- Jochen Marseille
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Hans-Joachim Walter Rudolf Siegfried Marseille (* 13. Dezember 1919 in Berlin-Charlottenburg; † 30. September 1942 bei El Alamein, Ägypten) war ein deutscher Jagdflieger und Offizier im Zweiten Weltkrieg. Als erfolgreichster Jagdflieger auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz wurde er unter dem Namen Stern von Afrika bekannt.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Hans-Joachim Marseille (privat meist „Jochen“ genannt) stammte aus einer alten Hugenottenfamilie. Seine Eltern waren Siegfried Georg Martin Marseille und Charlotte Marie Johanna Pauline Gertrud Riemer. Er hatte eine Schwester. Der Vater war während des Ersten Weltkriegs Soldat und wechselte kurz vor der Geburt seines Sohnes in den Polizeidienst. 1941 wurde er Generalmajor der Luftwaffe und 1944 von Partisanen an der Ostfront getötet.
Marseille besuchte das Prinz-Heinrich-Gymnasium in Berlin-Schöneberg, das er mit 17 Jahren erfolgreich beendete. Im Jahr 1938 meldete er sich freiwillig zur Luftwaffe. Bereits während seiner Ausbildung stellte sich sein fliegerisches Talent deutlich heraus, jedoch hatte er Probleme mit der Disziplin.
Im August 1940 wurde Marseille nach einer intensiven Vorkriegsausbildung als Oberfähnrich zum Lehrgeschwader 2 an die Kanalküste versetzt, wo er seine erste Feindberührung hatte. Während der Luftschlacht um England vermeldete er am 24. August 1940, seinem ersten Kampftag, seinen ersten Luftsieg. An seinem zweiten Kampftag schoss er seine zweite Maschine ab und erhielt dafür das Eiserne Kreuz 2. Klasse, nach seinem fünften Abschuss, drei Tage später, erhielt er das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Er gelangte zum JG 52, wo er aber mit seinem Chef, Johannes Steinhoff, überhaupt nicht zurechtkam. In seiner Zeit an der Kanalküste bekam er zweimal eine Disziplinarstrafe, u. a. fünf Tage Strafarrest. Im Februar 1941 wurde Marseille schließlich zum Jagdgeschwader 27 vorerst zur Fliegerschule Döberitz versetzt. Von dort ging es dann im April 1941 nach Nordafrika, auf den Flugplatz Gazala. Er flog fortan unter der Kennung "Gelbe 14".
Während seines ersten Feindfluges über Libyen konnte er seinen ersten Abschuss in Afrika verzeichnen. In den darauf folgenden Wochen kamen weitere hinzu, doch zog er sich den Unmut seines unmittelbaren Vorgesetzten Oberleutnant Gerhard Homuth zu, da Marseille, sobald er Feindflugzeuge sah, sich vom Verband löste und den Gegner eigenmächtig angriff. Dies widersprach jeglicher Regel für Luftkämpfe. Seinem Gruppenkommandeur Hauptmann Neumann missfiel dies auch, doch erkannte er das große fliegerische Talent von Marseille.
Im Mai 1941, nachdem Marseille 13 Abschüsse zu verzeichnen hatte, wurde er schließlich zum Leutnant befördert. Kurz darauf musste er nach schweren Treffern im Niemandsland notlanden und erreichte erst nach einem langen Fußmarsch unverletzt die eigenen Linien. In den folgenden Monaten besann sich Marseille immer mehr auf seine Pflichten als Soldat und Flieger. Er wirkte in Luftkämpfen immer mehr mit seinen Kameraden zusammen und akzeptierte militärische Grundregeln weitestgehend. Zum Rottenführer ernannt, eignete er sich in unzähligen Einsätzen eine beachtliche Trefferpräzision an. Er gehörte zur Gruppe der sog. Scharfschützen, d. h. er versuchte den Gegner durch geschickte Wahl eines Vorhaltewinkels in der versetzten Bewegung und ggf. aus der eigenen Bewegung zu treffen, was ihm zunehmend erfolgreich gelang. Dadurch erzielte er seine späteren Siege mit sehr wenigen Schäden an der eigenen Maschine und einem außergewöhnlich geringen Munitionsverbrauch. Er traf weiterhin besonders häufig die Kabine des Gegners von der schwächer geschützten Seite, was häufig zum Ausfall des gegnerischen Piloten durch Tod oder Verwundung führte. Im Dezember 1941 erhielt er das Deutsche Kreuz in Gold.
