Jodiertes Salz

Jodiertes Salz

Iodsalz ist ein Speisesalz, das mit Iodat angereichert ist. Es wird angeboten, um den Grundbedarf an Iod für die ausreichende Produktion des Menschen an den lebenswichtigen Schilddrüsenhormonen decken zu können.

Iodsalz enthält circa 15 bis 25 mg Iod pro Kilogramm Salz. Iodierung des verkauften Speisesalzes ist bzw. war in der Schweiz, in Österreich, den USA sowie bis zur Wiedervereinigung in der DDR vorgeschrieben. Im vereinigten Deutschland ist der Gebrauch von Iodsalz nicht gesetzlich vorgeschrieben, jedoch wird es mittlerweile von der Mehrzahl der Haushalte und Gastronomiebetriebe verwendet. Mittlerweile gilt Deutschland nach den Kriterien der WHO nicht mehr als Iod-unterversorgt bzw. Iodmangelgebiet[1], was ganz wesentlich dem vermehrten Konsum von iodiertem Speisesalz zuzuschreiben ist. Praktisch alle größeren Gesundheitsorganisationen (Vereinte Nationen, UNICEF, WHO, ICCIDD [2] und Fachgesellschaften (ATA[3], ETA[4], Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie, Deutsche Gesellschaft für Ernährung[5], Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)) empfehlen daher den Konsum von Iodsalz zur Prophylaxe des Iodmangels.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Von Seiten der WHO wird geschätzt, dass weltweit etwa 750 Millionen bis 1 Milliarde Menschen von Iodmangel betroffen sind[1][5]. In West- und Zentraleuropa betrifft dies mehr als 380 Millionen Menschen. Hauptursachen des Iodmangels sind zum einen iodarme Böden, die wiederum iodarme Agrarprodukte hervorbringen und zum zweiten ein geringer Konsum von Seefisch, da Fische aus Binnengewässern (Seen und Flüssen) nur wenig Iod enthalten. Dementsprechend sind vom Iodmangel vorwiegend Gegenden betroffen, die weitab der Küsten liegen. In Europa waren dies klassischerweise die Alpenländer und der Balkan. In Nordamerika waren es insbesondere die Gegenden um die großen Seen.

Folgen des Iodmangels

Iod ist ein lebensnotwendiges Spurenelement und vor allem für die Funktion der Schilddrüse wichtig. Die Schilddrüse synthetisiert die ebenfalls lebensnotwendigen iodhaltigen Hormone Thyroxin (Tetraiodthyronin, T4) und Triiodthyronin (T3). Ein chronischer Iodmangel führt zunächst zur Hyperplasie und später Hypertrophie, d. h. zur Größenzunahme der Schilddrüse. Klinisch macht sich das als Kropf (medizinisch: Struma) bemerkbar. Die endemische Struma war in früheren Jahrhunderten geradezu das Kennzeichen ganzer Bevölkerungen, z. B. in Bayern, der Schweiz oder Österreich. Besteht der Iodmangel längere Zeit, kann sich eine sogenannte Knotenstruma mit autonomen Adenomen entwickeln. Wird die Iodmangelsituation dann plötzlich behoben (z. B. durch vermehrte Iodzufuhr mit der Ernährung oder durch Gabe von stark iodhaltigen Röntgenkontrastmitteln), kann sich durch überschießende Hormonproduktion durch die autonomen Areale eine Hyperthyreose (Schilddrüsenüberfunktion) entwickeln.

