International Classification of Functioning, Disability and Health

International Classification of Functioning, Disability and Health

Die International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) ist eine von der WHO initial 2001 erstellte und herausgegebene Klassifikation zur Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes, der Behinderung, der sozialen Beeinträchtigung sowie der relevanten Umweltfaktoren von Menschen. Das spezifische Paradigma der Klassifikation wird in den Teilklassifikationen Körperfunktionen und Körperstrukturen, Aktivitäten und gesellschaftliche Teilhabe sowie Kontextfaktoren (sowohl umwelt- als auch personenbezogen) operationalisiert. Sie liegt unter dem Titel Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit in deutscher Übersetzung vor.

Inhaltsverzeichnis

Anwendung

Mit Hilfe des ICF kann die aktuelle Funktionsfähigkeit jedes Menschen, oder ihre Beeinträchtigung, beschrieben und klassifiziert werden. Entgegen einem weitverbreiteten Missverständnis ist die ICF nicht nur auf Menschen mit Behinderung anwendbar. Beschrieben wird der Gesundheitszustand und die mit dem Gesundheitszustand verbundenen Zustände. Sie deckt jedoch keine Umstände ab, die nicht mit der Gesundheit in Verbindung stehen. Besteht eine Beeinträchtigung der Partizipation (Teilhabe) aus anderen Gründen, z.B. der Geschlechtszugehörigkeit, sozioökonomischen oder ethnischen Gründen, ist die ICF nicht anwendbar[1].

Gliederung des ICF

Das ICF ist in zwei Teile gegliedert, von denen jeder wiederum zwei Komponenten hat[1]:

1. Funktionsfähigkeit und Behinderung

Beschrieben wird die Funktionsfähigkeit oder Behinderung in folgenden Bereichen:

Körper

Dieser Bereich bezieht sich auf den menschlichen Organismus als Ganzes, also auch auf das Gehirn und seine (geistigen und seelischen) Funktionen. Es wird unterschieden zwischen:

  • Körperfunktionen, d.h. die physiologischen Funktionen von Körpersystemen (einschließlich psychologischer Funktionen). Beschrieben wird die Veränderung physiologischer Strukturen (z.B. der Sehfähigkeit).
  • Körperstrukturen, d.h. anatomische Teile des Körpers, wie Organe, Gliedmaßen und ihre Bestandteile). Beschrieben wird die Veränderung anatomischer Strukturen (z.B. am Auge).

Es kann jeweils eine funktionale und strukturelle Integrität oder eine Schädigung (Beeinträchtigung einer Körperfunktion oder -struktur, wie z.B. eine wesentliche Abweichung oder ein Verlust) beschrieben werden. Die Schädigungen werden hinsichtlich ihrer Abweichung von der Populationsnorm beschrieben (fünfstufige Skala von "nicht vorhanden" bis "voll ausgeprägt"). Eine Schädigung bezeichnet nicht notwendigerweise eine Krankheit, d.h. der Begriff ist weiter gefasst. Auch Ursache und Entwicklung der Schädigung wird hier nicht berücksichtigt.

Aktivitäten und Partizipation (Teilhabe)

Hier geht es um Aspekte der Funktionsfähigkeit (Leistungsfähigkeit) aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive. Beschrieben wird das Vorhandensein oder die Abwesenheit von Beeinträchtigungen, die bei der Durchführung einer Aufgabe oder Handlung (Aktivität) oder dem Eingebundensein in eine Lebenssituation (Partizipation bzw. Teilhabe) erlebt werden. Im ICF werden folgende Bereiche beschrieben:

  • Lernen und Wissensanwendung
  • Allgemeine Aufgaben und Anforderungen
  • Kommunikation
  • Mobilität
  • Selbstversorgung
  • Häusliches Leben
  • Interpersonelle Interaktion und Beziehungen
  • Bedeutende Lebensbereiche (Erziehung, Arbeit und Beschäftigung, Wirtschaftliches Leben)
  • Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben

Für jeden Bereich wurden Beurteilungsmerkmale festgelegt, die jeweils hinsichtlich der Konstrukte Leistung (Durchführung von Aufgaben in der gegenwärtigen, tatsächlichen Welt) und Leistungsfähigkeit (Kapazität, höchstmögliches Funktionsniveau in einer standardisierten Umwelt, z.B. Test) auf einer fünfstufigen Skala eingeschätzt werden ("Problem nicht vorhanden" bis "Problem voll ausgeprägt"). Eine Diskrepanz ist Anhaltspunkt für den Einfluss von Umweltfaktoren (z.B. wenn ein HIV-Kranker aufgrund der sozialen Stigmatisierung nicht arbeiten kann, obwohl er keine Schädigung aufweist und voll leistungsfähig ist).