Am 22. Februar 1942 erzielte Marseille als erfolgreichster Pilot seines Geschwaders den 50. Abschuss, wofür er mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet und zum Oberleutnant befördert wurde. Als Homuth im Mai die gesamte Gruppe übernahm, rückte Marseille zum Staffelführer auf. In den folgenden Monaten erzielte er im Durchschnitt zwei bis fünf Feindabschüsse pro Luftkampf. Marseille war nicht nur in Deutschland zu einer Berühmtheit geworden, sondern auch bei seinen Gegnern. Die Piloten des British Commonwealth sollen sogar den Befehl erhalten haben, Marseille nicht, oder in Überzahl anzugreifen. Die Briten setzten schließlich Elite-Piloten auf Marseille an. Unter ihnen war auch das australische sogenannte Fliegerass Clive Caldwell, der zwar einige Staffelkameraden Marseilles abschießen konnte, jedoch nie auf Marseille selbst traf.
Im Juni 1942 schoss Oberleutnant Marseille sechs Gegner in nur elf Minuten ab und erhielt im selben Monat als zweiter Pilot seines Jagdgeschwaders nach 75 Luftsiegen das Eichenlaub zum Ritterkreuz. Er war zu diesem Zeitpunkt der 97. Soldat, der diese Auszeichnung erhielt. Am 17. Juni verkündete das Jagdgeschwader 27 den 100. Abschuss von Marseille. Er war damit der erste Jagdflieger, der die Marke 100 gegen westalliierte Piloten erreicht hatte. Die darauf folgende Verleihung der Schwerter zum Ritterkreuz mit Eichenlaub fand direkt in Berlin statt. Bis dahin war diese hohe Auszeichnung erst an 12 Soldaten verliehen worden.
Nachdem er zu seinem Geschwader zurückgekehrt war, fand Marseille eine völlig andere Situation vor. Die Luftwaffe war in Afrika in die Defensive zurückgedrängt worden. Die deutschen Piloten standen einem sechsfach überlegenen Gegner gegenüber, was die Verluste des Geschwaders ansteigen ließ. Bereits am ersten Einsatztag konnte Marseille zehn Feindflugzeuge abschießen. Am 1. September 1942 gelangen ihm an einem einzigen Tag 17 bestätigte Abschüsse in drei Einsätzen. Seine Gesamtabschusszahl erhöhte sich damit auf 121. Nachdem er am 2. September fünf weitere Abschüsse und 126 insgesamt verbuchen konnte, wurden ihm die Brillanten zum Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern verliehen. Er war damit erst der vierte Träger dieser Auszeichnung. In den folgenden Tagen kamen weitere Luftsiege hinzu, und er wurde zum fünften Mal im Wehrmachtbericht namentlich erwähnt. Am 24. September 1942 wurde er schließlich mit 22 Jahren zum bis dahin jüngsten Hauptmann der Luftwaffe befördert. Die Übermacht der Gegner und die damit verbundenen Dauereinsätze zeigten auch bei Marseille Wirkung. Er war oft übermüdet und abgekämpft, woraufhin ihm Generalfeldmarschall Erwin Rommel persönlich Fronturlaub anbot. Marseille lehnte jedoch ab, er wollte seine Staffel nicht verlassen und lieber später Weihnachten mit seiner Verlobten verbringen.
Am 30. September 1942 kehrte die Staffel kampflos zurück, als die Maschine von Marseille, eine Messerschmitt Me 109 G-2, wegen eines technischen Defektes Feuer fing. Da seine Scheiben mit Öl verschmiert waren, wurde er durch seine Kameraden dirigiert, um sich auf deutsch besetztes Territorium zu retten. Als er schließlich abspringen musste, drehte er das Flugzeug mit einer halben Rolle in Rückenlage, um nicht Gefahr zu laufen, vom Leitwerk getroffen zu werden. Wegen der starken Rauchentwicklung bemerkte er nicht, während er sich von den Anschnallgurten befreite, dass die Maschine in den Sturzflug übergegangen war, so dass er beim Absprung vom Leitwerk getroffen wurde. Er war sofort tot oder verlor zumindest das Bewusstsein. Zum Ziehen der Reißleine des Fallschirms kam er nicht mehr.
