Jagdkultur

Jagdkultur
Ein San, Angehöriger eines der letzten Völker, die als Jäger und Sammler leben.

Der Ausdruck Jäger und Sammler oder Wildbeuter bezeichnet in der anthropologischen Entwicklung bestimmter menschlicher Gesellschaften die Nutzung wilder Pflanzen und Tiere. Durch diese Bedingungen waren die Jäger und Sammler recht mobil; Gruppen von Jägern und Sammlern bewegten sich innerhalb fließender Grenzen und Reviere. Vorwiegend gingen die Männer der Jagd nach; Die Frauen sammelten (daher hat sich in der modernen Matriarchatsforschung der Ausdruck "Jäger und Sammlerinnen" eingebürgert, um die üblichere Rollenverteilung in diesen Kulturen zu betonen). Es gibt allerdings auch Hinweise darauf, dass jeweils nur wenige Frauen (Schwangere, Mütter von Säuglingen oder kranke Menschen) bei den Kindern blieben, während z. B. ältere, erfahrenere Frauen ebenfalls Jägerinnen waren. Die Sammlerinnen können bei ihrer Tätigkeit ihre Kleinkinder mitnehmen, während die Kinder ab einem bestimmten Alter die Gruppe beim Fischen und Jagen begleiteten. Dabei ist zu beachten, dass die eiszeitlichen Gesellschaften in der floraarmen Tundrazone Europas vorwiegend von der Jagd lebten, dann aber ab dem Mesolithikum das Sammeln und auch der Fischfang diese Position einnahm.

Inhaltsverzeichnis

Jagd

Die ursprüngliche Jagdform des Menschen: Ausdauerjagd

Die älteste Form der menschlichen Jagd ist die noch waffenlose Ausdauerjagd. Diese beruht auf der gegenüber fast allen Säugetieren überlegenen Ausdauer des Menschen beim Laufen. Schnelle Jäger wie Geparden, die kurze Zeit auf Geschwindigkeiten von über 100 km/h kommen können, können diese Geschwindigkeit nur wenige Minuten durchhalten, weil sie sonst an einem Hitzeschlag stürben. Sie müssen das Jagdwild in einem Anlauf erreichen, sonst ist es entkommen. Auch Löwen oder Wildhunde halten hohe Geschwindigkeiten nur kurze Zeit durch und müssen sich mit Anschleichen oder Einkreisen, also Zusammenwirken im Rudel behelfen. Der durch die langen, relativ starken Beine und den aufrechten Gang für schnelles Laufen gut gebaute Mensch kann dagegen mittels seiner etwa 2 Millionen Schweißdrüsen seinen Körper effektiv kühlen und daher einen Lauf stundenlang durchhalten. Die Jäger der Khoisan im südlichen Afrika erlegen noch heute schnelle Huftiere wie Zebras oder Steinböckchen ganz ohne Waffen, indem sie so lange hinter diesen herlaufen, bis diese entkräftet zusammenbrechen.[1]

Auch Aborigines in Australien, die nach genetischen Befunden zu den Nachfahren der ersten Gruppen von Homo sapiens gehören, die Afrika verlassen hatten (vergl. Ausbreitung des Menschen), jagen auf diese traditionelle Weise Kängurus.

Auch einige amerikanische Indianerstämme jagen Antilopen und Rotwild als Ausdauerjäger.

Wurfhölzer und Speere

Sehr alt ist auch die Jagd mit Wurfhölzern insbesondere auf Vögel und kleinere Tiere und mit Speeren auf größeres Wild.

Wurfholz

Wurfhölzer von Aborigines

Außer bei Menschen wurde auch bei Affen beobachtet, dass sie von Bäumen herab Stöcke oder harte Früchte auf herannahende Raubtiere, beispielsweise Leoparden, warfen. Deshalb wird vermutet, dass noch älter als der Speer, also der wenigstens an einer Seite geschärfte Stock, der gerade fliegt und das Wild oder den Gegner durchbohrt, das Wurfholz war. Das Wurfholz, ursprünglich also eine Abwehrwaffe oder zum Herunterschlagen von nicht erkletterbaren Früchten und Nüssen genutzt, wurde irgendwann auch als Jagdwaffe verwendet. Es war wohl zunächst nur für schwaches Wild geeignet. Das bei Flug sich drehende Holz konnte z. B. durch die beim Auftreffen abgegebene Wucht den Vogel betäuben (Trefferzone Kopf) oder beim Treffern an den Flügeln durch vorübergehende Lähmung oder das Brechen von Knochen das Wegfliegen verhindern und so die Beute sichern. Ausgereifte Konstruktionen in der Hand eines geübten Jägers erlegen auch andere Beutetiere als Vögel. Eindrucksvoll sind die Wurfhölzer, die die Aborigines zur Jagd benutzten. Sie konnten bis 2 kg schwer und 1,30 m lang sein. Geübte Werfer können einen solchen Bumerang bis zu 100 m weit werfen. Diese Jagdbumerangs kehren nicht zurück, sondern sind für einen geraden, stabilen Wurf optimiert. Verwendet wurden sie auch als Grabstock. Wurfhölzer mit einem Alter von 20.000 Jahren wurden in den europäischen Karpaten gefunden. Erhalten sind Darstellungen aus dem alten Ägypten auf denen die Vogeljagd mit Wurfhölzern dargestellt ist.

