Jacques-Bénigne Bossuet

Jacques-Bénigne Bossuet
Jacques Bénigne Bossuet

Jacques Bénigne Bossuet (* 27. September 1627 in Dijon; † 12. April 1704 in Paris) war ein französischer Bischof und Autor. Er gilt den Franzosen als der Klassiker unter ihren Kanzelrednern.

Leben und Schaffen

Bossuet wuchs auf in einer bürgerlichen Richter-Familie, entschloss sich aber früh für die Priesterlaufbahn und erhielt mit neun die Tonsur. Seine Schulbildung erhielt er zunächst im Jesuiten-Kolleg von Dijon, dann im Collège de Navarre in Paris. Als Theologiestudent in Paris verkehrte er in einigen mondänen Salons und glänzte dort mit seiner Beredsamkeit (z.B. in einer zu vorgerückter Stunde improvisierten Predigt). Nach der Priesterweihe und dem Doktorat 1652 wurde er Kanonikus (Domherr) im 1633 von Frankreich annektierten Metz, wo sein Vater ein Richteramt am neu gegründeten Parlement erhalten hatte. Hier tat er sich als Protestanten-Bekehrer hervor und publizierte 1655 seine erste Schrift, die gegen den protestantischen Pfarrer Ferri gerichtete Réfutation [Widerlegung] du catéchisme de Paul Ferri. Daneben hielt er sich aber häufig auch in Paris auf und war dort Schüler des großen Predigers Saint Vincent de Paul (1576-1660).

Ab 1660 lebte er ganz in Paris und machte sich rasch einen Namen als Kanzelredner und Panegyriker (=Lobredner). 1662 durfte er im Louvre die Fastenpredigt halten vor König Ludwig XIV. und dem Hof. Hiernach war er in Mode, obwohl er sich nicht scheute, gelegentlich den jungen König zu mehr Sittenstrenge zu ermahnen oder die Reichen an ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Armen zu erinnern. Immer öfter wurde er auch gebeten, die Totenmesse für hochstehende Verstorbene zu zelebrieren und dabei eine Trauerrede zu halten, z.B. 1667 für Anna von Österreich, die fromme Königin-Mutter, oder 1670 für Henriette d'Angleterre, die jungverstorbene Schwägerin Ludwigs. 1669 wurde er zum Bischof der kleinen Diözese Condom in SW-Frankreich ernannt, die er aber weitgehend von Paris aus verwalten konnte. 1671 wurde er Mitglied der Académie Française.

Kurz zuvor (1670) war er zum Hauslehrer (précepteur) des Kronprinzen (Dauphin) Louis berufen worden (der 1711 vor seinem Vater Ludwig XIV. sterben, d.h. nicht auf den Thron kommen sollte). Für seinen königlichen, jedoch nicht eben bildungshungrigen Zögling verfasste er im Lauf seiner insgesamt 10 Präzeptor-Jahre eine Reihe von Traktaten: eine Exposition de la doctrine catholique (Darlegung der katholischen Lehre), dann La Politique tirée des propres paroles de l'Écriture Sainte, d.h. ein Lehrbuch der Praxis des Königseins gemäß den Hinweisen, die Bossuet aus der Bibel entnehmen zu sollen glaubte; weiter den philosophisch-theologischen Traité de la connaissance de Dieu et de soi-même (Traktat über die Erkenntnis Gottes und seiner selbst) und vor allem den Discours sur l'histoire universelle (Abhandlung über die Weltgeschichte, 1681), eine kurzgefasste Geschichte der Welt, in der Bossuet als lenkende Kraft nicht materielle Ursachen und Wirkungen erkennt, sondern den Willen Gottes zur Ausbreitung des Christentums. Der Discours ist der letzte große Versuch einer theologischen Gesamtdeutung der Geschichte, an der sich u. a. auch Voltaire abgearbeitet hat.

