Jean-Marie Loret

Jean-Marie Loret
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Jean-Marie Loret-Frizon (* 18. bzw. nach anderen Angaben 25. März 1918 in Seboncourt bei Saint-Quentin in der Picardie; † 1985 in Saint-Quentin) war ein französischer Eisenbahnarbeiter und nach einer These des Historikers Werner Maser ein unehelicher Sohn Adolf Hitlers. Die These des „Hitlersohns“ war vor allem in den späten 1970ern sehr verbreitet. Masers Ansicht stellt in der historischen Forschung jedoch eine Minderheitenmeinung dar: Historiker wie Anton Joachimsthaler[1], Timothy Ryback und Ian Kershaw[2], halten eine Vaterschaft Hitlers für unwahrscheinlich.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Jean-Marie Loret wurde 1918 in Seboncourt als Jean-Marie Lobjoie geboren. Die Mutter des unehelichen Kindes war Charlotte Eudoxie Alida Lobjoie (1898 -1951), die Tochter des ortsansässigen Metzgers Louis Joseph Alfred Lobjoie und seiner Frau Marie Flore Philomène geb. Colpin. Laut dem Eintrag im Geburtsregister seiner Heimatstadt war der Vater Lorets ein nicht identifizierter deutscher Weltkriegssoldat. Da Adolf Hitler sich in den Jahren 1916 und 1917 in den Ortschaften Seclin, Fournes-en-Weppes, Wavrin und Ardooie aufgehalten hatte und nach Augenzeugen ein Verhältnis mit Charlotte unterhalten haben soll, wurde verschiedentlich über eine Vaterschaft Hitlers diskutiert.

Charlotte Lobjoie wird in verschiedenen Quellen der Beruf einer Tänzerin zugeschrieben, wobei unklar bleibt, ob sie dies bereits 1916/1917 gewesen ist. Offensichtlich scheint sie diesen Beruf aber erst ergriffen zu haben, als sie einige Monate nach der Geburt ihres Kindes und nach dem Abzug der Deutschen aus Frankreich nach Paris zog. Jean Marie wuchs die ersten sieben Jahre bei seinen Großeltern auf, zu welchen Charlotte nach ihrem Abschied von der Familie jeglichen Kontakt abbrach. Am 22. Mai 1922 ehelichte Charlotte den Litographen Clément Loret, der sich damit einverstanden erklärte, dass der uneheliche Sohn seiner Frau, den er jedoch nie gesehen hatte, seinen Namen tragen durfte. Nach dem Tode der Großeltern in den Jahren 1925 und 1926, die ihn nach Lorets eigenen Angaben „schlecht behandelten“ strengte seine Tante Alice Lobjoie die Adoption ihres Neffen durch die Familie des reichen Bauunternehmers Frizon aus Saint Quentin an. Fortan besuchte der Junge nacheinander zwei katholische Internate in Cambrai und Saint Quentin. 1936 trat er in den Militärdienst ein und wurde in den folgenden Jahren bis zum Feldwebel befördert. Später betätigte er sich einige Jahre lang als Geschäftsmann, bis er seinen Beruf im Jahre 1948 aufgrund einer Insolvenz aufgeben musste.

Bereits als Kind wusste Loret nach Eigenaussage, dass er der Sohn eines deutschen Soldaten war, hatte jedoch keinen Ansatzpunkt bezüglich der Identität seines Vaters. 1948, so behauptete er später[3], habe ihm seine Mutter auf dem Sterbebett enthüllt, dass dieser Soldat Hitler gewesen sei.

Während des Zweiten Weltkrieges arbeitete Loret als Chargé de Mission bei der französischen Polizei in Saint-Quentin - angeblich habe er diesen Posten auf persönlichen Befehl Hitlers erteilt bekommen, wiewohl offensichtlich bislang kein stichhaltiger Beweis hierfür erbracht werden konnte. Behauptungen, er habe in dieser Eigenschaft mit den in Frankreich stationierten Gestapo-Einheiten kollaboriert sind ebenso wenig erwiesen. Gegen diese Behauptung spricht freilich, dass ihm nach dem Krieg kein Prozess wegen Kollaboration gemacht wurde. In verschiedenen Quellen heißt es allerdings, dass Hitler jegliches Material über Loret vernichten ließ. Außerdem galt Loret im allgemeinen als eher durchschnittlich und nicht übermäßig fleißig, sodass es eher ungewöhnlich scheint, dass er sich diesen höheren Posten bereits mit unter 25 Jahren aus ganz eigenem Ermessen erarbeitet hatte.

Loret war mindestens einmal verheiratet und hatte neun Kinder. Einige Quellen behaupten, seine Frau habe sich 1948 von ihm getrennt, als sie von seiner Abstammung erfuhr. In späteren Zeitungsartikeln über Loret wird eine Ehefrau namens Muguette erwähnt, die mit ihm zum Zeitpunkt der Niederschrift der Artikel zusammengelebt haben soll. Dabei ist unklar, ob es sich bei Muguette um eine zweite Ehefrau (oder Lebensgefährtin) handelte, oder ob sie die Mutter seiner Kinder war, die wieder zu ihm zurückgekehrt war oder sich gar nie von ihm getrennt hatte.