Er wurde anschließend mit militärischen Ehren in Derna beerdigt. An der Absturzstelle errichteten die 3. Staffel und deren italienische Verbündeten des Geschwaders eine kleine Pyramide. Auf der Bronzetafel der Pyramide stand geschrieben: Hier starb unbesiegt Hptm Hans Joachim Marseille. Nach dem Krieg wurde Marseilles Leichnam exhumiert, nach Tobruk ins dortige Ehrenmal des Afrikakorps überführt und dort beigesetzt. 1989 wurde auf der ursprünglichen Stelle durch seine alten Staffelkameraden eine neue Pyramide (ca. 5 m mal 5 m Grundfläche) mit der ursprünglichen, nun jedoch mehrsprachigen (Arabisch, Deutsch und Italienisch) Inschrift erbaut. Diese Pyramide ist unter den Koordinaten 30° 53′ 27″ N, 28° 41′ 43″ O30.89077777777828.695241666667Koordinaten: 30° 53′ 27″ N, 28° 41′ 43″ O zu finden.
Hans-Joachim Marseille erzielte bis zu seinem Tod 158 Luftsiege in 388 Feindflügen.
Marseille bei einer von ihm abgeschossenen Hawker Hurricane, März 1942
Auszeichnungen
- Eisernes Kreuz (1939) II. und I. Klasse am 9. bzw. 17. September 1940
- Ehrenpokal für besondere Leistung im Luftkrieg
- Ehrendolch des Heeres
- Deutsches Kreuz in Gold am 24. November 1941 [1]
- Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub, Schwertern und Brillanten [2]
- Ritterkreuz am 22. Februar 1942
- Eichenlaub am 6. Juni 1942 (97. Verleihung)
- Schwerter am 18. Juni 1942 (12. Verleihung)
- Brillanten am 3. September 1942 (4. Verleihung)
- Flugzeugführer- und Beobachterabzeichen in Gold mit Brillanten [3]
- Italienisches Fliegerabzeichen
- Italienische Tapferkeitsmedaille in Gold am 18. August 1942 [4]
- Frontflugspange für Jäger in Gold mit Anhänger Einsatzzahl "300"
- Ärmelband Afrika
- Sechsmalige Nennung im Wehrmachtbericht
Rezeption
Ehrung
Die Luftwaffe der Bundesrepublik Deutschland ehrte den Jagdflieger, indem sie am 24. Oktober 1975 die Kaserne in Appen nach ihm benannte. In der Marseille-Kaserne befindet sich die Unteroffizierschule der Luftwaffe.
Verfilmung
- Der Stern von Afrika (Alfred Weidenmann, Deutschland/Spanien 1957)
Dokumentation
- Hans-Joachim Marseille - Der Stern von Afrika
Siehe auch
Literatur
- Jochen Prien, Peter Rodeike, Gerhard Stemmer: Messerschmidt Bf 109 im Einsatz bei Stab und I./Jagdgeschwader 27 1939 - 1945. Struve-Druck, Eutin 1998, ISBN 3-923457-46-4
- John Weal: Jagdgeschwader 27 'Afrika'. Osprey Publishing, London 2003, ISBN 1-84176-538-4 (in englischer Sprache)
Weblinks
- Literatur von und über Hans-Joachim Marseille im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biographie bei Lexikon der Wehrmacht
- Biografie bei Waffenhq.de
- Biographie bei Adlertag.de
- Biografie (engl.)
Einzelnachweise
- ↑ Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.528
- ↑ Veit Scherzer: Die Ritterkreuzträger 1939-1945, Scherzers Militaer-Verlag, Ranis/Jena 2007, ISBN 978-3-938845-17-2, S.528
- ↑ Jörg Nimmergut: Deutsche Orden und Ehrenzeichen bis 1945, Band IV. Württemberg II – Deutsches Reich, Zentralstelle für wissenschaftliche Ordenskunde, München 2001, ISBN 3-00-00-1396-0, S.2441
- ↑ siehe Datenbank auf der Seite des italienischen Staatspräsidenten
Personendaten NAME Marseille, Hans-Joachim KURZBESCHREIBUNG deutscher Jagdflieger und Fliegerass im Zweiten Weltkrieg GEBURTSDATUM 13. Dezember 1919 GEBURTSORT Berlin STERBEDATUM 30. September 1942 STERBEORT bei El Alamein, Ägypten
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