1681, nach der Heirat seines Zöglings, wurde Bossuet zum Bischof von Meaux befördert. Obwohl er sein Amt vor Ort sehr ernst nahm, war er weiterhin oft in Paris und Versailles, beschäftigt u.a. mit Predigten und Trauerreden (z.B. 1687 beim Tod des zum Königshaus gehörenden Prince de Condé). 1689, nachdem er seine Rolle als Redner (vielleicht auch aus stimmlichen Gründen) für beendet erklärt hatte, erschien erstmals eine Auswahl seiner Reden im Druck. Sie prägte sein Bild in der Literaturgeschichte.

Bossuet war aber auch, dank seiner langen Nähe zum König und seiner intimen Kenntnis der Verhältnisse am Hof, sehr aktiv in der Politik im engeren und weiteren Sinne, die er durch direkte Einwirkung sowie mittels zahlreicher Schriften zu beeinflussen versuchte. Als Mitglied des Grand Conseil de l'Église de France wuchs er zunehmend in die Rolle eines Primus der französischen Bischöfe hinein und wurde bekannt als streitbarer „Adler von Meaux“. Als dieser half er 1682 die Rechte Roms in Frankreich gegen die der Krone abzugrenzen und einzuschränken, weshalb er auch den Unfehlbarkeitsanspruch des Papstes ablehnte. Zugleich bekämpfte er an allen Fronten den Protestantismus, z.B. mit einer Histoire des variations [Veränderungen] des Églises protestantes (1688), worin er die notorisch divergenten und wechselnden Lehrmeinungen der protestantischen Kirchen und Sekten Revue passieren ließ, um die Einheitlichkeit der katholischen Lehre herauszustellen. 1685 war er nicht unbeteiligt an der Aufhebung des Toleranzedikts von Nantes, mit dem Heinrich IV. 1598 den Protestanten Religionsfreiheit und Bürgerrechte zugestanden hatte. 1687 stellte er sich in der Querelle des Anciens et des Modernes, einem von Charles Perrault ausgelösten, kulturpolitisch motivierten Literatenstreit, auf die Seite der Traditionalisten unter Nicolas Boileau. Daneben zog er gegen den Jansenismus zu Felde und bekämpfte vor allem den mystisch frommen Quietismus, der um 1690 von Mme Guyon in Mode gebracht wurde und im kriegsgeschüttelten, verarmenden und entsprechend evasionsbedürftigen Frankreich rasch Verbreitung und aktive Sympathisanten fand, darunter einen anderen Bischof, Kronprinzen-Prezeptor und Autor: Fénelon.

1694 attackierte Bossuet auch das angeblich die Sitten und die Seelen korrumpierende Theater mit seinen Maximes et réflexions sur la comédie und trug damit bei zur relativen Erstarrung des geistigen Lebens in Frankreich unter dem alternden Ludwig XIV.

In seinen letzten Jahren musste er allerdings noch erleben, wie zahlreiche der von ihm bekämpften Strömungen stärker waren als er und weiterbestanden oder gar sich durchzusetzen begannen.

Literatur

  • Karl Löwith: Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Vorausset¬zungen der Geschichtsphilosophie [1949], in: K. L., Sämtliche Schriften, Bd. 2, Stuttgart 1983, S. 7-239.
  • Gérard Ferreyrolles (Hrsg.): Bossuet: le verbe et l'h̉istoire (1704-2004); actes du colloque international de Paris et de Meaux, pour le troisiéme centenaire de la mort de Bossuet. - Paris: Honoré Champion, 2006.
  • Andreas Urs Sommer: Sinnstiftung durch Geschichte? Zur Entstehung spekulativ-universalistischer Geschichtsphilosophie zwischen Bayle und Kant, Basel 2006, S. 97-108.
  • Eric Voegelin: Apostasie oder: Die Entstehung der säkularisierten Geschichte – Bossuet und Voltaire, hrsg. und mit einem Nachwort von Peter J. Opitz, München 2. Aufl., 2004.
  • C. Schmidt: Bossuet, Jacques Bénigne. In: Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche (RE). 3. Auflage. Band 3, Hinrichs, Leipzig 1897, S. 338–342.
  • Friedrich Wilhelm Bautz: Bossuet, Jacques Bénigne. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Hamm 1975, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 713–714.

Weblinks



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