- Intervallverhältnis
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Musikalische Intervalle Prime
Sekunde
Terz
Quarte
Quinte
Sexte
Septime
Oktave
None
Dezime
Undezime
Duodezime
TredezimeSpezielle Intervalle Mikrointervall
Komma
Diësis
Limma
Apotome
Halbton/Ganzton
Ditonus
Tritonus
WolfsquinteEinheiten Cent
Millioktave
SavartUnter einem Intervall (von lat. intervallum = „Zwischenraum“) versteht man heute in der Musik den Höhenunterschied zwischen zwei gleichzeitig oder nacheinander erklingenden Tönen. Der Begriff bezeichnet demnach eine Größe, die als Tonabstand oder Tondifferenz in Tonsystemen auftritt. Als natürliche Einheit dieser Größe kann man die Oktave ansehen; in der Praxis werden Intervalle eher in von der Oktave abgeleiteten Einheiten wie Halbton oder Cent beschrieben. Seltener bezeichnet der Begriff Intervall auch eine von zwei Tönen begrenzte Tonmenge.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der Begriff des Intervalls und die älteste Definition stammen von Aristoxenos. Er definierte das Intervall als eine durch zwei Töne begrenzte Tonmenge (wie Mathematiker das abgeschlossene Intervall) und ordnete jedem solchen Intervall eine Größe zu; Beispiele sind Tetrachorde von der Größe der Quarte. Seine Intervallgrößen wurden später ebenfalls kurz als Intervalle bezeichnet, so dass der Begriff doppeldeutig wurde. Diese spätere zweite Bedeutung ist heute die Hauptbedeutung. Konkrete Intervalle gebrauchten vor Aristoxenos schon die Pythagoreer und charakterisierten sie durch Proportionen, die sich aus Verhältnissen von Saitenlängen ergeben wie bei Philolaos. Euklid fasste die Proportion auch als Frequenzverhältnis auf, allerdings noch hypothetisch, da erst in der Neuzeit die Frequenzmessung entwickelt wurde. Die Umrechnung addierter musikalischer Intervalle in multiplizierte akustische Proportionen wandte schon Philolaos an. Sie wurde in der Neuzeit optimiert, und zwar kurz nach 1585 von Simon Stevin durch eine Exponentialfunktion und um 1640 von Bonaventura Francesco Cavalieri und Juan Caramuel y Lobkowitz durch die logarithmische Umkehrfunktion.
Stimmungen
Wichtige Intervalle mit einfachen Proportionen haben eine hörbare Charakteristik und werden trotz leichter Verstimmungen erkannt. Deshalb erscheinen sie unter demselben Namen in verschiedenen Stimmungen. In der idealen reinen Stimmung erklingen sie auf einen Grundton bezogen optimal, sind dann aber nur von diesem Grundton aus und nur begrenzt zu verwenden, z. B. schränken sie harmonische Möglichkeiten drastisch ein. Daher sind sogenannte Temperaturen mit kleinen Verstimmungen üblich, etwa zwölfstufige Temperaturen oder in der Renaissance und im Barock die mitteltönige Stimmung. Bei solchen Temperaturen werden die kleinen Intervalle der Kommata, wie beispielsweise des pythagoreischen Kommas oder des syntonischen Kommas quasi gleich Null gesetzt und auf andere Intervalle gleichmäßig (z. B. bei der Gleichstufigen Stimmung) oder ungleichmäßig (z. B. bei der mitteltönigen Stimmung) verteilt. Spezielle Stimmungen werden mit kennzeichnenden Spezialintervallen beschrieben, beispielsweise mit Diesis, Komma, Wolfsquinte, Ditonus, Limma oder Apotome.
Diatonische Intervalle
Im Lauf der Geschichte entstanden verschiedenartigste Tonsysteme mit einer verwirrenden Vielfalt konkreter Intervalle, über die nur ein grober Überblick gegeben werden kann. Folgende Tabelle listet wichtige diatonische (von griech.: διάστημα ebenfalls = „Zwischenraum“) Intervalle auf, deren lateinische Ordinalzahl-Namen von den Stufen diatonischer Tonleitern abgeleitet sind: Prime, Sekunde, Terz, Quarte, Quinte, Sexte, Septime, Oktave.