2. Kontextfaktoren

Umweltfaktoren

Beschrieben werden hier äußere Einflüsse auf Funktionsfähigkeit und Behinderung. Das ICF liefert eine umfassende Liste von Umweltfaktoren, die nach Bereichen gegliedert und jeweils nach der Nähe zum Individuum (unmittelbare Umwelt bis entferntere Umwelt) geordnet sind. Die im ICF klassifizierten Bereiche sind:

  • Produkte und Technologien
  • Natürliche und vom Menschen veränderte Umwelt
  • Unterstützung und Beziehungen
  • Einstellungen
  • Dienste, Systeme und Handlungsgrundsätze

Für jeden Umweltfaktor soll (auf einer fünfstufigen Skala von "nicht vorhanden" bis "voll ausgeprägt") angegeben werden, inwieweit er eine Barriere oder ein Förderfaktor aus Sicht des Individuums ist.

Personbezogene Faktoren

Hier sollen "innere" Einflüsse auf Funktionsfähigkeit und Behinderung beschrieben werden, d.h. Einflüsse von Merkmalen der Person, die selbst nicht Teil des Gesundheitsproblems oder -zustands sind (z.B. Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Alter, andere Gesundheitsprobleme, Fitness, Lebensstil, Gewohnheiten, Erziehung, Bewältigungsstile, sozialer Hintergrund, Bildung und Ausbildung, Beruf sowie vergangene oder gegenwärtige Erfahrungen/Ereignisse, allgemeine Verhaltensmuster und Charakter, individuelles psychisches Leistungsvermögen)

Vorgeschichte

Die ICF erweiterte mit ihrem ressourcenorientierten biospsychosozialen Ansatz die erste bereits 1980 von der WHO erstellte medizinische Klassifikation von Behinderungen, die ICIDH (International Classification of Impairment, Disability and Handicap), welche auf dem Krankheitsfolgenmodell, einem störungs- und defizitorientierten Ansatz beruhte . Mit ICIDH-2 wurden Arbeitsentwürfe zur ICF bezeichnet.

Das ICIDH unterschied die Begriffe

  • Impairment (Schädigung),
  • Disability (Fähigkeitsstörung) und
  • Handicap (soziale Beeinträchtigung).

Im ICF wurde der Begriff Handicap aufgegeben, und der Begriff Disability (jetzt: Behinderung) als Oberbegriff für alle drei Aspekte (Körper, Individuum und Gesellschaft) eingeführt[2].

Gesetzliche Verankerung

Das neunte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IX, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) nimmt Teile der ICF auf. Die "Richtlinien über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation" nach §92 SGB V des Gemeinsamen Bundesausschusses basieren auf der ICF, wie ebenfalls die Gemeinsame Empfehlung nach § 13 SGB IX für die Durchführung von Begutachtungen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation.[3]

Siehe auch

Literatur

  • Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) (Hrsg.): Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF), 2005. WHO, Genf.
  • Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR). 2004. Rahmenempfehlungen zur ambulanten Rehabilitation bei psychischen und psychosomatischen Erkrankungen. Frankfurt/M.: Selbstverlag.
  • Viol M, Grotkamp S, Bernhard van Treeck, Nüchtern E, Hagen T, Manegold B, Eckhard S, Penz M, Seger W: Personbezogene Kontextfaktoren, Teil 1. Das Gesundheitswesen 2006; 68(12): 747-59.

Einzelnachweise

  1. a b ICF, 2005.
  2. ICF, 2005, S. 144.
  3. Schuntermann MF. Grenzen der ICD und Ansatz der ICF. In: Schmid-Ott G, Wiegand-Grefe S, Jacobi C, Paar G, Meermann R, Lamprecht F (Hrsg.), Rehabilitation in der Psychosomatik. Stuttgart: Schattauer 2008. S. 9-20.

Weblinks


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