Speere

Speere benutzen bereits frühe Vertreter der Gattung Homo wie Homo erectus (= Homo heidelbergensis).

Die ältesten bisher gefundenen Jagdwaffen sind die 400.000 Jahre alten Schöninger Speere. In Schöningen in Niedersachsen fanden sich beim Braunkohleabbau inmitten von eineinhalb Dutzend Wildpferdeskeletten sieben Speere aus Fichtenholz. Die Wurfspeere hatten eine Länge zwischen 1,82 bis 2,50 m. Die Spitzen waren aus dem härteren Basisholz gefertigt. Der Schwerpunkt lag auf der Spitze. Die Wurfeigenschaften von nach diesen Funden nachgefertigten Speeren ähneln denen von modernen Damenwettkampfspeeren, wobei die Jagdreichweite ca. 15 m betrug. Damals war Europa vom Homo erectus bewohnt, aus dem später der Neandertaler hervor ging; der moderne Mensch (Homo sapiens) wanderte erst vor rund 50.000 Jahren von Afrika nach Asien und Europa aus.

Im Fundgebiet des altpaläolithischen Jagdlagers Bilzingsleben fanden sich tausende von Knochen, davon 60% Großtierknochen. Gefunden wurden neben Knochen von Wildrindern und Wildpferden auch Knochen von Bären, Nashörnern und Elefantenkälber.

Lanze und Harpune

Harpunenformen aus der Steinzeit, hier dem Magdalénien; (1 : Mas d'Azil, 2 : Bruniquel, 3, 4, 5 : La Madeleine ; 6, 7 : Lortet)

Die aus dem europäischen Vorkommen des Homo erectus hervorgegangenen Neandertaler jagten auch mit Lanzen, also angespitzten Holzstäben als Stichwaffen, die allerdings auch mit einer blattförmigen Steinklinge versehen sein konnte. So fand sich in Lehringen im Brustkorb eines Waldelefantenskelettes eine 2,38 m lange Eibenholzlanze. Neandertalerskelette zeigen vielfach Spuren von Knochenbrüchen an Armen und Kopf. Eine ähnliche Häufigkeit von Knochenbrüchen fanden Archäologen unter allen historischen und modernen Menschengruppen nur noch bei modernen Rodeoreitern. Die Ursache für die Knochenbrüche von Rodeoreitern liegen nicht hauptsächlich bei den Stürzen, sondern gehen von den Hufen der Tiere aus. Dieser Gefahr waren auch die Neandertaler ausgesetzt, wenn sie aus nächster Nähe Großwildjagd betrieben.

Die Lanze wurde bis in die Neuzeit als Jagdwaffe benutzt, vor allen zur Jagd auf Wildschweine (vgl. Saufeder).

Als Stoßwaffe meist mit Widerhaken zur Jagd auf Fische entwickelten die Menschen die Harpune.

Speerschleuder

Eine Verdoppelung der Reichweite von Speeren erreichten die Menschen durch die Entwicklung der Speerschleuder. Die Speerschleuder wurde im Europa der letzten Eiszeit entwickelt, eine Jagdwaffe, die aus dem Geschoss und der Wurfvorrichtung besteht. Das älteste Fundstück lässt sich dem späten Solutréen (vor ca. 18.000–16.000 Jahren) zuordnen. Der überwiegende Teil aus stratigraphisch gesicherten Zusammenhängen stammt jedoch aus dem Magdalénien IV (vor ca. 11.400–10.800 Jahren). Der Schwerpunkt ihrer Verbreitung ist Südwestfrankreich, einige Fundstücke stammen aus der Schweiz, aus Deutschland und Spanien. Weltweit ist die Speerschleuder archäologisch und ethnographisch in Mikronesien, Australien, Neu-Guinea und bei den Eskimos belegt. In Mittelamerika wurde die Speerschleuder als Kriegswaffe verwendet.