Diese Namen (lat. prima „die Erste“, secunda „die Zweite“, tertia „die Dritte“ usw.) nennen jeweils die Anzahl der enthaltenen Stufen einschließlich der Ausgangsstufe, und nicht das Intervall im Sinne der Tonhöhendifferenz. Die Differenz in diatonischen Tönen beträgt vielmehr bei der Prime Null, bei der Sekunde Eins usw. Deshalb sind die Intervalle im Sinne ihrer Zahlennamen nicht additiv: Sekunde plus Sekunde ergibt beispielsweise eine Terz und nicht eine Quarte. Die Ursache dafür liegt in der historischen Inklusivzählung.
Die Namen bezeichnen jeweils eine Intervallklasse, deren Intervalle durch Beinamen unterschieden werden, nämlich bei der Sekunde, Terz, Sexte und Septime durch „groß“ und „klein“. Der Beiname „übermäßig“ bedeutet bei der reinen Prime, Quarte, Quinte, Oktave und großen Intervallen eine Addition eines chromatischen Halbtons; der Beiname „vermindert“ bezeichnet bei reinen und kleinen Intervallen die Subtraktion eines chromatischen Halbtons. Die diatonischen Intervalle haben in reiner Stimmung noch unterschiedliche Proportionen, werden aber im zwölfstufig temperierten Tonsystem auf Vielfache des exakten Halbtons mit 100 Cent abgebildet, wobei die Intervallklassen aber nicht erhalten bleiben.
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Intervall Proportionen differenzierte
BezeichnungenNäherung
in Centzwölftönig
gleichstufig,
exakte WertePrime 1/1 reine Prime 0 Cent 0 Cent übermäßige Prime 25/24
135/128kleiner chromatischer Halbton
großer chromatischer Halbton71 Cent
92 Cent100 Cent kleine Sekunde 256/243
16/15Leimma
diatonisch-rein90 Cent
112 Cent100 Cent große Sekunde 10/9
9/8kleiner Ganzton
großer Ganzton182 Cent
204 Cent200 Cent kleine Terz 6/5 reine kleine Terz 316 Cent 300 Cent große Terz 5/4 reine große Terz 386 Cent 400 Cent Quarte 4/3 reine Quarte 498 Cent 500 Cent übermäßige Quarte 45/32
7/5
729/512diatonisch-rein
Huygens
Tritonus590 Cent
582 Cent
612 Cent600 Cent verminderte Quinte 64/45
10/7diatonisch-rein
Euler610 Cent
617 Cent600 Cent Quinte 3/2 reine Quinte 702 Cent 700 Cent kleine Sexte 8/5 reine kleine Sexte 814 Cent 800 Cent große Sexte 5/3 reine große Sexte 884 Cent 900 Cent kleine Septime 16/9
7/4diatonisch-rein
Naturseptime996 Cent
969 Cent1000 Cent große Septime 15/8 diatonisch-rein 1088 Cent 1100 Cent Oktave 2/1 reine Oktave 1200 Cent 1200 Cent
Die sogenannte Umkehrung der hier aufgeführten diatonischen Intervalle (Komplementärintervall) entsteht als Differenz zur Oktave; bei der Umkehrung bleiben reine Intervalle rein, kleine und große und ebenso verminderte und übermäßige werden vertauscht.
Konsonanzen und Dissonanzen
Es gibt konsonante („zusammenklingende“, also nicht auflösungsbedürftige) und dissonante („auseinanderklingende“, also auflösungsbedürftige) Intervalle. Welche Intervalle als konsonant und welche als dissonant galten, schwankte kulturell und historisch: In der Antike und im Mittelalter galten im abendländischen Bereich nur die Oktave, Quinte und Quarte als konsonant. Im Spätmittelalter und der Renaissance kamen die große und kleine Terz und Sexte zu den Konsonanzen hinzu. Der Gebrauch der Dissonanzen wurde immer weiter ausgeweitet. Bereits im Spätbarock und der Klassik wurde die kleine Septime - obwohl dissonant - intensiv verwendet. Diese Tendenz verstärkte sich in der Romantik und Spätromantik. Zwölftontechniken meiden die klassischen Konsonanzen und in der Jazzharmonik ist gewissermaßen jeder zusätzliche Ton als sogenannte „Tension“ willkommen.
Hörbeispiele
Hörbeispiele mit einer Synthesizer-Streicherstimme n Halbtöne Intervall steigend fallend 1 kleine Sekunde C-Des?/i C-H?/i 2 große Sekunde C-D?/i C-B?/i 3 kleine Terz C-Es?/i C-A?/i 4 große Terz C-E?/i C-As?/i 5 Quarte C-F?/i C-G?/i 6 Tritonus C-Fis?/i C-Ges?/i 7 Quinte C-G?/i C-F?/i 8 kleine Sexte C-As?/i C-E?/i 9 große Sexte C-A?/i C-Es?/i 10 kleine Septime C-B?/i C-D?/i 11 große Septime C-H?/i C-Des?/i 12 Oktave C-C?/i C-C?/i Merkhilfen
Mit Melodieanfängen lassen sich Intervalle leicht „ins Ohr rufen“. Die Wirkung derselben Intervalle ist abhängig vom im aktuellen Fall vorherrschenden Tongeschlecht (Dur und Moll) und der Position der beteiligten Töne in der gerade gegebenen Tonleiter.