Am 7. Juni 1978, während der öffentlichen Diskussion um seine Person, wurde Loret von Maser aus St. Quentin in dessen Haus in Speyer geholt, wo dieser ihn vor den kritischen Fragen der Presse verborgen hielt. Die beiden besichtigten unter anderem das ehemalige Konzentrationslager Dachau, wobei Loret wörtlich geäußert haben soll „Ich habe mir meinen Vater nicht ausgesucht“. Maser nahm Loret sogar mit nach Tokio, um ihn dazu zu bewegen Interviews zu geben, allerdings schien der Franzose in dieser Beziehung eher zurückhaltend.

Loret und Maser überwarfen sich 1979 schließlich, vermutlich aus finanziellen Gründen, und brachen miteinander.[4] Loret veröffentlichte danach in Zusammenarbeit mit René Mathot noch seine Autobiographie „Ton père s'appelait Hitler“ (Paris 1981).

Die Causa Loret-Hitler

Die Geschichte von „Hitlers Sohn“ wurde in den 70er Jahren, vor allem in verschiedenen Illustrierten wie der Bunte, aber auch in als reputierlicher geltenden Organen, wie der historischen Zeitschrift „Zeitgeschichte“[5] und dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel lanciert. Letzterer veröffentlichte die in ihrer Nachwirkung einflussreichste Geschichte über Loret unter dem Titel „Liebe in Flandern“.[6]

Der letztendliche Ursprung der vorerst nur mündlich verbreiteten Geschichte um Hitlers Sohn konnte bislang nicht ermittelt werden. Jedenfalls standen Kolportagen, die behaupteten, der uneheliche Sohn einer Französin und eines deutschen Soldaten sei der Sohn Hitlers, in Lorets Heimat bereits geraume Zeit im Raum, als der deutsche Historiker Werner Maser auf Loret aufmerksam wurde. Ob die Gerüchte von Loret selbst oder von anderen in die Welt gesetzt worden waren, ist bislang nicht geklärt worden.

Maser behauptete, erstmals 1965 bei Recherchen in Wavrin und umliegenden Städten von einem angeblichen Hitler-Sohn gehört zu haben.

Maser ging diesen Berichten nach, traf dabei auf Loret und konnte diesen davon überzeugen „seine Geschichte“ publizieren zu lassen. Fortan verwandte Maser große Anstrengungen darauf, Beweise für ihre Korrektheit zu sammeln. Kritiker wie etwa Anton Joachimsthaler halten ihm dabei vor allem vor, Handlungsmotive wie Sensationslüsternheit und Gefallen am großen Effekt der wissenschaftlichen Wahrheitsliebe überzuordnen.

Laut Masers Darstellung habe die Verbindung Loret-Hitler sich wie folgt zugetragen: Hitler habe Charlotte Lobjoie 1916 in der Stadt Wavrin, im deutsch besetzten Teil Frankreichs, als dort stationierter Soldat getroffen und eine Liebesbeziehung zu ihr begonnen. Loret sei schließlich im Sommer 1917 in Ardooie oder nach anderen Quellen im Herbst 1917 in Le Ceteau gezeugt worden. Letzteres muss wohl als die weniger wahrscheinliche Variante angesehen werden, da sie eine Frühgeburt voraussetzen würde, die zwar nicht auszuschließen ist, für deren Vorliegen jedoch auch keinerlei Indizien sprechen.

Maser schrieb zur Beziehung Hitler-Lobjoie in seiner Hitler-Biographie:

Anfang 1916 war das Mädchen dem deutschen Soldaten Adolf Hitler erstmals begegnet. Es blieb zunächst in Premont, ließ sich auf sexuelle Beziehungen mit Hitler ein und folgte ihm bis Herbst 1917 u.a. nach Seboncourt, Forunes, Vavrin und Noyelles lez Saeclin in Nordfrankreich - und im Mai, Juni, Juli 1917 und Ardooie in Belgien“. (S. 528)

Die Kritiker dieser vermeintlichen Sensation verwiesen sehr bald auf die Unerwiesenheit von Masers Behauptungen, der sich auf nichts weiter stützte als Lorets Behauptungen.

Ein erbbiologisches Gutachten der Universität Heidelberg ergab, dass „Loret allenfalls Hitlers Sohn sein könnte“, dies jedoch nicht sein müsse.

Als vermeintliche Belege für die Vaterschaft Hitlers wurden Charlotte Lobjoies Einweisung in ein französisches Sanatorium nach dem deutschen Einmarsch in Frankreich (angeblich auf Weisung Hitlers) und eine langwierige Befragung Lorets durch die Gestapo im Hotel Lutetia, dem Gestapo-Hauptquartier in Paris, sowie die angebliche Kollaboration mit der Gestapo als Polizist angeführt.