Pfeil und Bogen

Jäger mit Bögen und ihre Jagdbeute Rinder, Felszeichnung in der Sahara

Auf noch größere Distanzen und bis in die Wipfel der Bäume und in den Himmel erweiterte der Bogen die Jagdreichweite der Menschen. Einige Stämme lernten die Pfeilspitzen zu vergiften, so dass sie auch mit kleinen Pfeilen große Tiere erlegen konnten, für die man vorher Speere benötigte.

Netze und Schlingen

Als die Menschen begannen, Fasern zu verarbeiten, begannen sie auch, Tiere mit Schlingen zu jagen, sowie Vögel und Fische mit Netzen zu fangen.

Blasrohr

Einige wenige Stämme von Jägern und Sammlern begannen auch mit Blasrohren zu arbeiten, aus denen sie meist vergiftete Pfeile abschossen. So jagen Indianerstämme im Regenwald Südamerikas mit ca. 3 Meter langen Blasrohren mittels mit Curare oder Pfeilgiftfrosch vergifteten Pfeilen, Affen in den höchsten Wipfeln der Bäume.

Sammeln

San-Frau in Botswana
Präparieren eines Giftpfeiles durch einen San
Ein Monolith in Göbekli Tepe mit einem Fuchsrelief

Die Menschen, vor allem die Frauen, aber auch Männer und Kinder, sammelten was die örtliche Natur hergab. Durch seine Fähigkeit tierische und pflanzliche Nahrung verdauen zu können, steht dem Menschen ein breites Spektrum an Nahrungsquellen zur Verfügung.

Gesammelt wurden Früchte, Nüsse, Samen, Wildgemüse, Kräuter, Wurzeln, Rhizome, Maden, bestimmte Insekten, Eier, Honig, Muscheln, Algen, Beeren, Pilze. Trotz der angedeuteten Vielfalt standen je nach Gebiet oft eine kleine Anzahl von Nahrungsquellen im Vordergrund. So waren in der europäischen Nacheiszeit Holozän Haselnüsse ein zentraler Hauptbestandteil der Nahrung.

Um die gesammelten Nahrungsmittel zum Lager zu bringen und sie aufzubewahren, nutzten die Menschen z. B. ausgehöhlte Kürbisse sowie Häute und Felle von erjagten Tieren. Sie begannen aber auch aus Gras und Binsen Körbe und sonstige Behälter zu flechten und zu weben. Diese Techniken waren später bei der Inbesitznahme von Landstrichen außerhalb der Tropen nützlich, als man schützende und warme Bekleidung brauchte.

Das Beispiel der San

Im Nordosten Namibias im frühen homeland Bushmanland in der Kalahari-Becken sammeln die San (40.000 Stammesangehörige in Namibia) 85 essbare Pflanzenarten. Dazu gehören Tsamma-Melonen (Citrullus lanatus) ein nahrhaftes, wie eine Kartoffel schmeckendes Gewächs, dessen Früchte im Mai reif werden, Mangetti-Nüsse, Morama-Bohnen und Mongono-Früchte, deren harte Kerne einen ölhaltigen Kern haben. So ist eine vollwertige Ernährung möglich.

Nur in Namibia haben die San Jagdrechte, wobei die Regierung ihnen das Jagen von Wildtieren nur erlaubt, wenn sie auf die traditionelle Weise (mit Bogen und Pfeil) jagen. Deshalb erhalten die namibischen San noch in einem hohen Grad ihren Lebensstil als Jäger und Sammler.

In fruchtbareren Gebieten ist das Angebot noch reicher. Die Kung-Frauen von Dobe kennen über 200 Pflanzenarten, von denen 115 essbar sind. Die Ko, eine andere Gruppe, kennen 192 Pflanzen, die Gwi und Ganna 79 essbare Pflanzen.

Die San jagen auch mit Schlingen, Wurfspeeren, sowie Pfeil und Bogen, wobei die Pfeile, mit denen sie z.B. Antilopen jagen, vergiftet sind mit der braunen Flüssigkeit aus dem Körper gesammelter Diamphidia-Larven.

Der fruchtbare Halbmond

Im Gebiet des „fruchtbaren Halbmondes“ (Mesopotamien, Syrien, Libanon, Palästina) fanden die umherstreifenden Menschengruppen nach der Eiszeit eine offene Waldlandschaft mit Eichen, Pistazien und Mandelbäumen. Sie sammelten Pistazien und Mandeln, aber auch die dort heimischen Wildgetreide wie Weizen (in seiner Urform Einkorn), Gerste und Roggen. Außerdem fanden sich dort die Hülsenfrüchte Linsen, Erbsen, Bohnen und Wicken.

Das Nahrungsangebot war damit und mit den starken Wildbeständen zu dieser Zeit so reichlich, dass die Menschen sich an manchen Standorten fest niederlassen konnten. Dies begünstigte die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht.