So ist diese Methode, sich musikalische Intervalle mit Hilfe von Liedanfängen einzuprägen, mit gewisser Vorsicht anzuwenden, da dieselben Intervalle eine unterschiedliche Wirkung haben, je nachdem in welchem Tongeschlecht und an welcher Position der Tonleiter sie stehen. Beispiel: die kleine Terz E–G innerhalb C-Dur (z. B. „Olé, olé, olé“) klingt nicht nach Moll, im Gegensatz zur selben kleinen Terz innerhalb der Tonart e-Moll. Die große Terz, die im häufigsten Fall eine Dur-Assoziation weckt, kann abwärts gespielt – zum Beispiel bei der Wiederholung der Exposition im 1. Satz von Beethovens „Schicksalssinfonie“ (G-G-G-Es) – auch düster klingen. Beim Beginn des Satzes dagegen ist der Charakter dieses Intervalles indifferent, da das unisono gespielte G-Es nicht von sich aus c-Moll oder Es-Dur zuzuordnen ist.
Intervall steigend fallend übermäßige Prime
(chromatischer Halbton)The Entertainer von Scott Joplin Das Phantom der Oper, Beginn der Ouvertüre, von Andrew Lloyd Webber kleine Sekunde
(diatonischer Halbton)„Kommt ein Vogel geflogen…“ „Vom Himmel hoch, da komm ich her…“ (Mendelssohn)
große Sekunde „Al-le meine Entchen“ „Schlaf, Kindlein, schlaf“ kleine Terz „Ein Vo-gel woll-te Hochzeit machen…“
„Macht hoch die Tür…“
„Häns-chen klein…“
große Terz „Al-le Vögel sind schon da…“ „Nun ruh-en alle Wälder…“ (Dur)
Leitmotiv der 5. Sinfonie von Beethoven (Schicksalssinfonie): G-G-G-Es (indifferent, s. Eingleitung)
Quarte „O Tannenbaum,…“ „Mor-gen, Kinder, wird’s was geben…“ Tritonus
(übermäßige Quarte)„Ma-ri-a…“ (Maria aus West Side Story)) verminderte Quinte
(Komplementärintervall des Tritonus')In Kommt ein Vogel geflogen: „…von der Mut-ter einen Gruß…“ Quinte „Wach auf, meins Herzens Schöne…“
kleine Sexte „When Israel was in Egypt’s land…“, Go down Moses große Sexte „Dies Bildnis ist bezaubernd schön…“
„My Bonnie is over the ocean…“
„And Now the End is near…“, My Way„Nobody knows the trouble I’ve seen,…“
„Win-de weh’n, Schif-fe geh’n…“
kleine Septime „There’s a place for us…“ (Somewhere aus West Side Story) „…und der He-erbst be-ginnt.“ aus Bunt sind schon die Wälder große Septime O terra, addio, Schlussduett aus Aida Die Hütte auf Hühnerfüßen aus Bilder einer Ausstellung von Mussorgski Oktave „Some-where over the rainbow…“ „I’m singing in the rain…“
Mainzer Narrhallamarsch Mathematische Definitionen
Das Intervall im Sinn einer mathematischen Größe wird zwischen zwei beliebigen Tönen gebildet, unabhängig davon, ob die Töne gleichzeitig oder direkt nacheinander erklingen oder nicht.
Die historische Tonsystemtheorie bevorzugt positive Intervalle als Tonabstände. Negative Intervalle bei Tondifferenzen spielen beim Transponieren eine Rolle und wurden in der Kanontechnik des Mittelalter schon gebraucht, ebenso die Prime (unisonus) als Intervall zwischen gleichhohen Tönen.
siehe: Intervall (Mathematik)
Tonstruktur
Eine Tonstruktur ist eine Menge, deren Elemente die Töne sind. Jedem Tonpaar (x,y) wird ein eindeutiges Intervall Δ von x zu y zuordnet, das als Tondifferenz Δ = x − y geschrieben wird; für sie gilt die Regel (x − z) + (z − y) = x − y. Die Tondifferenz kann negativ sein.
