- Jaruzelski
-
Wojciech Witold Jaruzelski [ˈvɔjtɕɛx ˈvʲitɔlt jaruˈzɛlskʲi] ( anhören?/i) (* 6. Juli 1923 in Kurów bei Lublin, Polen) ist ein polnischer Politiker und General.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Jaruzelski stammt aus einer Familie des katholischen Kleinadels und wuchs in der Nähe von Białystok im (heutigen) Nordosten Polens auf. Seine Schulzeit verbrachte er im Warschauer Marianeninternat Bielany. Nach dem deutschen Einmarsch in Polen 1939 floh die Familie nach Litauen und wurde sodann von den einrückenden sowjetischen Truppen ins Altaigebirge deportiert. Jaruzelski und sein Vater hatten Zwangsarbeit zu leisten. Später schloss sich Jaruzelski den Polnischen Streitkräften in der Sowjetunion an, kämpfte im Zweiten Weltkrieg und wurde nach Kriegsende an der Polnischen Infanteriehochschule und der Generalstabsakademie ausgebildet.
Er trat 1947 der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei PZPR, der vormaligen Polnischen Kommunistischen Partei, bei. 1956 wurde er General, 1964 Mitglied des ZK der PZPR und 1968 schließlich Verteidigungsminister. Ebenfalls 1968 war er führend beteiligt an der „Säuberung“ der polnischen Armee im Rahmen der antisemitischen Hetzkampagne Mieczysław Moczars sowie am Einmarsch der Staaten des Warschauer Pakts zur Beendigung des „Prager Frühlings“.
Jaruzelski wurde 1981 Erster Sekretär der PZPR, als Lech Wałęsas Gewerkschaft Solidarność begann, nationale und internationale Bekanntheit zu erlangen. Am 11. Februar wurde er Ministerpräsident Polens und verhängte am 13. Dezember das Kriegsrecht, um den wachsenden Einfluss der Solidarność zu brechen. Diese wirkte jedoch im Untergrund weiter, musste im April 1989 wieder anerkannt werden und gewann am 4. Juni die volle Zahl der ihr in den halbfreien Wahlen zugestandenen Plätze.
In den Jahren von 1985 bis 1989 war Jaruzelski Staatsratsvorsitzender Polens; ab 1989 bis 1990 aufgrund eines Kompromisses mit der Opposition Staatspräsident Polens. Sein Amtsnachfolger wurde schließlich Lech Wałęsa.
Die Debatte über seine Rolle ist weiterhin lebhaft. Als Pensionär in Warschau nimmt Jaruzelski daran regen Anteil. Insbesondere ist umstritten, inwieweit die Verhängung des Kriegsrechts 1981 durch Druck seitens der Sowjetunion bedingt war. Aus Moskauer Sicht soll eine Zuspitzung der Lage in Polen nicht weiter hinnehmbar gewesen sein und hätte schlimmstenfalls ein Eingreifen wie 1968 in der ČSSR oder 1956 in Ungarn zur Folge gehabt: Vor diesem Hintergrund stellte die Verhängung des Kriegsrechtes durch Jaruzelski die „nationale Lösung des polnischen Problems“ dar. Des Weiteren wird heftig diskutiert, ob die friedliche Machtübergabe ab 1989 durch Jaruzelski mit betrieben wurde oder ob dieser sie ausschließlich aufgrund des inneren (Solidarność) und äußeren Drucks (Perestroika in der UdSSR) geschehen lassen musste.
Jaruzelski entschuldigte sich im August 2005 während einer öffentlichen Diskussionsrunde in Prag für die Beteiligung der polnischen Armee an der Beendigung des „Prager Frühlings“.
Gegen Jaruzelski, Czesław Kiszczak (damals Leiter des militärischen Sicherheitsdienstes), Stanisław Kania (damaliger Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei) und sechs andere damals Verantwortliche des Militärrats der Nationalen Errettung ist am 17. April 2007 am Bezirksgericht Warschau ein Verfahren eröffnet worden. Staatsanwälte des für die Aufarbeitung kommunistischer und nationalsozialistischer Verbrechen zuständigen Instituts für Nationales Gedenken (IPN) in Katowice (Kattowitz) haben zuvor zweieinhalb Jahre lang gegen die Angeklagten ermittelt. Jaruzelski, der am 13. Dezember 1981 das Kriegsrecht verhängt hatte, droht im Falle einer Verurteilung wegen „Leitung einer verbrecherischen Organisation“ eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.[1][2]
Im Februar 2008 wurde bekannt, dass Jaruzelski schwer erkrankt ist. Wegen einer schweren Lungenentzündung und Herzproblemem wird er in einem Warschauer Militärkrankenhaus behandelt.
Primärliteratur
- Wojciech Jaruzelski: Ausgewählte Reden: 1981 bis 1984. Dietz-Verlag, Berlin 1985
Weblinks
- Literatur von und über Wojciech Jaruzelski im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Publikationen von und über Wojciech Jaruzelski bei LitDok Ostmitteleuropa / Herder-Institut (Marburg)
- Mathias Plüss: «Ich entschuldige mich, ich schäme mich» In: Das Magazin. Nr.9, 2008 (Interview).
Einzelnachweise
- ↑ Ex-Staatschef Jaruzelski soll wegen Kriegsrechts degradiert werden. In: Die Welt. 5. Februar 2007
- ↑ Anklage gegen General Jaruzelski. In: Die Zeit. 17. April 2007
Wojciech Jaruzelski | Lech Wałęsa | Aleksander Kwaśniewski | Lech Kaczyński
Vorgänger
Staatsratsvorsitzende der Volksrepublik Polen
Präsidentenzyklus (Polen)
seit 1989Nachfolger Staatsratsvorsitzende der Volksrepublik Polen (1952–1989)Aleksander Zawadzki | Edward Ochab | Marian Spychalski | Józef Cyrankiewicz | Henryk Jabłoński | Wojciech Jaruzelski
Vorgänger
Präsidenten des kommunistischen Polens
Präsidentenzyklus (Polen)
1952–1989Nachfolger
Präsidenten der Dritten Republik
Bolesław Bierut | Józef Cyrankiewicz | Piotr Jaroszewicz | Edward Babiuch | Józef Pińkowski | Wojciech Jaruzelski | Zbigniew Messner | Mieczysław Rakowski | Czesław Kiszczak
Vorgänger
Ministerpräsidenten des kommunistischen Polens
Ministerpräsidentenzyklus (Polen)
1952–1989Nachfolger
Ministerpräsidenten der Dritten Republik Polens
Parteichefs der Polnischen Vereinigten ArbeiterparteiBolesław Bierut | Edward Ochab | Władysław Gomułka | Edward Gierek | Stanisław Kania | Wojciech Jaruzelski | Mieczysław Rakowski
Personendaten NAME Jaruzelski, Wojciech Witold KURZBESCHREIBUNG polnischer Politiker und Militär, Staatspräsident von Polen von 1989 bis 1990 GEBURTSDATUM 6. Juli 1923 GEBURTSORT Kurów bei Lublin, Polen
Wikimedia Foundation.