Erstaunlicherweise errichteten in Kleinasien bereits in der Zeit der Jäger und Sammler die Menschen in Göbekli Tepe ein großes Heiligtum aus tonnenschweren behauenen Steinen, eine Leistung, die man bis zur Entdeckung dieses Fundortes erst den jungsteinzeitlichen Ackerbauernkulturen zugetraut hatte.

Übergang zu Ackerbau und Viehzucht seit ~ 15.000 v.Chr.

Die ursprünglichen Jäger- und Sammlergesellschaften wandelten sich - beginnend in Kleinasien etwa 15-10.000 v. Chr. - zu sesshaften Gesellschaften, die Ackerbau und Viehzucht betrieben. In Süd- und Mitteleuropa fand dieser Übergang zwischen 6.500 v. Chr. bis 4.000 v. Chr. statt, trat er danach auch in Nord- und Osteuropa ein (vgl. Neolithische Revolution). In Teilen Mittelamerikas geht man heute allgemein von der Zeit von 5.100 v. Chr. bis 4.200 v. Chr aus.

Auch heute noch trifft man auf Gemeinschaften von Jägern und Sammlern in den arktischen Gebieten, Sibirien, dem tropischen Regenwald oder in den Wüsten, wo andere Formen des Nahrungserwerbs nicht entwickelt wurden oder unmöglich sind.

Manche Gemeinschaften halten über sehr lange Zeiträume an ihrer Siedlungsregion fest, bleiben über Hunderte von Jahren im gleichen, relativ kleinen Gebiet oder ändern ihre Wirtschaftsform in Abhängigkeit vom Klima oder von einer Verdrängung durch Viehzüchter (z. B. khoisanide Völker in der Kalahari, die zwischen Wildbeuter- und Viehzüchter-Ökonomie möglicherweise mehrfach wechselten).

Arktische Gebiete und Sibirien

Besonders lange hielt sich die Lebensform des Jagens und Sammelns in arktischen Gebieten. Beispiele sind die sibirischen Völker der Unangan, die Itelmenen, die Ewenen (bis ins 17. Jahrhundert) oder die Inuit von der Tschuktschen-Halbinsel über Alaska bis Grönland. Einige dieser Jägervölker züchteten Hunde für die Jagd und für Transportzwecke, nämlich für Hundeschlitten. [2]

Dort lebten auch viele Völker, die keinen Ackerbau kannten, aber das Jagen und Sammeln mit Viehzucht kombinierten, einige ganz im Norden, wie die Korjaken und die Tschuktschen ausschließlich von Rentieren, andere auch von Pferden und anderen Tieren.

Noch existierende Jäger-und-Sammler-Völker

Bei einigen dieser Völker (Stämme) ist zu beachten, dass sie nicht unbedingt ‚urtümliche‘ "Jäger und Sammler" sind, sondern historisch in Gebiete vertrieben oder abgedrängt worden sind, in denen nur noch eine Wildbeuterwirtschaft möglich war. Klassisches Beispiel sind die San („Buschmänner“).

Afrika

  • Ogiek (Kenia)
  • Sengwer (Kenia)
  • Yaaku (Kenia)
  • Hadzabe (Tansania)
  • San (Südafrika, Namibia und Botswana)

Asien

Australien

Bis vor kurzem lebten auch noch einige Aborigines in Australien als Jäger und Sammler und erreichten wie die San einen erstaunlichen Grad der Anpassung an extrem unwirtliche Wüstengebiete.

Südamerika

  • Aché

Sonstige

  • Aweer
  • Watha

Siehe auch: Wildbeuter

Quellen

  • Absatz Ausdauerjagd: Interview mit Bernd Heinrich in SPIEGEL special, Nr. 4 /2006, S. 33
  • Zur Ausdauerjagd der San auch: [1]
  • Almut Bick: Die Steinzeit, Kapitel "Schneller, weiter, effizienter" - Die Entwicklung der Jagdwaffen in der Steinzeit, S. 64-67, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-8062-1996-8
  • Trevor Watkins: Der Naturraum in Anatolien, ein Zusammenspiel von Klima, Umwelt und Ressourcen, in Badisches Landesmuseum Karlsruhe: Die ältesten Monumente der Menschheit, Konrad Theiss Verlag GmbH, 2007, S. 37 ff
  • Schöninger Speere
  • Nicolas van Ryk: Spuren im Sand; Welche Früchte sind essbar, und wie findet man Wasser? Das Volk der San erklärt Besuchern das Leben in der Kalahari-Wüste, in Die Welt, 2. Juni 2007, Seite R 1; Leicht verändert auch im www: [2]

Einzelnachweis

  1. http://www.tdh.de/content/themen/weitere/oekologie/projekte/san.htm
  2. http://kamchatka.org.ru/npeople_g.html

Weblinks


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