Für ein positives Intervall Δ gilt − Δ als Unterintervall, zum Beispiel: Unteroktave: = − Oktave.
Diese Metrikregel ist eine Verallgemeinerung der geometrischen Intervallzusammensetzung bei Philolaos. Er arbeitete wie die meisten historischen Musiktheoretiker nur mit positiven Tonabständen: Der Tonabstand bezeichnet den Betrag der Tondifferenz Δ = x − y. Er ist nie negativ, möglicherweise aber das Nullintervall, das als Prime bezeichnet wird.
Mit Intervallen im Sinn von Tondifferenzen hängen die Tonhöhenrelation höher, tiefer, gleichhoch zusammen, ferner auch Schritte in Tonfolgen und Tonleitern. So lassen sich folgende Tonhöhenrelationen definieren:
- "x ist höher als y" bedeutet soviel wie x − y > 0
- "x ist tiefer als y" bedeutet soviel wie x − y < 0
- "x und y sind gleichhoch" bedeutet soviel wie x − y = 0
Als Tonfolgen gelten endliche Folgen von Tönen einer Tonstruktur, wenn sie ein zeitliches Verhältnis zueinander gestellt werden. Jeder Tonfolge ist die Schrittfolge zugeordnet, deren m-tes Intervall der m-te Schritt der Tonfolge heißt. Eine steigende Tonfolge hat lauter positive Schritte. Eine fallende Tonfolge hat lauter negative Schritte. Als Tonleiter gilt eine steigende oder fallende Tonfolge. Die Töne einer Tonleiter werden Stufen genannt, und zwar wird der n-Ton als n-te Stufe bezeichnet. Bei steigenden Tonleitern entspricht die Schrittfolge der Form von Intervallen bei Aristoxenos.
Für Intervalle gilt auf der additiven musikalischen Ebene das alltägliche Rechnen mit Größen. Hierher gehören die Aristoxenos-Intervallgrößen: Ton im Sinn von Ganzton, Halbton, Drittelton, Viertelton, n-telton, jeweils in der ursprünglichen exakten Bedeutung, außerdem auch das Cent als moderne Intervalleinheit.
Den Intervallgrößenbereich kann man als Tonhöhenraum auffassen, in dem Intervalle als Vektoren und Tonhöhen als Punkte betrachtet werden. Der Größenbereich wird dann auf natürliche Weise zur Tonstruktur durch die dort gegebene Differenz.
Proportionen
Im akustisch motivierten pythagoreischen Denken werden Intervalle durch Verhältnisse von Saitenlängen (L) oder Frequenzen (f) charakterisiert, die als Proportionen (p) bezeichnet werden.
Die umkehrbare Umrechnung über die additiv-multiplikative Isomorphie wird über eine Exponentialfunktion und den Logarithmus zur Basis 2 definiert, so dass Intervalle durch die Proportion definierbar sind:
Aus diesen Definitionen folgen Regeln, die die Addition und Subtraktion von Intervallen in die Multiplikation und Division ihrer Proportionen umwandeln:
Wichtige Intervalle für den Aufbau von Tonsystemen werden traditionell über besonders einfache Proportionen definiert:
Wichtige Intervalle Intervallname Proportion p Intervall Δ in Cent Prime 1/1 Oktave 2/1 reine Quinte 3/2 reine große Terz 5/4 Physikalische Zusammenhänge
Die akustischen Bedeutungen der Proportion als Frequenzverhältnis oder Saiten-Längenverhältnis sind im Tonhöhenraum ebenfalls definierbar, und zwar für einen Bezugston xP mit der Frequenz fP oder der Saitenlänge LP:
Aus diesen Definitionen ergeben sich wiederum Intervallproportionen als Längenverhältnisse oder reziproke Frequenzverhältnisse:
Siehe auch
Literatur
- Sigalia Dostrovsky und John T. Cannon: Entstehung der musikalischen Akustik [1600-1750). In: Frieder Zaminer (Hrsg.): Geschichte der Musiktheorie. Bd. 6. Darmstadt 1987 S. 7-79, ISBN 3-534-01206-2
- Mark Lindley: Stimmung und Temperatur. In: Frieder Zaminer (Hrsg.): Geschichte der Musiktheorie. Bd. 6. Darmstadt 1987 S. 109-332, ISBN 3-534-01206-2
- Wilfried Neumaier: Was ist ein Tonsystem?. Frankfurt am Main, Bern, New York 1986, ISBN 3-8204-9492-8
Weblinks
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