- Jan Patocka
-
Jan Patočka (* 1. Juni 1907 in Turnov; † 13. März 1977 in Prag) war ein bedeutender tschechischer Philosoph.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Patocka ließ sich 1925 an der Karls-Universität in den Fächern Romanistik, Slawistik und Philosophie immatrikulieren, ging 1928 an die Pariser Sorbonne, an der er das erste Mal Edmund Husserl begegnete. 1931 schreibt er seine Dissertation und lehrt seit 1932 Philosophie, geht aber im selben Jahr zum Studium an die Humboldt-Universität zu Berlin und studiert seit 1933 Phänomenologie in Freiburg.
Dort wird er von Husserl und Martin Heidegger unterrichtet. Hier begegnet er auch seinen künftigen lebenslangen Freund, dem Husserl-Assistenten Eugen Fink. Im selben Jahr erhält er eine Professur am Gymnasium in Prag. Er gehört zu den Mitbegründern des deutsch-tschechischen Cercle philosophique de Prague, im selben Jahr zu dessen Sekretär gewählt, die deutsche Seite vertrat Ludwig Landgrebe.
1936 habilitierte er mit seiner Arbeit Přirozený svět jako filosofický problém (Die natürliche Welt als philosophisches Problem), welches die tschechische Philosophie auf Jahre hinaus beeinflusste. 1937 nimmt er die Stelle des verantwortlichen Redakteurs der philosophischen Zeitschrift Česká mysl (Der tschechische Geist). 1938 wird er Mitglied des Pariser Institut International de Philosophie.
Während der Nazi- und Kommunisten-Diktatur wurde ihm bis auf die Jahre 1945 bis 1950 und nach dem Prager Frühling 1968 bis 1972 jegliche Tätigkeit an der Universität verboten und Patocka arbeitete als Übersetzer am Masaryk-Institut, des pädagogischen Instituts der Akademie der Wissenschaften und dem philosophischen Institut. Daneben hielt er Vorträge in Privaträumen, in den sechziger Jahren auch als Gastdozent in Deutschland und Frankreich. 1968 berief man Patocka zum Professor an der Karls-Universität, schon 1972 wurde er zwangspensioniert.
1977 wurde zusammen mit Václav Havel und Jiří Hájek zum Sprecher der Charta 77. Anschließend wurde er immer wieder verhört. Nach einem dieser Verhöre musste er in ein Krankenhaus eingeliefert werden und starb an Apoplexie. Seine Bestattung wurde zum Ereignis des antikommunistischen Widerstandes.
Werke
Damit der Nachlass von Jan Patočka nicht den tschechischen Behörden in die Hände fiel, wurde er kopiert und nach Wien gebracht. Dort wurde er dokumentiert und wissenschaftlich bearbeitet. So gibt es zugleich eine deutschsprachige Werkausgabe und (neben zahlreichen Samisdatveröffentlichungen vor 1989) seit 1990 wird eine tschechische Gesamtausgabe editiert.
Deutschsprachige Publikationen
- Jan Patocka - Ausgewählte Schriften. Editor / herausgegeben am IWM Wien, published / verlegt bei Klett-Cotta, Stuttgart 1987-1992.
- Band I: Kunst und Zeit . Herausgegeben von Klaus Nellen und Ilja Srubar. Einleitung von Walter Biemel. 1987, ISBN 3-608-91460-9, 597 S.
- Band II: Ketzerische Essais zur Philosophie der Geschichte. Herausgegeben von Klaus Nellen und Jiri Nemec. Einleitung von Paul Ricoeur. 1988, ISBN 3-608-91461-7, 497 S.
- Band III: Die natürliche Welt als philosophisches Problem. Phänomenologische Schriften I. Herausgegeben von Klaus Nellen und Jiri Nemec. Einleitung von Ludwig Landgrebe. 1990, ISBN 3-608-91462-5, 319 S.
- Band IV: Die Bewegung der menschlichen Existenz. Phänomenologische Schriften II. Herausgegeben von Klaus Nellen, Jiri Nemec und Ilja Srubar. Einleitung von Ilja Srubar 1991, ISBN 3-608-91463-3, 650 S.