Die Hormone T3 und T4 sind von entscheidender Bedeutung für die frühkindliche Entwicklung des Gehirns. Ein bei Geburt bestehender ausgeprägter Mangel an diesen Hormonen führt zur mehr oder minder schweren geistigen Retardierung (bis zum Kretinismus). Deswegen wird routinemäßig jedes Neugeborene auf das Vorliegen einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion) untersucht um diese möglichst bald zu behandeln. Wird die Behandlung nur um wenige Wochen verzögert, kann dies eine geistige Behinderung zur Folge haben, die eine spätere höhere Schulbildung nicht mehr möglich macht. Die häufigste Ursache für die Hypothyreose beim Neugeborenen ist die unzureichende Iodzufuhr während der Schwangerschaft. Daher ist die ausreichende Iodzufuhr gerade in der Schwangerschaft von besonderer Bedeutung. Eine Metaanalyse aus 10 verschiedenen Studien zeigte, das ein chronischer Iodmangel zu einer mittleren Intelligenzquotient-Minderung um 13,5 Punkte führte[6]. Dass chronischer Iodmangel bei Kindern zu Intelligenzminderung führt wurde durch Studien aus allen Teilen der Welt belegt[7][8][9]. Iodmangel gilt als the world's greatest single cause of preventable brain damage and mental retardation (die weltgrößte einzelne Ursache vermeidbarer Hirnschäden und geistiger Behinderungen)[10].

Tagesbedarf an Iod

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt die tägliche Zufuhr von 180–200 µg Iod/Tag für Erwachsene (bei Schwangeren und Stillenden etwas mehr) und 40–200 µg für Kinder und Jugendliche. Um diesen Bedarf nur mit iodiertem Speisesalz zu decken müssten 4–5 g bzw. 2–5 g Iodsalz täglich konsumiert werden, was praktisch kaum machbar und auch gesundheitlich nicht sinnvoll ist. Der Salzkonsum in westlichen Ländern wird ohnehin schon als zu hoch angesehen, da angenommen wird, dass ein dauerhaft erhöhter Konsum negative gesundheitliche Auswirkungen nach sich zieht (insbesondere hinsichtlich der Ausbildung der arteriellen Hypertonie was jedoch wissenschaftlich nicht belegt ist). Deshalb wird dazu geraten den Iodbedarf nicht alleine durch iodiertes Speiesesalz zu decken, sondern ergänzend iodhaltige Nahrungsmittel zu konsumieren. Empfohlen ist in allererster Linie mindestens einmal wöchentlich Seefisch. Die tatsächliche Iodaufnahme in Deutschland wurde durch die DGE 2003 auf 110–120 µg Iod/Tag bei Erwachsenen geschätzt[5]. Damit bestand immer noch eine Unterversorgungssituation, insbesondere auch bei Schwangeren.

Iodsalz im Handel

Konventionelle Produkte sind beispielsweise mit Iod angereichertes Tafelsalz. Auch Fertiggerichte können Iodsalz enthalten. Auf der Packung muss ein Hinweis „mit iodiertem Speisesalz“ oder „mit Iodsalz“ gegeben werden. Durch die Zugabe von Iod im Tierfutter wird der Iodgehalt von Fleisch, Eiern und Milchprodukten erhöht, ohne dass dies angegeben werden muss. Die Verwendung in Backwaren und Wurst ohne Deklaration ist ebenfalls verbreitet.

Iodsalz wird in Deutschland auch mit Zusatz von Fluorid und Folsäure angeboten. Bei regelmäßigem Gebrauch soll fluoridiertes Iodsalz Karies um die Hälfte reduzieren können – kontrollierte Untersuchungen hierzu liegen allerdings nur für Fluoridtabletten vor.

Kritik

Einige Wissenschaftler betonen in der Diskussion um staatliche Iodierungsprogramme, dass Gefahren für Menschen entstehen könnten, die an Schilddrüsenüberfunktion oder einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse (Autoimmunthyreopathie) leiden. Möglicherweise nimmt die Häufigkeit der Erkrankung Hashimoto-Thyreoiditis mit steigender Iodzufuhr zu[11]. Ferner könne der Konsum von Iod in Nahrungsmitteln zu einer Unverträglichkeitsreaktion (Iodunverträglichkeit) führen. Diese Einschätzung wird jedoch von den entsprechenden medizinischen Fachgesellschaften und von der Weltgesundheitsorganisation nicht geteilt.

Dem möglichen Schaden müssen der eindeutig belegte gesundheitspolitische Nutzen der Speisesalz-Iodierung gegenübergestellt werden (Vermeidung geistiger, auch leicht ausgeprägter Behinderung, keine Knotenstruma, etc.). Die Kritiker wenden hierzu ein, dass es rechtlich bedenklich ist, das Recht auf körperliche Unversehrtheit einer konkret bezifferbaren Betroffenengruppe gegen den nicht exakt bezifferbaren Vorteil einer anderen Personengruppe aufzurechnen.

