Joe Weizenbaum

Joe Weizenbaum

Joseph Weizenbaum (* 8. Januar 1923 in Berlin; † 5. März 2008 in Gröben bei Berlin) war ein deutsch-US-amerikanischer Informatiker sowie Wissenschafts- und Gesellschaftskritiker. Weizenbaum bezeichnete sich selbst als Dissidenten und Ketzer der Informatik.[1] Sein Bruder Henry F. Sherwood war ebenfalls ein Computerpionier.

Joseph Weizenbaum, 2005 in Berlin

Inhaltsverzeichnis

Leben

Weizenbaum war der Sohn des Kürschnermeisters Jechiel Weizenbaum und dessen Frau Henriette. Die jüdische Familie emigrierte 1936 von Bremen aus in die USA. Dort studierte Weizenbaum ab 1941 zunächst Mathematik an der Wayne State University in Detroit, Michigan. Das Studium, das er 1942 unterbrach wegen des 2. Weltkrieges mit seinem Dienst in der meteorologischen Abteilung der United States Army Air Forces. 1946 nahm er sein Studium wieder auf und schloss es 1950 mit dem Grad des Masters ab. Danach wurde er an der Fakultät für Mathematik ein wissenschaftlicher Assistent beim Entwurf, Bau und Betrieb eines Großcomputers. Von 1952 bis 1963 arbeitete Joseph Weizenbaum als System Engineer im Computer Development Laboratory der General Electric Corporation und war dort an der Konzeption des ersten Computer-Banksystems beteiligt. 1963 begann er seine Tätigkeit am Massachusetts Institute of Technology (MIT), zunächst als Associate Professor, ab 1970 als Professor für Computer Science. Ein erstes Resultat seiner Arbeit mündet im ARPA net, dem Vorläufer des Internet.

1966 veröffentlichte Weizenbaum das Computer-Programm ELIZA, mit dem er die Verarbeitung natürlicher Sprache durch einen Computer demonstrieren wollte; Eliza wurde als Meilenstein der „künstlichen Intelligenz“ gefeiert, seine Variante Doctor simulierte das Gespräch mit einem Psychologen. Weizenbaum war entsetzt, wie ernst viele Menschen dieses relativ einfache Programm nahmen, indem sie im Dialog intimste Details von sich preisgaben. Dabei war das Programm nie konzipiert gewesen, einen menschlichen Therapeuten zu ersetzen. Durch dieses Schlüsselerlebnis wurde Weizenbaum zum Kritiker der gedankenlosen Computergläubigkeit. Noch heute gilt Eliza als Prototyp für moderne Chatbots.

Seit dieser Zeit mahnte Weizenbaum den kritischen Umgang mit Computern und die Verantwortung des Wissenschaftlers für sein Tun an. Besonders betonte er, die eigentliche Entscheidungsgewalt müsse immer in menschlicher Hand bleiben, auch wenn künstliche intelligente Systeme als Hilfsmittel zur Informationsbeschaffung herangezogen werden. Er war Mitbegründer der Computer Professionals for Social Responsibility in den USA und Beirat des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung in Deutschland und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Rates am Institute of Electronic Business in Berlin.

Ab 1996 lebte Weizenbaum wieder in Berlin-Mitte, in der Nähe seiner Tochter Naomi, unweit der ehemaligen elterlichen Wohnung.[2] [3]

Weizenbaum starb im Alter von 85 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls, nachdem er schon im Jahr 2007 an Krebs erkrankt war, der erfolglos chemotherapeutisch behandelt wurde. Mit seiner Ehefrau Ruth hatte er vier Töchter.[4] Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee begraben.[5]

Auszeichnungen

2002 verlieh ihm die Gesellschaft für Informatik die Ehrenmitgliedschaft. Er war Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes und erhielt vier Ehrendoktor-Auszeichnungen; unter anderem von der Universität Hamburg und der Universität Bremen sowie einen Doctor of Humane Literature vom Webster College (USA). Außerdem erhielt er den Norbert Wiener Prize der Computer Professionals for Social Responsibility sowie den Preis für seine Lebensleistung, verliehen von dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIFF).

Schriften

  • 2006: Wo sind sie, die Inseln der Vernunft im Cyberstrom? (mit Gunna Wendt). Herder, Freiburg ISBN 3451288648
  • 2003: Krieg ist der Feind – Die Verantwortung des Wissenschaftlers. 2-CD-Set, 116 Minuten. supposé, Köln, ISBN 3-932513-40-1 [1]
  • 2002: Vom Handeln im Netz. Dimensionen der Globalisierung (mit Omar Akbar und Anne Helfensteller; 2. Auflage). form+zweck Verlag, ISBN 3935053010
  • 2001: Computermacht und Gesellschaft. Suhrkamp, Frankfurt am Main, ISBN 3518291556
  • 1998: Erkenntnis und Information (mit Johannes Hartkemeyer). Reihe Denkbücher, Bd. 1, LIT Verlag, Münster u.a., ISBN 3825840751
  • 1993: Wer erfindet die Computermythen? Der Fortschritt in den großen Irrtum. Herder, Freiburg, ISBN 3-451-04192-8
  • 1991: Kurs auf den Eisberg. Die Verantwortung des Einzelnen in der Diktatur der Technik (Serie Piper; 3. Auflage, 19. Tsd), ISBN 3492105416 (Erstveröffentlichung: 1987)
  • 1990: Sind Computer die besseren Menschen? (mit Klaus Haefner), ISBN 3858422525 (auch Piper, München 1992, ISBN 3492114709)
  • 1984: Der Kurs auf den Eisberg oder das Wunder wird uns retten, sagt der Computerexperte. Zürich: Pendo-Verlag, ISBN 3858420875
  • 1976: Computer Power and Human Reason. From Judgement to Calculation. W. H. Freeman and Company. Deutsch als Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3518278746 (auch: Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3518574566 – gebundene Ausgabe)
  • 1966: „ELIZA – A Computer Program for the Study of Natural Language Communication between Man and Machine“, Communications of the Association for Computing Machinery 9 (1966): 36–45

Filme

Siehe auch

Weblinks

Beiträge von Weizenbaum
Nachrufe

Einzelnachweise

  1. Joseph Weizenbaum: Kurs auf den Eisberg. Piper, Zürich 1987, ISBN 3-492-10541-6, S. 15.
  2. Joseph Weizenbaum – der Versuch einer Biographie von Wolfgang Löw, Leibniz-Institut für Neurobiologie, Magdeburg (PDF)
  3. Weizenbaum. Rebel at Work. Dokumentarfilm von Peter Haas und Silvia Holzinger
  4. In Palo Alto Familienfoto um 1960
  5. Seite zum Tod von Josef Weizenbaum auf der Homepage der TU Berlin

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