- Band V: Schriften zur tschechischen Kultur und Geschichte. Herausgegeben von Klaus Nellen, Petr Pithart und Miroslav Pojar. 1992, ISBN 3-608-91491-9, 371 S.
- Eugen Fink und Jan Patočka. Briefe und Dokumente, 1933-1977. herausgegeben von Michael Heitz und Bernhard Nessler. 1999
- Jan Patocka, Texte, Dokumente, Bibliographie, herausgegeben von Ludger Hagedorn und Hans R. Sepp, Freiburg/München 1999 ISBN 3-4954-7962-7
- Jan Patocka, Vom Erscheinen als solchem Texte aus dem Nachlaß, herausgegeben von Helga Blaschek-Hahn und Karel Novotný. Freiburg 2000
- Andere Wege in die Moderne Studien zur europäischen Ideengeschichte von der Renaissance bis zur Romantik. Würzburg 2006 ISBN 3-8260-2846-5
Tschechischsprachige Publikationen
- Přirozený svět jako filosofický problém (Lebenswelt als philosophisches Problem), Prag 1936
- Aristoteles, jeho předchůdci a dědicové (Aristoteles, seine Vorgänger und Erben), Prag 1963
- O smysl dneška (Um den Sinn von Heute), Prag 1969
- Kacířské eseje o filosofii dějin (Ketzerische Essys über Philosophie der Geschichte), Prag 1975 (Selbstverlag)
- Negativní platonismus (Negativer Platonismus), Prag 1990
- Platón. Přednášky z antické filosofie (Plato. Vorlesungen über antike Philosophie), Prag 1991
- Tři studie o Masarykovi (Drei Studien über Masaryk), Prag 1991
- Evropa a doba poevropská (Europa und die nach-europäische Zeit). Prag 1992
- Úvod do fenomenologické filosofie (Einleitung in die phänomenologische Philosophie), Prag 1993
- Tělo, společenství, jazyk, svět (Leib, Gemeinschaft, Sprache, Welt). Vorträge 1968–69. Prag 1995
- Sebrané spisy 1-20 (Gesammelte Werke 1-20). Oikumene, Prag (bis 2008 sind 12 Bänder erschienen).
Literatur
- Jan Patocka und die Idee von Europa
- Jacques Derrida: Den Tod geben. In: Anselm Haverkamp (Hg.): Gewalt und Gerechtigkeit. Derrida-Benjamin. Frankfurt/Main : Suhrkamp, 1994
- Helmuth Vetter (Hrsg.): Lebenswelten. Ludwig Landgrebe, Eugen Fink, Jan Patočka. Frankfurt a. M. u. a. 2003 (Reihe der Österreichischen Gesellschaft für Phänomenologie; Band 9). ISBN 3-631-50137-4
- Sandra Lehmann: Der Horizont der Freiheit. Zum Existenzdenken Jan Patočkas. Würzburg : Königshausen und Neumann, 2004. ISBN 3-8260-2961-5
- Filip Karfík: Unendlichwerden durch die Endlichkeit. Eine Lektüre der Philosophie Jan Patočkas. Würzburg : Königshausen und Neumann, 2008. ISBN 978-3-8260-2866-3
Weblinks
- Archiv des Philosophen
- WebBibliografie
- Das philosophische Werk Jan Patockas, Forschungsschwerpunkt am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), Wien
- Literatur von und über Jan Patočka im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Personendaten NAME Patocka, Jan ALTERNATIVNAMEN Jan Patočka KURZBESCHREIBUNG tschechischer Philosoph GEBURTSDATUM 1. Juni 1907 GEBURTSORT Turnov STERBEDATUM 13. März 1977 STERBEORT Prag - Jan Patocka - Ausgewählte Schriften. Editor / herausgegeben am IWM Wien, published / verlegt bei Klett-Cotta, Stuttgart 1987-1992.
Wikimedia Foundation.