren Bedürfnissen" wie zum Beispiel sozialer Anerkennung oder Selbstverwirklichung streben. Nach Inglehart entwickeln Menschen während ihrer Jugend eine materialistische/postmaterialistische Einstellung. Je größer die formative Sicherheit (d.h. je größer der Wohlstand, den eine Person während ihrer Kindheit erlebt), desto wahrscheinlicher ist es, dass diese Person eine postmaterialistische Einstellung entwickelt. Erlebt eine Person hingegen Armut, wird sie eher eine materialistische Einstellung entwickeln. Seine Theorie besagt, dass bei steigendem Wohlstand einer Gesellschaft das Bestreben nach materialistischen Werten (z.B. Neigung zu Sicherheit und Absicherung der Grundversorgung) abnimmt, während das Bestreben nach postmaterialistischen Werten (z.B. Neigung zu politischer Freiheit, Umweltschutz) zunimmt. Zur statistischen Verifikation der Theorie wurde von Inglehart der sogenannte Inglehart-Index geschaffen. Inglehart war der Meinung, dass Materialistien eher konservative Werte haben. So stehen sie zum Beispiel der Homosexualität negativ gegenüber und missbilligen Abtreibungen. Sie sind patriotischer und religiöser als Postmaterialisten. Das führt Inglehart darauf zurück, dass ein Individuum, das wenig formative Sicherheit erlebt, Halt in der Religion sucht. Postmaterialisten sind in den sogenannten "neuen politischen Bewegungen", wie zum Beispiel der Friedensbewegung oder der Umweltschutzbewegung stark überrepräsentiert. Sie neigen stark dazu Parteien der "neuen Politik", wie etwa die Grünen, zu wählen. Der Index ist bei Sozialwissenschaftlern methodologisch umstritten. Zudem widerlegen empirische Studien die eindimensionale Entwicklung, die Inglehart vorhersagte (z.B. Klein 95).
Ingleharts Dreistufentheorie
- Vormoderne Gesellschaften: Mangelgesellschaft; Primärziel ist die Sicherung des eigenen Überlebens
- Moderne und Industriegesellschaft: Streben nach Leistung, Wohlstand und Sicherheit; Überwindung der Armut
- Postmoderne Gesellschaft: Anstieg des Lebensstandard; Konsum- und Dienstleistungsgesellschaft; Ziel ist die Selbstverwirklichung
Werke
- Inglehart, Ronald. 1977. The Silent Revolution: Changing Values and Political Styles among Western Publics. Princeton: Princeton University Press.
- Inglehart, Ronald. 1990. Culture Shift in Advanced Industrial Society. Princeton: Princeton University Press.
- Inglehart, Ronald. 1998. Modernisierung und Postmodernisierung. Kultureller, wirtschaftlicher und politischer Wandel in 43 Gesellschaften. Frankfurt/Main: Campus Verlag.
- Inglehart, Ronald/Paul R. Abramson. 1999. “Measuring Postmaterialism”. The American Political Science Review 93 (3): 665-677.
- Inglehart, Ronald/Christian Welzel. 2005. Modernization, Cultural Change, and Democracy. The Human Development Sequence. Cambridge: Cambridge University Press.
- Norris, Pippa/Ronald Inglehart. 2004. Sacred and Secular. Religion and Politics Worldwide. Cambridge: Cambridge University Press.
Literatur
- Armin Pongs (Hrsg.): In welcher Gesellschaft leben wir eigentlich? München 1999 / Neuauflage 2007
- Davis, Darren W./Christian Davenport. 1999. “Assessing the Validity of the Postmaterialism Index.” The American Political Science Review 93 (3): 649-664.
- Markus Klein: Wieviel Platz bleibt im Prokrustesbett? Wertewandel in der Bundesrepublik Deutschland zwischen 1973 und 1992. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 47/1995, S. 207-230
- Jörg Rössel: Daten auf der Suche nach einer Theorie. Ronald Ingleharts Analysen des weltweiten Wertewandels. In: Stephan Möbius und Dirk Quadflieg (Hrsg.): Kultur: Theorien der Gegenwart. Wiesbaden 2006
Weblinks
- Literatur von und über Ronald Inglehart im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Persönliche Homepage an der University of Michigan
- Ändern sich die Lebensumstände, ändern sich die Werte, Interview mit Ronald Inglehart vom 29.01.2007
Personendaten NAME Inglehart, Ronald F. KURZBESCHREIBUNG US-amerikanischer Politologe und seit 1978 Professor an der University of Michigan GEBURTSDATUM 5. September 1934 GEBURTSORT Milwaukee, Wisconsin, USA
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