Für einige Kritiker wie den „Nestor der Vollwertkost“ Max Otto Bruker ist die „Zwangsiodierung ein von langer Hand vorbereitetes Geschäft“. Medizinisch gesehen bestehe in unserer Zivilisation eher das Problem einer Iodverwertungsstörung als eines Iodmangels. Teilweise wenden sich Gegner der Iodierung von Lebensmitteln auch nur gegen künstliches, d. h. reines Iodat und akzeptieren beispielsweise Algenpräparate und Meersalz, wobei letzteres allerdings kaum Iod in nennenswerter Menge enthält.

Hauptkritikpunkt vieler Gegner der Iodierung ist die Tatsache, dass der Verbraucher seine tatsächliche tägliche Iodzufuhr aufgrund der Mängel im Deklarationssystem, der Iodierung von Tierfutter in nicht nachvollziehbarer Höhe und der Vielzahl iodierter Produkte im Handel gar nicht mehr objektiv beurteilen kann. Das Iod im iodierten Speisesalz sei somit nur die Spitze des Eisberges. Die Befürworter der Speisesalziodierung wenden dagegen ein, dass eine relevante Überversorgung mit Iod durch Nahrungsmittel, die mit Iodsalz versetzt sind, angesichts des geringen Iodgehalts von Iodsalz (s.o.) praktisch nicht entstehen könne.

Für die Betroffenen sind der tägliche Einkauf genauso erschwert, wie der Besuch von Restaurants und Feierlichkeiten. Somit würde die Lebensqualität der Betroffenen eingeschränkt, weil ihnen vielfach die Auswahlmöglichkeiten genommen werden. In diesem Zusammenhang wird häufig festgestellt, dass Iod, wenn es überhaupt ein Nahrungsergänzungsmittel sei, in die Apotheke gehöre und nicht nach dem Gießkannenprinzip ins Essen – dann könne jeder frei für sich entscheiden, ob er zusätzlich Iod zu sich nehmen möchte oder nicht. Diese Freiheit würde dem Konsumenten jedoch durch staatlich sanktionierte Iodierungsprogramme genommen.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b Iodine status worldwide: WHO Global Database on Iodine Deficiency. Bruno de Benoist et al. (eds.): Department of Nutrition for Health and Development, World Health Organization, Genf, 2004, ISBN 92-4-159200-1 (pdf)
  2. International Council for Control of Iodine Deficiency Disorders
  3. American Thyroid Association
  4. European Thyroid Association
  5. a b c DGE-Info: Mit Jodsalz und ausgewogener Ernährung konsequent, effektiv und sicher gegen Jodmangel. Forschung, Klinik und Praxis 11/2003 Volltext
  6. Bleichrodt N, Born MP. A meta-analysis of research on iodine and its relationship to cognitive development. In: Stanbury JB (ed.): The damaged brain of iodine deficiency. New York, Cognizant Communication, 1994:195–200.
  7. Pineda-Lucatero A, Avila-Jiménez L, Ramos-Hernández RI, Magos C, Martínez H. Iodine deficiency and its association with intelligence quotient in schoolchildren from Colima, Mexico. Public Health Nutr. 2008 Jan 21:1–9 PMID 18205986
  8. Qian M, Wang D, Watkins WE, Gebski V, Yan YQ, Li M, Chen ZP. The effects of iodine on intelligence in children: a meta-analysis of studies conducted in China. Asia Pac J Clin Nutr. 2005;14(1):32–42. PMID 15734706
  9. Santiago-Fernandez P, Torres-Barahona R, Muela-Martínez JA, Rojo-Martínez G, García-Fuentes E, Garriga MJ, León AG, Soriguer F. Intelligence quotient and iodine intake: a cross-sectional study in children. J Clin Endocrinol Metab. 2004;89(8):3851–7. PMID 15292317
  10. Delange F. Iodine deficiency as a cause of brain damage. Postgrad Med J. 2001;77(906):217–20. PMID 11264481
  11. [1]

Weblinks

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