Intergouvernemental

Intergouvernemental

Als Intergouvernementalismus (auch Intergovernmentalismus, von lateinisch inter, "zwischen", und französisch gouverner, "regieren") bezeichnet man im Völkerrecht und der Politikwissenschaft das Prinzip der Regierungszusammenarbeit zwischen Staaten innerhalb einer internationalen Organisation. Beispiele hierfür sind die Vereinten Nationen oder teilweise auch die Europäische Union, in welcher vor allem in der 2. und 3. Säule des Maastrichter Säulenmodells das Prinzip der Intergouvernementalität herrscht. Das heißt, die Entscheidungskompetenz verbleibt bei den Staaten und Entscheidungen müssen einstimmig gefällt werden. Somit hat in intergouvernementalen Organisationen jeder Staat de facto ein Vetorecht.

Inhaltsverzeichnis

Völkerrechtliche Bedeutung

In der Lehre des internationalen Rechts bedeutet Intergouvernementalismus, dass Länder zwar gemeinsam Entscheidungen treffen, selbst aber souverän bleiben. Diese intergouvernementale Zusammenarbeit ist typisch für die meisten heutigen Internationalen Organisationen wie z.B. die UNO oder die OSZE.

Antonym zur intergouvernementalen Zusammenarbeit bedeutet der Begriff der Supranationalität, die zu einem Leitbegriff der Europäischen Gemeinschaft geworden ist, völkerrechtlich, dass die in der EG supranational getroffenen Entscheidungen von den EG-Organen autonom getroffen worden und für alle Mitgliedstaaten bindend sind. Die Europäische Union als Ganzes ist allerdings nicht supranational; im Bereich der zweiten (Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, GASP) und dritten Säule (Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, PJZS) - also den Kernbereichen nationalstaatlicher Souveränität - werden die Entscheidungen noch immer intergouvernemental getroffen.

Intergouvernementale Elemente in der Europäischen Union

Im Rat der Europäischen Union, einem Teil des Institutionendreiecks der EU neben der Kommission und dem Europäischen Parlament, herrscht im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik sowie bei der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen das Prinzip des Intergouvernementalismus, d.h. die Mitgliedstaaten treffen lediglich einstimmige Entscheidungen, wodurch jedes Mitglied ein De-facto-Vetorecht hat. Nur bei gemeinsamen Aktionen und Standpunkten beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit. Die Einzelstaaten können jedoch wichtige nationale Gründe geltend machen, so dass der Rat nur noch entscheidet, ob das Anliegen dem Europäischen Rat zur einstimmigen Entscheidung vorgelegt wird. Als einstimmig gilt ein Beschluss allerdings auch dann, wenn sich einzelne Mitglieder enthalten. Diese Mitglieder sind nicht gezwungen, die Beschlüsse umzusetzen oder die daraus entstehenden Kosten mitzutragen (konstruktive Enthaltung). Allerdings akzeptiert das sich enthaltende Mitglied, dass der Beschluss für die Union bindend ist und es das Vorgehen der Union im Sinne des Beschlusses nicht behindern darf.

Im Gegensatz dazu steht das Prinzip der Supranationalität, das besagt, dass die Staaten innerhalb einer Organisation Souveränitätsbereiche zugunsten eben dieser Organisation abgeben; die Institutionen dieser Organisation können dann für die Einzelstaaten bindende Entscheidungen treffen. So haben die EU-Mitgliedstaaten im Bereich der „ersten Säule“ der EU (u.a. Binnenmarkt-, Währungs-, Umweltpolitik) bestimmte Kompetenzen an die EU abgetreten und sind an Entscheidungen gebunden, an denen gemeinschaftliche Institutionen wie die Europäische Kommission und das Europäische Parlament wesentlich mitwirken. Die Einzelstaaten sind über den Rat der EU zwar ebenfalls an diesen Entscheidungen beteiligt, haben aber im Allgemeinen kein Vetorecht.

Normative Dimension

Neben der Beschreibung intergouvernementaler Erscheinungsformen und Entscheidungsmechanismen im Institutionensystem der EU bezeichnet die politische Wissenschaft Intergouvernementalismus auch als erstrebenswertes bzw. normatives Ziel einer Denkrichtung im Integrationsprozess der Europäischen Union. Das Idealmodell einer solchen Kompetenzverteilung ist das Europa der Vaterländer. Intergouvernementalismus bedeutet dann die (Forderung nach) Beibehaltung nationalstaatlicher Souveränität in Abgrenzung zur Denkrichtung des Supranationalismus, der für eine Kompetenzausweitung zugunsten supranationaler Institutionen und Organe plädiert.

In der Geschichte der Europäischen Union lassen sich in der Politik einflussreiche Vertreter der intergouvernementalistischen Schule ausmachen, die das politische System des heutigen Staatenverbundes entscheidend mitgeprägt haben. So wird die europapolitische Ausrichtung des ehemaligen französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle häufig als Beispiel für intergouvernementale Verhandlungs- und Entscheidungsmechanismen genannt. Frankreich blieb von Juli 1965 bis Januar 1966 wegen seiner entschiedenen Ablehnung der bevorstehenden Einführung der qualifizierten Mehrheit als Abstimmungsmodus von den Sitzungen der Ministerrates fern, der dadurch monatelang beschlussunfähig war. Diese als Politik des leeren Stuhls bezeichnete Taktik des Nichtverhandelns mündete erst nach starker Nutzung der informellen Verhandlungskanäle in den Luxemburger Kompromiss, der ein Einstimmigkeitsprinzip (und damit faktisch ein Vetorecht für jedes Mitgliedsland) vorsah. De Gaulle hatte damit für Frankreich deutlich gemacht, dass es zu einer Aufgabe von Souveränitätsrechten nicht bereit war.

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