Masers Befragung von Alice Lobjoie, der Tante Lorets und Schwester von Charlotte, die er als Kronzeugin für seine Behauptung ins Feld hatte führen wollen, ergab ein negatives Ergebnis: Alice Lobjoie gab an, dass ihre Schwester während des Krieges zwar eine Liebesbeziehung zu einem deutschen Soldaten unterhalten habe, bestritt jedoch heftig, dass dieser Soldat Adolf Hitler gewesen sei. Sie gab an, sich gut an das Gesicht des Mannes erinnern zu können und zu wissen, dass dieses keine Ähnlichkeit mit Hitler gehabt habe. Außerdem gab sie zu Protokoll:

Jean ist ein Spinner. Die Hitlergeschichte haben ihm nur die Deutschen aufgeschwatzt.[7]

Maser versuchte später, in jüngeren Auflagen seines Buches „Hitler“ die Aussagen Lobjoies abzuschwächen, indem er auf den angeblichen Groll der Tante gegen ihren Neffen hinwies.

Neben dem Dementi von Alice Lobjoie führten Kritiker von Masers These, wie der Historiker Joachimsthaler, unter anderen Zeugnisse von Kriegskameraden Hitlers in die Debatte ein, die in ihren Erinnerungen an Hitler im Ersten Weltkrieg einhellig vermerkten, dieser habe entschieden jede Beziehungen deutscher Soldaten zu französischen Frauen abgelehnt. So etwa Balthasar Brandmayer, der in seinem Erinnerungsbuch „Zwei Meldegänger“ berichtete, Hitler habe in heftigsten Worten gegen das Vorhaben von Regimentskameraden reagiert, sich mit Französinnen einzulassen und diesen vorgehalten „koa deutsch Ehrg'fühl“ zu haben.[8]

Die Kritiker machten zudem logische Inkonsistenzen in Masers Geschichte geltend: So sei es höchst unwahrscheinlich, dass ein Soldat im Kriege, noch dazu ein in der militärischen Hierarchie niedrig rangierender Gefreiter, eine Geliebte über alle Verlegungen seines Regiments hinweg mit sich habe führen können, wie dies Hitler laut Maser mit Lobjoie getan habe: Eine freie Bewegung sei in den besetzten Gebieten kaum möglich gewesen, noch dazu den Regimentstrossen nachzureisen erst recht.

Während der Aschaffenburger Streitgespräche der Historiker 1979 schwieg sich Maser zu der Affäre zunächst aus und erklärte schließlich in seinem Diskussionsbeitrag einen möglichen illegitimen Sohn Hitlers plötzlich für eine ganz nebensächliche Sache.[9] Joachimsthaler bezeichnete dies als ein „Eigentor“ Masers.

Der Daily Express behauptete in einem Artikel vom 15. Februar 1985, dass ein Porträt von Lorets Mutter nach Hitlers Tod unter seinen Habseligkeiten gefunden worden sei, blieb jedoch einen Beleg für diese Behauptung schuldig. Tatsächlich wurde ein von Adolf Hitler aus dem Jahre 1916 stammendes Portrait, welches Charlotte Lobjoie mit einem Kopftuch und einer Gabel in der Hand darstellen soll, in den sechziger Jahren bei einem belgischen Unternehmer aufgespürt und Anfang der siebziger Jahre in einer Ausgabe der Zeitschrift „Panorama“ publiziert. Es ist daher unwahrscheinlich, dass sich dieses Portrait 1945 in Hitlers Habe befunden haben soll.

Maser bekräftige in jüngerer Zeit in einem Interview mit der der rechtsextremen Szene nahestehenden National-Zeitung, dass er nach wie vor zu seiner These stehe. Darüber hinaus beharrte er, Loret „war eindeutig Hitlers Sohn“ und gab weiter an, dass dies „in Frankreich von behördlicher Seite anerkannt worden[10] sei. Zudem enthält die 12. Auflage von Masers Buches „Adolf Hitler – Legende, Mythos, Wirklichkeit“, laut Maser die am meisten übersetzte Hitler-Biografie der Welt, einen umfassenden Anhang zum Thema "Hitler-Loret".

Quellen

  1. Korrektur einer Biographie. Adolf Hitler, 1908-1920, München 1989, S. 162-64
  2. Hitler-Biografie; Bd. 1, Note 116 zu Kapitel 3
  3. Autobiographie S. 127-149
  4. Brief Lorets an Frau Christine Schroeder vom 21. Juli 1979, enthalten im Nachlass von Frau Schroeder
  5. Adolf Hitler: Vater eines Sohnes, in Zeitgeschichte, 5. Jg., 1977/78, S. 173-202
  6. Der Spiegel, Ausgabe 45, 1977
  7. Joachimsthaler: Korrektur, S. 62
  8. Balthasar Brandmayer: Zwei Meldegänger. Mitgeteilt von Hein Bayer, Bruckmühl 1932, S. 103
  9. Zeit 28, 7. Juni 1978
  10. http://www.national-zeitung.de/Artikel_04/NZ30_2.html

Literatur

  • Jean Loret: Ton père s'appelait Hitler, Paris 1981.
  • Donald M. McKale: Hitler's Children: A Study of Postwar Mythology, in: The Journal of Popular Culture, Vol. 15 Issue 1 S. 46, 1981.
  • Vgl. auch Mulischs Roman "Siegfried" (2001)

Weblinks


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